Feiern Atheisten eigentlich Weihnachten?

Mit dieser Frage wird jeder religionsfreie Mensch früher oder später konfrontiert. Zum bevorstehenden Fest hat sich der hpd in der säkularen Szene umgehört und ganz unterschiedliche Antworten erhalten: Die einen feiern traditionell, andere lehnen Weihnachten völlig ab und wieder andere begehen die Festtage auf ihre ganz spezielle Art und Weise.

Erwin Schmid, Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Bayern wird an diesem Morgen in den eigenen Wald gehen und einen Baum holen. Der muss nicht rundum schön sein, sagt er, er nimmt einen, der sowieso raus muss. Eine schöne Seite reicht. Das Nadelgehölz wird dann mit bunten Glaskugeln und anderen Dingen geschmückt. Erwin Schmid feiert heute, am 21. Dezember, das Lichterfest. "Wir feiern, dass ab heute die Tage wieder länger werden" – und die ganze Familie macht mit. Meistens klappt es, dass alle Urlaub bekommen. Auch die Geschenke gibt es heute schon. "Wenn der 22. noch ein Schultag ist, können die Enkel schon stolz berichten, wenn die anderen Kinder noch keine Bescherung hatten", erzählt der Mann mit dem weißen Rauschebart verschmitzt. Die Woche danach ist eine Familienwoche, in der alle Zeit füreinander haben und Spiele spielen. An den Weihnachtstagen selbst findet aber nichts Besonderes mehr statt.

Auch bei Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), ist Weihnachten ein großes Fest mit Familie und Freunden. Den Tannenbaum krönt Charles Darwin, außerdem findet man Karl Marx, die Venus von Willendorf, eine goldene Banane und eine Figur von Comiczeichner Ralf König an den Zweigen. "Es ist ein bunter, postmodernistischer, nicht-christlicher Weihnachtsbaum", beschreibt ihn der Philosoph. Die Geschenke brachte früher das Mandarinenmännchen, das hatten die Kinder sich so ausgesucht. Heute wird um "seltsame Geschenke, die man meistens nicht braucht" gewichtelt, das sei immer sehr witzig.

Frank Nicolai, Chefredakteur des hpd, hat eine ganz andere Einstellung zum Fest: "Ich mag das verlogene Friedensgedöns nicht, die Welt ist nun mal nicht friedlich." Am 24. Dezember geht er immer mit Freunden essen, entweder türkisch oder indisch. "Auf jeden Fall nicht deutsch", lacht er. "In meiner Wohnung findet man keine einzige Tannennadel. Wenn es möglich wäre, würde ich das Ganze gerne weiträumig umfahren." An den Feiertagen danach besucht er seine Mutter. "Das würde ich sonst aber auch machen."

Eine noch ablehnendere Haltung hat David Farago, Initiator der Kunstaktion "11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!". Weihnachten ist für ihn "ein Produkt der Zwangschristianisierung" und "von den Heiden geklaut". "Deswegen feiere ich den Krampf nicht", sagt er bestimmt. Am 24. Dezember werde er "was Sinnvolles tun" und eine Anhängerkupplung an seinen Bus bauen.

"Natürlich feiere ich", sagt dagegen Jacques Tilly, Karikaturist und Chefwagenbauer des Düsseldorfer Karnevals. Er sei atheistisch aufgewachsen, deswegen sei Weihnachten für ihn von jeher ein säkulares Familienfest gewesen. An Heiligabend einigt man sich auf einen Film, den man dann gemeinsam ansieht. Am 27. Dezember gibt es noch einen gemeinsamen Familientag, dazwischen wird gearbeitet. "Ich arbeite sowieso immer, zwischenrein esse ich mal ein Vanillekipferl", erzählt der Künstler. Den Weihnachtsbaum brauche er als Signal für seinen Psychohaushalt, wie er sagt. Denn nach den Feiertagen steht auch bald Rosenmontag vor der Tür und er muss mit der Planung und dem Bau der inzwischen weltberühmten politischen Wagen beginnen.

Ganz traditionell geht es bei Jacqueline Neumann aus dem Direktorium des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw) zu. Weihnachten ist für sie ein Familienfest, es wird gegessen, getrunken und musiziert. Wenn alles gut läuft, kommt auch der Weihnachtsmann, "da bestehen die Kinder drauf". Weihnachten brauche so etwas Geheimnisvolles, findet die Juristin. Die Weihnachtsgeschichte würden ihre Kinder zwar kennen, aber das sei eine Geschichte unter vielen. "In die Kirche gehen wir nicht." In diesem Jahr kam ihre Tochter mit dem Wunsch zu ihr, etwas Gutes für andere zu tun. Zusammen mit einer Freundin bastelte das Mädchen Weihnachtsdeko und backte Plätzchen. Die verteilten die beiden dann gegen Spenden im Freundes- und Bekanntenkreis. Dabei kamen 245 Euro zusammen, die sie an das Kinderhospiz weitergaben. Davon wird jetzt ein Clown bezahlt.

Ähnlich traditionell feiert Florian Zimmermann, Mitglied im Präsidium des Bundesvorstandes des Humanistischen Verbands Deutschland (HVD). Es sei "eine besinnliche Zeit mit der Familie", aber ohne christliche Aspekte. Dieses Jahr habe er am 10. Dezember Plätzchen in Form des Menschenrechte-Symbols gebacken. Einen Weihnachtsbaum gibt es nicht in jedem Jahr, "nur wenn wir Lust drauf haben". Wenn das nicht der Fall sein sollte, seien sie auch schon in den Urlaub geflogen. "Aber auch in Istanbul konnten wir Weihnachten nicht entkommen", erzählt er.

Der traditionelle Mastbaum der Pastafari, Foto: © Kirche des fliegenden Spaghettimonsters e.V.
Der traditionelle Mastbaum der Pastafari, Foto: © Kirche des fliegenden Spaghettimonsters e. V.

Ein ganz eigenes Fest feiert Rüdiger Weida, besser bekannt als Bruder Spaghettus. Gläubige Pastafari feiern nämlich "WeinAchten": Einer Legende zufolge sollen Kinder, nachdem sie Geschenke von Piraten erhalten hatten, beim Herumtollen eine Flasche Wein umgestoßen haben, so entstand das "Nudelige Lichterfest" rund um den 24. Dezember zum Abschluss des "Pastats", manchen auch als "Advent" bekannt. Das Christentum habe das Ganze nur "gekapert und verfälscht". Gefeiert wird mit einem "Mastbaum" und natürlich mit Wein, die Geschenke bringt der Lichterpirat in einer Schatztruhe. Ein Ende findet die "Leuchterei" am 10. Januar, dem "Alzarkawi-Tag". So hieß der erste Pastafari-Papst. Bis dahin werden Spaghettimonster-Plätzchen gegessen und ein Abbild der Gottheit hängt verziert mit einer Lichterkette am Dachfirst.

In diesem Sinne: Allen Leserinnen und Lesern, die es feiern, ein fröhliches und gemütliches Familien- und Lichterfest!