Kommentar

"Könnten Männer schwanger werden, wäre Abtreibung bereits Grundrecht"

Die Diskussion um den Schwangerschaftsabbruch wird häufig emotional und unsachlich geführt. Constantin Huber plädiert in einem Kommentar für einen offeneren und vorurteilsfreieren Umgang mit der Thematik.

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nicht legal, kann jedoch unter bestimmten Bedingungen straffrei bleiben. Dazu gehört eine verpflichtende Beratung und drei Tage Bedenkzeit zwischen Beratung und Eingriff. Nach Paragraf 219a StGB ist Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch strafbar. Ganz so, als müssten Frauen vor der "Verlockung" des Abtreibens geschützt werden. 

Dabei wird unterstellt, dass Frauen leichtfertig ihre Schwangerschaft beenden würden, wenn das Thema von einer breiteren Öffentlichkeit ohne Stigmatisierung debattiert wird und Informationen frei erhältlich sind. Das geben wissenschaftliche Daten jedoch in keinster Weise her. Welch patriarchale und rückständige Denkmuster hier zum Tragen kommen, zeigt sich auch in der diesbezüglichen Debatte im Bundestag – insbesondere wenn Unions-Abgeordnete vehement gegen Abtreibungen generell und für ein Werbeverbot im Besonderen plädieren. 

Da deren falschen Argumente hier nicht durch eine Wiederholung gewürdigt werden sollen, werden im Folgenden drei Argumente angeführt, die für einen offeneren, vorurteilsfreieren Umgang mit der Thematik sprechen:

1. Auf Fakten basierende Debatten 

Die Öffentlichkeit sollte aufhören, das Thema totzuschweigen. Täglich werden Abtreibungen durchgeführt. Hierzulande um die 100.000 jährlich. Das Thema betrifft also nicht nur eine kleine Randgruppe (und auch dann wäre eine Marginalisierung nicht angebracht). Die meisten Frauen befinden sich, während sie einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen, durchführen und auch in der Zeit danach, in einer emotional schwierigen Phase ihres Lebens. In dieser ist im besten Fall Unterstützung angesagt, sofern sie gewünscht ist, keinesfalls aber Stigmatisierung und Verurteilung.

Unsere Gesellschaft braucht einen breiteren und ehrlicheren Diskurs.

2. Aufklärung ist wichtig

Informierte Bürger*innen wissen selbst am besten, was für ihren Körper und ihren Lebensweg am besten ist. Wenn Frauen wie aktuell jedoch nicht einmal Informationen erhalten können, wo sie denn zu einem Arzt gehen können, um sich beraten zu lassen, dann wird Aufklärung verunmöglicht. Bis im Internet entsprechende Listen von Ärzt*innen aufgefunden werden, muss sich eine schwangere Frau durch unzählige (meist religiöse) Seiten von Moralaposteln durchkämpfen, die ihr erklären, welch Wesen zweiter Klasse sie doch ist, sofern sie es auch nur in Betracht zieht, über ihren Körper selbstbestimmt zu entscheiden. 

Zustände, die es scharf anzuprangern und anzugehen gilt. 

3. Höhere Gewichtung der Selbstbestimmung

Selbstbestimmung ist ein hohes Gut und darf von Seiten des Staates nur dann eingeschränkt werden, wenn es eine sehr gute Begründung dafür gibt. Die fehlt im Falle der Bevormundung bei Schwangerschaftsabbrüchen und Informationsbeschaffung über selbige jedoch fast gänzlich. Außerdem kann es "keine Gleichberechtigung ohne ein Abtreibungsrecht geben. Und darüber sollte man diskutieren. In einer Gesellschaft, die gleichberechtig sein will, muss eindeutig geklärt sein, wer die Kontrolle über den Körper einer Frau hat – nämlich sie selbst", wie es Susan Vahabzadeh in einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung treffend formuliert.

Gewähren wir doch endlich Frauen das Recht, über ihren Körper selbstbestimmt entscheiden zu können!