Neue Studie zeigt: Christentum verbreitet sich von oben nach unten

Die Ausbreitungsdynamik des Christentums

Eine Studie an 70 austronesischen Gesellschaften zeigt, dass das Christentum vornehmlich von den Herrschern auf das Volk übertragen wurde. Nicht in großen, sondern in überschaubaren und hierarchisch gegliederten Gesellschaften wurde es am schnellsten übernommen. Sozial schwache Schichten und höhere Geburtenraten scheinen eine untergeordnete Rolle in der Verbreitungsdynamik zu spielen.

Wissenschaftler aus Australien, Neuseeland, Großbritannien und vom Max-Planck-Institut in Jena untersuchten mit Hilfe von Computersimulationen, wie sich politische Hierarchien, soziale Ungleichheit und Bevölkerungsgröße auf die Ausbreitung des Christentums in 70 austronesischen Gesellschaften ausgewirkt haben. Wie das Team um Dr. Joseph Watts in Fachjournal Nature Human Behaviour berichtet, eigneten sich die austronesischen Gesellschaften besonders gut, da sie sich über weite Teile der pazifischen Inselwelt von Ostafrika bis Südostasien bis in den Südpazifik ausgebreitet hatten, eine gemeinsame Sprache aufwiesen und relativ zeitgleich im 18. und 19. Jahrhundert missioniert wurden. Die Gesellschaftsstrukturen reichten von sehr kleinen, egalitären Familiengemeinschaften bis hin zu großen, politisch komplexen Gesellschaften, von denen einige das Christentum innerhalb eines Jahres, andere erst nach 200 Jahren übernommen hatten.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Christentum am schnellsten übernommen wurde, wenn politische Führungsstrukturen vorhanden waren, die ihrerseits erfolgreich missioniert worden waren. Die neuen religiösen Überzeugungen wurden "Top-Down" übertragen.

Der von Christen postulierte "Bottom-Up"-Prozess, laut dem sich das Christentum in sozial schwachen Schichten ausbreitete und schließlich von den Herrschern akzeptiert werden musste, scheint bei der Ausbreitungsgeschwindigkeit keine wesentliche Rolle zu spielen.

Weiterhin breitete sich das Christentum in Gesellschaften mit geringen Bevölkerungszahlen schneller aus, da sich neue Ideen hier anscheinend schneller übertrugen. Größere Bevölkerungen scheine auch größere Widerstände gegen Neues zu beinhalten.

Die Ausbreitung von Religionen und neuen Glaubensinhalten durch höhere Kinderzahlen, wie es manche Religionswissenschaftler postulieren [M. Blume 14], scheint im Vergleich zur schnellen Ausbreitung für den individuellen Vorteil eine untergeordnete Rolle zu spielen. Gläubige bleiben zwar in den Kirchen, die Glaubensinhalte wechseln jedoch opportun mit dem Wissensstand, der aktuell gesellschaftlich gefordert wird.

Weiterhin sprechen die Ergebnisse dieser Studie für die These, dass sich das frühe Christentum nicht durch die sozialen Unterschichten per Glaubensüberzeugung ausgebreitet hat, sondern von den römischen Herrschen gezielt etabliert und per Edikt verordnet wurde [J. Atwill 08, A. E. Kilian 17].

Studie: Watts, Joseph; Sheehan, Oliver; Bulbulia, Joseph; Gray, Russel D. & Atkinson, Quentin D.: Christianity spread faster in small, politically structured societies. Nature Human Behaviour 2, 559-564 (2018). DOI: 10.1038/s41562-018-0379-3

Siehe dazu auch: "Wie verbreiten sich religiöse Überzeugungen?" Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts in Jena vom 23. Juli 2018.