Interview mit Volker Weiß

Eine autoritäre Revolte gegen die Aufklärung

Der Historiker Volker Weiß hat das vielfältige Spektrum der neuen rechten Bewegungen untersucht. Im Interview mit dem hpd erklärt er unter anderem, was es mit dieser Neuen Rechten auf sich hat und welche Rolle die Aufklärung und Menschenrechte für sie spielen.

hpd: In Ihrem aktuellen Buch "Die autoritäre Revolte" haben Sie sich mit der sogenannten "Neuen Rechten" auseinandergesetzt. Was ist das Neue an der Neuen Rechten?

Volker Weiß: Die Neue Rechte ist erstmal nicht sehr neu. Sie ist schon mehrere Jahrzehnte alt und bezieht sich auf Quellen, die teilweise bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Sie unterscheidet sich aber von der sogenannten alten Rechten durch eine stärkere theoretische Ausrichtung und ein intellektuelleres Profil, durch eine bessere internationale Vernetzung und durch eine Orientierung an einem historischen Kanon der 1920er Jahre. 

Gegen was konkret richtet sich die Neue Rechte? 

Die Neue Rechte strebt letztlich einen Umbau der demokratischen Gesellschaften an, zurück in ein klar strukturiertes, hierarchisches Gesellschaftsmodell mit einer autoritären Führung, einem starken Staat und einem stark ausgeprägten nationalistischen Denken. Sie alle richten sich gegen die sogenannte Kulturrevolution von 1968, beziehungsweise gegen die Liberalisierung insbesondere von westlichen Gesellschaften in der Nachkriegszeit. Und sie richtet sich auch wesentlich weiter gefasst gegen den demokratischen Umbau nach 1945 in Europa.

Das klingt sehr abstrakt, hat aber mittlerweile in einigen Ländern sehr konkrete Formen angenommen, etwa in Viktor Orbáns Konzept eines "illiberalen Staates" oder in der neuen österreichischen ÖVP-FPÖ-Koalition. Die Attraktivität dieser Vorstellungen reicht mittlerweile wieder bis in den bürgerlichen Konservatismus hinein, wie jüngst Alexander Dobrindts Rhetorik von einer "Konservativen Revolution" zeigte. In dieser Wirkung der Neuen Rechten sehe ich die größte Gefahr.  

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Welche Rolle spielt dabei die historische Epoche der Aufklärung?

Die Aufklärung war immer verbunden mit dem Freiheitsgedanken und einer Emanzipation von Zwängen. Sie war deswegen seit jeher ein Gegenmodell. Man bezieht sich in der Neuen Rechten zudem auf gegenrevolutionäre Denker des frühen 19. Jahrhunderts. Es waren Denker, die sich sehr stark gegen die Aufklärung und gegen die Französische Revolution gestellt haben. Das ist der ewige Kampf, der geführt wird gegen das Denken nicht nur von 1789, sondern gegen das gesamte Projekt der Aufklärung, weil man letztlich in eine voraufgeklärte Welt zurück möchte.

Welchen Stellenwert nehmen Menschenrechte bei der Neuen Rechten ein?

Menschenrechte werden abgelehnt, weil sie universelle Freiheitsrechte sind. Die Neue Rechte geht davon aus, dass jede Nation und jedes Volk in seinem Gebiet seine Rechte bestimmen soll und dass es keine universellen Rechte gibt, die weltweit gelten.

Auch innerhalb der Linken gibt es kulturrelativistische Strömungen, die die weltweite Geltung der Menschenrechte infrage stellen...

Ja, durchaus. Die Linke müsste sich eigentlich auf ihre religionskritischen Wurzeln zurückbesinnen und sich der Herausforderung des Islamismus offensiv stellen. 

Man könnte auch sagen, dass ein Denker wie Oswald Spengler in den 20er Jahren vergleichsweise wenig eurozentristisch war, da er die europäische Aufklärung auch in Europa abgelehnt hat und in seinem Denken beispielsweise für asiatische Kulturen große Aufmerksamkeit hatte. Und da gibt es heute einen Teil eines alternativen Milieus, das ganz ähnlich funktioniert, weil es die Schattenseiten der europäischen Geschichte mit der Notwendigkeit von Aufklärung verwechselt.

Sie beziehen sich in Ihrem Buch auch auf den politischen Islam und weisen auf ideologische Parallelen zu rechten Bewegungen hin. Worin bestehen diese? 

Ja, ich sehe nicht nur in Deutschland und Europa eine autoritäre Revolte, sondern international. Dieses Phänomen ist eine Reaktion auf die Verunsicherung, die die Moderne immer wieder mit sich bringt und die in den letzten Jahren immer stärker wurde. Und da kann ich letztlich auch den politischen Islam mit einsortieren. Beide richten sich sehr stark gegen eine Befreiung des Subjekts, gegen eine Emanzipation der Frau, gegen eine Emanzipation von Minderheiten, gegen eine Gleichstellung auch von Homosexuellen. Und beide wollen vorgeblich ewige Werte, Tradition und alte Normen wieder in ihr angebliches Recht setzen.

Wie sollte man mit diesen unterschiedlichen Ausprägungen der autoritären Revolte umgehen?

Es ist wichtig einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht von den Parolen irre machen zu lassen, sondern konsequent für die positiven Werte der Aufklärung zu fechten. Dann hat man automatisch den politischen Islam und die Neue Rechte als Gegner. Über diese Leute gilt es aufzuklären, dass sie keine Konservative sind, sondern eine wesentlich aggressivere Strömung repräsentieren, die teilweise auf den historischen Faschismus zurückgreift.


Volker Weiß ist Historiker schreibt als freier Publizist u.a. für DIE ZEIT, Jungle World, Frankfurter Rundschau, taz und den Spiegel. Er forscht zu Geschichte und Gegenwart der extremen Rechten in Deutschland sowie der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Sein Buch "Die autoritäre Revolte" ist nomoniert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2017.