Christliche Theologen unterstützen Söders Kreuzerlass mit hanebüchenen Argumenten

Die Furcht vor dem "gottlosen Humanismus"

Christliche Theologie-Professoren haben sich in einer Erklärung vehement für Söders Kreuzerlass ausgesprochen. Die Argumente, mit denen sie ihre Position untermauern, verraten viel über den Ungeist, der offenkundig noch immer an vielen theologischen Lehrstühlen herrscht.

"Ganz in der Tradition unserer Verfassung ist der Blick auf das Kreuz zweifellos der Blick auf ein Wertefundament unserer pluralistischen Gesellschaft, da es für den menschlichen Zusammenhalt aus einem Geist des Miteinanders auch gegenüber dem vermeintlich Fremden steht", heißt es in der "Ökumenischen Erklärung katholischer und evangelischer Professoren und Hochschullehrer der Theologie zum bayerischen Kreuzerlass". Kaum, dass man den logischen Widerspruch zwischen einem staatlich verordneten "Blick auf das Kreuz" und "unserer pluralistischen Gesellschaft" verarbeitet hat, setzen die Autoren noch eins drauf: "Dieses Fundament freiheitlicher Toleranz ist sowohl im Grundgesetz als auch in der Bayerischen Verfassung gerade nicht auf einen gottlosen Humanismus (Hervorhebung durch den Verfasser) reduziert. Es gründet im Heilswerk und in der Botschaft Jesu Christi, die er selbst auf vollkommene Weise vorgelebt hat."

Es ist schon beachtlich, in welchem Umfang die hochdekorierten Hochschullehrer, die die Erklärung unterzeichnet haben, das Verfassungsgebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates ignorieren – oder wie sehr sie darauf pfeifen. Offenkundig lähmt sie die Furcht vor einem "gottlosen Humanismus" so sehr, dass sie verkennen, dass niemand je einen "gottlosen Humanismus" als Staatsideologie gefordert hat. In der Verfassung verankert ist allerdings – und nur das fordern säkular denkende Menschen aller Konfessionen – das Gebot eines "weltanschaulich neutralen Humanismus", den jede Bürgerin und jeder Bürger nach eigenem Gutdünken religiös oder nichtreligiös deuten kann.

Nur wenn dieses Gebot der weltanschaulichen Neutralität erfüllt ist, kann der Staat eine "Heimstatt aller Bürger" sein, wie es das Bundesverfassungsgericht 1965 formulierte. Nur unter dieser Voraussetzung können die Normen des Staates auch für alle Bürgerinnen und Bürger gelten und von ihnen akzeptiert werden. Beruhten staatliche Normen hingegen auf besonderen weltanschaulichen oder religiösen Traditionen, etwa auf der "Botschaft Jesu Christi", wären all diejenigen ausgeschlossen, die diese Traditionen nicht wertschätzen. Und so ist es für konfessionsfreie Menschen in der Regel überhaupt nicht einsichtig, warum ausgerechnet das Christentum das "Fundament freiheitlicher Toleranz" stellen sollte. Immerhin spielte "freiheitliche Toleranz" in der "Kriminalgeschichte des Christentums" (Deschner) nicht gerade eine herausragende Rolle. Und auch dem biblischen Jesus, der jedem Andersdenkenden ewige Höllenqualen androhte, kann man bei nüchterner Betrachtung kaum attestieren, dass er die Prinzipien der Toleranz "auf vollkommene Weise vorgelebt hat".

Hemmungslose Geschichtsverfälschung

Beängstigender noch als die Missachtung der weltanschaulichen Neutralität ist die hemmungslose Neigung zur Geschichtsverfälschung, die in der Erklärung der Theologen zum Ausdruck kommt. Dort heißt es: "Zudem sind wir dankbar für die durch den Kreuzerlass zum Ausdruck kommende Transparenz der bayerischen Staatsregierung, dass sie sich auch künftig wie schon bisher der christlichen Tradition Bayerns verpflichtet weiß, wie es auch dem Geist der nach Kriegsende 1946 verabschiedeten Präambel der Bayerischen Verfassung entspricht, wonach es in Bayern nie mehr eine 'Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott' und damit ohne Achtung des Gewissens und der Menschenwürde geben darf."

Machen wir einmal einen kurzen Faktencheck: In der Zeit des Nazi-Regimes, die hier als "Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott" etikettiert wird, war das öffentliche Bekenntnis zum Atheismus hochgradig verpönt, da es als Ausdruck einer "jüdisch-bolschewistischen Gesinnung" betrachtet wurde. Mehr als 95 Prozent der Deutschen waren damals Mitglieder der katholischen oder evangelischen Kirche, alle anderen wurden in der Kategorie der "Gottgläubigen" geführt (offiziell gab es in der Nazidiktatur also gar keine "Atheisten" mehr). Die Wehrmachtssoldaten trugen den Spruch "Gott mit uns" auf dem Koppelschloss und der "Führer" berief sich unentwegt auf die "göttliche Vorsehung". Während die atheistischen Freidenkerverbände verboten wurden, schenkten die Nazis den Kirchen neue Privilegien, von denen sie teilweise noch heute profitieren (wie etwa von der 1934 erfolgten Eintragung der Konfessionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte, die den Einzug der Kirchensteuer durch den Arbeitgeber ermöglicht).

Das Nazi-Regime war also alles andere als eine "Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott". Mehr noch: Gerade die Berufung auf Gott wurde von den Nationalsozialisten (auch von nationalsozialistischen Theologen) genutzt, um jegliche "Achtung des Gewissens und der Menschenwürde" in Misskredit zu bringen (siehe hierzu mein Buch "Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind"). Auch in der Gegenwart ist dieser Zusammenhang zu beobachten: Vor allem Gottesstaaten wie Saudi-Arabien und Iran missachten die Würde des Einzelnen, während weltanschaulich neutrale Staaten sie schützen. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Die universellen Menschenrechte beruhen nämlich auf der Idee des Gesellschaftsvertrags, die besagt, dass die fundamentalen Werte des Zusammenlebens nicht von einer höheren Instanz ("Gott") vorgegeben sind, sondern unter den Menschen unter fairer Berücksichtigung ihrer Interessen ausgehandelt werden.

Halten wir fest: Man sollte sich die Namen der Hochschullehrer, die diese Erklärung unterzeichnet haben, gut merken – und vielleicht auch ihre Forschung und Lehre etwas gründlicher unter die Lupe nehmen. Denn in den letzten Jahren wurde von deutschen Hochschullehrern selten ein Text publiziert, der so deutlich gegen demokratische Grundwerte wie auch gegen das wissenschaftliche Prinzip der intellektuellen Redlichkeit verstößt.