Die Leipziger Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs Leipzig) sowie der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) wollen mit einer Demonstration verhindern, dass das Hochschulgebäude "Paulinum" zunehmend in eine "Universitätskirche" umgedeutet wird. Hierzu nehmen sie am 2. Dezember 2017 um 13:00 Uhr vor dem Paulinum eine "öffentliche Entweihung" vor und haben 2 überlebensgroße Skulpturen dabei, auf der sie unter anderem das "12. Gebot" verkünden: "Du sollst Deine Kirche selbst bezahlen!"
Maximilian Steinhaus, Regionalbeauftragter des IBKA für Sachsen: "Uns geht es nicht um eine Relativierung der Zerstörung der alten Kirche. Aber was geschehen ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es ist zwar zulässig, dass das neue Hochschulgebäude in Erinnerung hieran wie eine Kirche aussieht – aber deswegen ist es noch lange keine Kirche! Wenn der Freistaat Sachsen besser sein will als die DDR, dann täte er gut daran, sich an das Grundgesetz zu halten. Wir haben in der Verfassung den Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche. Dieses Prinzip gilt vor allem institutionell, d.h. eine öffentliche Hochschule darf nicht mit einer Kirche verbunden sein. Und erst recht muss diese Trennung bei den Finanzen beachtet werden: Mit Hochschulgeldern darf daher keine Kirche gebaut werden."
Jana Adler, Sprecherin der gbs Leipzig: "Hierbei geht es nicht nur um die Bezeichnung als 'Universitätskirche St. Pauli', sondern auch um die öffentliche Wahrnehmung des Gebäudes und dessen Nutzung: Die Universität und der Freistaat Sachsen sind zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Diese wird aber mit Füßen getreten, wenn die Universität ihre Räume nur für christliche Gottesdienste zur Verfügung stellt, obwohl über 70 Religionen und Weltanschauungen in Leipzig vertreten sind. Gottesdienste und eine Kanzel in der Aula – das passt nicht zur Universität als einem Ort der Wissenschaft!"
Adler wies darauf hin, dass die Aktionsgruppe bereits durch die Aktion "11. Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!" bekannt wurde. Sie sähen sich durch den erneuten Verstoß gegen die Trennung von Staat und Kirche gezwungen, nun noch ein 12. Gebot zu verkünden: "Du sollst Deine Kirche selbst bezahlen!"
"Damit spielen wir insbesondere auf den Paulinerverein an. Diese Lobbygruppe versucht seit Jahren massiv, das Hochschulgebäude mehr und mehr in eine Kirche umzudeuten. Aber wenn eine Religionsgemeinschaft – gleich welcher Konfession – ein Gebäude zur Verehrung eines imaginären Wesen benötigt, dann muss sie dieses selbst bezahlen!"
Kritik übt das Bündnis auch an der Äußerung von Ministerpräsident Tillich im Rahmen der Baueröffnungsfeier im August, wonach im Paulinum "Glaube und Wissen wieder zusammen kommen" (siehe Leipziger Volkszeitung vom 24.08.2017). Hierzu Jana Adler: "Glaube und Wissenschaft stellen immer noch einen unvereinbaren Widerspruch dar. Außerdem ist es nicht Aufgabe der Universität oder des Staates, sich um Glaubensfragen zu kümmern. Und insbesondere wurde gerade die Wissenschaftsfreiheit gegen massiven Widerstand der Kirchen erkämpft. Hieran werden wir mit der Skulptur 'Der Quengel-Bischof' erinnern, die in Leipzig bisher noch nicht gezeigt wurde."
Maximilian Steinhaus ergänzt: "Wir werden sowohl am Freitag als auch Samstag vor dem Paulinum mit unseren Skulpturen demonstrieren. Am 2. Dezember 2017 um 13:00 Uhr nehmen wir vor dem Paulinum eine 'symbolische ENTweihung' vor, damit auch der letzte Ewiggestrige endlich versteht: Im Paulinum ist eine Aula und keine Kirche! Hierzu rufen wir alle säkular denkenden Menschen in Leipzig – egal ob gläubig oder ungläubig – auf, sich uns anzuschließen. Auch die Studierendenschaft der Universität äußerte sich immer wieder kritisch gegenüber den weiten Zugeständnissen im Zusammenhang mit der Kirchenfunktion des Paulinums. Wir hoffen daher auf deren rege Teilnahme. An die Rektorin der Universität richten wir den Appell, insbesondere dem Paulinerverein gegenüber standhaft zu bleiben."
15 Kommentare
Kommentare
Christian Schubert am Permanenter Link
"Hierzu Jana Adler: 'Glaube und Wissenschaft stellen immer noch einen unvereinbaren Widerspruch dar.'"
Wissen Sie, wie die Universität 1409 gegründet wurde?
Petra Pausch am Permanenter Link
Wissen Sie, dass wir das Jahr 2017 schreiben?
Maximilian Steinhaus am Permanenter Link
Und wissen Sie, dass das Dominikanerkloster säkularisiert wurde?! Nach der Reformation wurde das Kloster aufgehoben. 1539 mussten die Dominikaner Leipzig verlassen.
