"Ungehorsam ist die wahre Grundlage der Freiheit"

Gerhard Haderer eröffnet "Schule des Ungehorsams"

Unter großem Andrang und mit vielen Überraschungsgästen aus Kunst, Literatur und Wissenschaft nahm die Schule des Ungehorsams am vergangenen Samstag in der Tabakfabrik Linz ihren Betrieb auf. Gerhard Haderer alias HADES, Großmeister der gezeichneten Satire und künftig selbsternannter "Schulhausmeister", führte durch einen bunten Abend voller Wow-Momente.

Bereits an den Außenwänden des "Schulgebäudes" – der alten Tabakfabrik in Linz – übte sich Haderers ungewöhnliches Fortbildungsprojekt am Eröffnungsabend in Ungehorsam. In beeindruckenden Lichtprojektionen war an den Wänden zu lesen: "Ungehorsam ist die wahre Grundlage der Freiheit – die Gehorsamen sind die Sklaven" und " Niemand hat das Recht zu gehorchen", Zitate der Philosophen Henry David Thoreau und Hannah Arendt.

Schule des Ungehorsams
Ungehorsame Zitate als Lichtprojektionen an der Tabakfabrik Linz. (© Roland Straller)

Dass er selbst sich auf Ungehorsam versteht, hat der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer schon oft unter Beweis gestellt – unter anderem als Zeichner für die Zeitschriften Stern und Titanic. Die Förderung des Ungehorsams als wichtige gesellschaftliche Triebkraft ist nun auch das Ziel seiner frisch eröffneten Schule des Ungehorsames, kurz: SCHUDU. Da Europa immer mehr nach rechts rücke und sich viele "in einer Art Neo-Biedermeier" ins eigene Heim zurückzögen, sei der Zeitpunkt für eine Schulung des Ungehorsams gekommen, erklärte der 66-jährige Haderer bei der Eröffnung am Samstagabend.

Ziel der Schule des Ungehorsams ist es, Gleichgesinnte aus Kunst, Kultur, Wissenschaft und Philosophie zu vernetzen, ihre Gedanken, Ideen und Impulse zusammenbringen und in Form von Vorträgen, Ausstellungen, Lesungen und Workshops bis hin zu Publikationen und auch Aktionen im öffentlichen Raum umzusetzen. Es soll eine Ermutigungsplattform werden, eigene, mündige Gedanken zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen und vorherrschenden Meinungen zuzulassen und sich zu engagieren. Und so feierten bekannte "Widerstandskämpfer" wie Liedermacher Konstantin Wecker ebenso den "ersten SCHUDU-Schultag" wie Dramatiker Peter Turrini, Satiriker Peter Hörmanseder von der österreichischen Kabarettgruppe maschek, Kabarettist Viktor Gernot sowie "Science Buster" Werner Gruber.

Schule des Ungehorsams
Bekannte "Widerstandskämpfer" wie Konstantin Wecker (links) waren zur Eröffnung der "Schule des Ungehorsams" von Gerhard Haderer (Mitte) gekommen. (© Roland Straller)

Auch ungehorsame Denker aus den Reihen der Philosophen waren zur Eröffnung gekommen. Philosoph Phillip Hübl amüsierte in seinem Vortrag das Publikum mit dem statistischen Fakt, dass links-liberal progressiv denkende Menschen, denen Werte wie Fürsorge, Freiheit und Fairness wichtig sind, häufig Katzen als Haustiere haben, konservativ-rechts orientierte Menschen mit einem Hang zu Werten wie Loyalität, Ehre, Zughörigkeit und Autorität dagegen unverhältnismäßig oft Hunde. Hübl betonte die Wichtigkeit von Bildung und Kunst, um Menschen aus dem blinden Gehorsam zu befreien.

Nachdenklicher wurde es, als Philosoph Michael Schmidt-Salomon zuerst von seinen Erfahrungen mit der Bewegung der Ex-Muslime berichtete und deutlich machte, dass wir alle nicht mit dem "aufrechten Gang" geboren werden. Wir müssen ihn mühsam erlernen und dabei brauchen wir Hilfe. "Die Feinde der offenen Gesellschaft sind allesamt durch die autoritäre Schule des Gehorsams gegangen und von klein auf durch die Regeln der eigenen Gruppe normiert worden", so Schmidt-Salomon. Er hält die weltweite Bewegung der Ex-Muslime für eine der wichtigsten politischen Bewegungen des Widerstands und Ungehorsams unserer Zeit, weil sie nicht nur eine Avantgarde zur Verteidigung der Menschenrechte gegen den politischen Islam sei, sondern auch "das wirksamste Gegengift gegen die Trumps, Putins, Orbáns, Kaczyńskis dieser Welt, deren politische Macht nicht zuletzt auf der Angst vor den Muslimen gründet".

Schmidt-Salomon schlug vor, den 26. September zum weltweiten Feiertag des Ungehorsams zu erklären, weil die Welt vermutlich eine andere wäre, hätte 1983 der sowjetische Oberstleutnant Stanislaw Petrow gehorsam gehandelt. An diesem Tag war Petrow als diensthabender Offizier verantwortlich für die computer- und satellitengestützte Überwachung des Luftraumes. Im Fall eines nuklearen Angriffes auf die UdSSR sah die Strategie einen mit allen Mitteln geführten sofortigen nuklearen Gegenschlag vor. Als der Computer Alarm schlug, zweifelte Petrow an der Echtheit der Satellitendaten und gab keinen Befehl für den Gegenschlag. Durch sein ungehorsames Verhalten hat er die hierarchische Kettenreaktion bis zu einem möglichen Nuklearkrieg rechtzeitig unterbrochen.

Schule des Ungehorsam
Jesus versohlt dem Papst den Hintern - eines der Ölgemälde Haderers, die im Ausstellungsraum "Ölhades" in der "Schule des Ungehorsams" ausgestellt werden. (© Roland Straller)

Mehr Menschen zum Ungehorsam "zu erziehen" ist nun das erklärte Ziel der Schule des Ungehorsams. Neben der Vernetzung Gleichgesinnter ist Teil der SCHUDU auch ein Galeriebetrieb. Haderer selbst wird in seiner Geburtsstadt Linz erstmals dauerhaft "aktuelle Blätter", die regelmäßig wechseln, ausstellen sowie im sogenannten "Ölhades" seine großformatigen altmeisterlich brillant gemalten Ölgemälde präsentieren. Daneben gibt es zur "Schuleröffnung" der SCHUDU eine Ausstellung des Satiremagazins TITANIC: "Endlich Zeitreise möglich: Die besten Cover aus über 30 Jahren Titanic". 

Beispielbild
Titanic-Ausstellung in der "Schule des Ungehorsams. (© Roland Straller)


Info: Schule des Ungehorsams, Tabakfabrik Bau 1, geöffnet Donnerstag bis Sonntag, 14 bis 20 Uhr - http://schuledesungehorsams.org