Kommentar

"Ein Zwang bleibt ein Zwang, auch wenn Millionen ihn als Ausdruck ihrer Freiheit sehen!"

Für gläubige Muslime hat der Fastenmonat Ramadan begonnen. Der Politologe und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad blickt kritisch auf die problematischen Seiten dieser religiösen Praxis.

Im Grunde ist es gesund für den Körper, wenn man gelegentlich oder auch dauerhaft auf üppiges Essen, Fleisch und Süßigkeiten verzichtet. Auch für die Seele ist es gesund, dass man nicht ständig Diener seines Körpers und seiner Triebe wird. Doch es ist niemals gesund, 16 bis 20 Stunden lang auf Nahrung und Flüssigkeit zu verzichten, vor allem wenn man danach noch gefräßiger wird als sonst. Das ist bei Erwachsenen schlimm genug. Bei Kindern ist es ein Missbrauch.

Als Kind habe ich schon mit 11 Jahren mitten im Sommer gefastet. Weder meine Eltern noch meine Lehrer in der Schule wollten, dass ich faste. Meine Mutter bot mir sogar Wasser an, als sie merkte, dass es mir schwindlig war, aber ich blieb standhaft. Ich fastete "freiwillig" und dennoch stand ich unter Zwang, zu fasten. Die Art und Weise, wie alle um mich herum über das Fasten und seine Vorzüge geredet hatten, motivierte mich zu fasten. Ich wollte als erwachsener Mann gelten und den Respekt meines Vaters und Lehrers gewinnen. Und auch wenn alle sich Sorgen gemacht haben, dass ich fastete, wurde ich zum Fastenbrechen als Held behandelt, weil ich Ausdauer und Geduld hatte. 

Ähnlich ist es auch beim Kopftuch. Der Zwang kommt nicht immer direkt, sondern oft durch Gruppendynamik und indirekte soziale und moralische Erpressung. Wenn eine nicht verschleierte junge Frau oder kleines Mädchen sieht, wie alle einer Frau gratulieren, die sich für das Tragen des Kopftuchs entschieden hat und sie mit Respekt behandeln, und wie eine Frau geächtet wird, die das Kopftuch abgelegt hat, wird sie motiviert, eins selbst zu tragen, damit auch sie diesen Respekt genießt. Sie sieht, wie das Kopftuch verklärt und und als eine Stufe zum Paradies mystifiziert wird, und will auch mit einer kleinen Aktion etwas Größeres erreichen. 

Eine islamische Kultur, in der die Religion, ihre Symbole und Rituale wichtiger als das Wohl der Kinder ist, fördert die Integration nicht. Eine westliche Kultur, die aus angeblicher Toleranz nun das Fasten und das Kopftuch verniedlicht, trägt ebenfalls nicht zu Integration bei. Ein Zwang bleibt ein Zwang, auch wenn Millionen ihn als Ausdruck ihrer Freiheit sehen!