Melanie Friedl am Permanenter Link
Eine durchaus berechtigte Kritik und Forderung, ich hoffe sehr, dass sich viele Menschen an dem Protest beteiligen.
Peter am Permanenter Link
Traurig diese Intoleranz gegen Religion, kennt man aus undemokratisch kommunistischen Systemen.
Peter Linke am Permanenter Link
Genau das Gegenteil ist der Fall. Der christlichen Religion werden, seit dem sie Staatskirche wurde, Zugeständnisse eingeräumt, die in einem säkularen Zeitalter antiquiert sind.
Maximilian Steinhaus am Permanenter Link
Sehr geehrte Frau Friedl, Sie sind leider eine der ganz wenigen, die die Collage in diesem Sinne verstanden haben.
Dennis Riehle am Permanenter Link
Ja, es ist richtig, dass wir Staat und Kirche trennen. Das heißt aber nicht, dass sich Glaube und Wissenschaft nicht ergänzen könnten. Genau das zeigt ja die Vergangenheit des Paulinums!
Natürlich schreiben wir heute 2017. Und doch zeigt gerade auch die heutige Form des Baus noch immer eine Historie auf, die zumindest dazu auffordert, sich über die Berechtigung einer Kirche Gedanken zu machen. Denn in einem nicht laizistisch ausgerichteten Deutschland bedarf es des Dialogs von Staat und Kirche, gerade dann, wenn es Streitigkeiten gibt. Von solchen Gesprächen würde ich mir etwas mehr aus der säkularen Szene erhoffen. Statt knallharte Fakten zu schaffen, zu entweihen und zu einem gigantischen Protest aufzurufen, hätte man neuerlich über die Möglichkeit eines Begegnungsraums, einer funktionellen Nutzung, verhandeln können, wie bereits 2008 geschehen. Es ist schade, wenn alle Seiten so verbohrt in ihren Ideologien wirken.
Wolfgang am Permanenter Link
Hing nicht ein Jesus verbohrt am Kreuz?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Mit Fischer-Dübeln? (einen Moment nachdenken, dann wirkt er)
Peter Linke am Permanenter Link
Gerade weil man nicht an Ideologien festhalten soll, hat Glaube an wissenschaftlichen Lehrstätten nichts zu suchen. Religöser Glaube beruht nun mal nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die christliche Mythologie kann natürlich wissenschaftlich behandelt werden, so wie man auch die römisch- griechische Mythologie wissenschaftlich aufarbeitet. Es würde sich jedoch kein Wissenschaftler die Annahme der Existenz eines Zeus oder Dionysos zu eigen machen.
Elisabeth am Permanenter Link
Seit Gründung der Universität Leipzig im Jahre 1409 - was hier völlig und bewußt ausgeblendet zu werden scheint -, gehört ihr die Theologische Fakultät an.
Sie war und ist mit ihren Hochschullehrern, Mitarbeitern und Studenten unverzichtbarer Bestandteil der Universität.
Die Heimstatt - und teilweise sogar Ausbildungsstätte - dieser Fakultät sowie der Universitätsgemeinde, einschließlich der Universitätsmusik, war die Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig.
Bis 1968.
Und ab dem Einweihungsgottesdienst am 3. Dezember 2017 wird sie es - in veränderter Form - wieder sein!
Zugleich dient das Gebäude der Universität als Aula.
Leipzig kann und darf sich freuen!
Peter Linke am Permanenter Link
Erstens: Es ergänzen sich religiöser Glaube und Wissenschaft nicht. Sie stehen im krassen Gegensatz. Wissenschaft entwickelt sich ständig weiter.
Zweitens: Religionsfreiheit ist ein hohes Gut, dass gegen die Kirchen erkämpft wurde, die sich als alleiniger Verkünder der Wahrheit auf der Grundlage des Wissenstandes eines Volkes in der Bronzezeit sehen. Es gibt jedoch 330 Religionen. Warum sollte sich Leipzig freuen, dass gerade die eine Religion favorisiert wird? Wo ist in dieser Ansicht religiöse Toleranz zu erkennen? Warum sollten sich nicht alle 500.000 Götter, an die global gegenwärtig geglaubt werden, im Paulinum tummeln? Wäre sicher aufschlussreich wie sich Zeus und Thor über den richtigen Gebrauch eines Blitzes und des Donners in die Haare kriegen. Der Mensch würde sicher demütig die Resultate der göttlichen Erkenntnis übernehmen.
Nein, freuen können sich nur die Handvoll Christen der Stadt Leipzig, die wirklich noch an einen persönlichen Gott glauben. Leipzig als christlich dominiert anzusehen, zeigt allgemein Ihren Informationsstand, der letztlich zu Ihrer Einstellung führen muss.
Peter am Permanenter Link
Die Kanzel aus einer ehemaligen Kirche zu verbannen ist nicht nur ein Zeichen für Intoleranz, es zeigt auch das nichts aus der Geschichte gelernt wurde. Leipzig sollte sich offen und tolerant zeigen.
Maximilian Steinhaus am Permanenter Link
Warum bedeutet "Toleranz" für Christen immer nur "staatliche Subventionierung und Privilegierung"? Es war früher mal eine Kirche – jetzt ist es ein staatlich finanziertes Hochschulgebäude.