Säkulare Buskampagne 2019 – Tag 3 und 4

CDU-Politiker: "Die Trennung von Staat und Kirche ist ausreichend gut gewährt"

Am dritten und vierten Kampagnen-Tag standen Rostock, Schwerin und Hannover auf dem Tourplan. Während sich das Interesse im Osten zurückhielt, war es in Niedersachsen umso größer. Dort gab es auch eine unverhoffte Begegnung mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten, der die Position seiner Partei zum Thema weltanschauliche Neutralität des Staates noch einmal deutlich machte.

Am Montag ging es richtig los mit der Bustour: Die große Deutschland-Route, die der Oldtimer mit seinen stolzen zugelassenen 70 Kilometern in der Stunde gegen den Uhrzeigersinn bewältigen wird, ging in die erste Etappe. Mit über einer Tonne Infomaterial an Bord begab sich der "Große Rote" auf die Straße, um die ersten 234 Kilometer hinter sich zu bringen. Bei weiterhin empfindlich kühlem Maiwetter war die erste Station des Tages der Universitätsplatz in Rostock, gleich neben dem "Brunnen der Lebensfreude" und dem wunderschönen Gebäude der Universität, die bereits im Jahr 1419 gegründet wurde. Die Polizei ließ es sich nicht nehmen, den Doppeldecker-Bus durch die Fußgängerzone zu lotsen, auch wenn die Busfahrerin reichlich Erfahrung mit dem Rangieren in Menschenmassen hat, sei es auf Filmdrehs oder bei Sightseeing-Touren durch Berlin.

Das Interesse der Rostocker hielt sich allerdings in Grenzen: Nicht nur, weil in der Hansestadt sowieso nicht allzu viele Passanten unterwegs waren, die meisten konnten mit dem Themenkomplex Trennung von Staat und Kirche, weltanschauliche Neutralität – oder überhaupt Religion – nichts anfangen. Ein ähnliches Bild bot sich nach weiteren 91 Kilometern in Schwerin: Als der "Kirchenstaat? Nein danke!"-Bus am Nachmittag am "Pfaffenteich" eintraf – der ehemalige Mühlteich, den sich die Kirche laut einem Stadtführer durch Urkundenfälschung unter den Nagel gerissen hatte – hatte die Beamtenstadt schon ihre Bürgersteige hochgeklappt. Manche der vereinzelten Passanten vermuteten hinter der Aktion Parteiwerbung. Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), der die Buskampagne begleitet, wundert sich darüber nicht: "Die Konfessionsfreien sind eine 'Klasse an sich', aber keine 'Klasse für sich'. Ihnen fehlt also in der Regel das Bewusstsein dafür, dass sie Teil einer Gruppe sind, die durch gemeinsame Interessen verbunden ist. In Ostdeutschland ist dieses Phänomen besonders stark ausgeprägt. Die Menschen dort merken oft nicht einmal, wie sehr sie von religionsaffinen Politikern über den Tisch gezogen werden. Die Buskampagne soll dazu beitragen, dass sich dies ändert."

Einerseits ist diese Haltung durch die DDR-Geschichte erklärbar und nur logisch, andererseits sollte es die weitestgehend säkularisierte Bevölkerung gerade deswegen interessieren, weil die mangelnde Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften dort noch mehr Menschen diskriminiert als im Rest Deutschlands.

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Haltestellenblume mit "Sturmschäden". Foto: Maximilian Steinhaus

Der starke Wind des Nordens forderte auch noch seinen Tribut: Die Haltestellen-Blume kippte durch eine Windböe um und ging zu Bruch. Glücklicherweise liegt Düsseldorf ja noch auf der Strecke, dort kann sie in der Wagenbauhalle von Karnevalskünstler Jacques Tilly repariert werden.

Am nächsten Morgen landeten die nächsten 262 Kilometer auf dem Tacho: es ging nach Hannover. Hier stand der Bus mitten auf dem "Kröpcke", ein Platz, auf dem sich zwei äußerst belebte Einkaufsstraßen kreuzen. Hier bot sich ein völlig anderes Bild: Die Passanten zeigten reges Interesse am Kampagnen-Thema und ließen es sich auch nicht nehmen, beim Ausflug des Busses zum niedersächsischen Landtag, der Staatskanzlei und dem Neuen Rathaus dabei zu sein, obwohl sie dafür bis zum Ende der Fußgängerzone laufen mussten. Das war kurzfristig als Auflage verfügt worden: Die Gäste durften nämlich nicht auf dem "Kröpcke" in den Bus einsteigen, teilte die Polizei mit, das sei eine Entscheidung des Ordnungsamtes. Zwei Mitarbeiter der Behörde wiederum erklärten später, diese Anweisung sei von der Polizei gekommen.

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Erst an der Straße dürfen die Stadtrundfahrtsgäste einsteigen. Foto: © Evelin Frerk

Am Landtag angekommen, trafen die Kampagnengäste überraschend auf Bernd Althusmann, den stellvertretenden Ministerpräsidenten von Niedersachsen (CDU). Sie konfrontierten ihn mit Fragen nach der fehlenden Neutralität des Staates und wann die Staatsleistungen beendet würden. Er erwiderte, er stamme aus einem Pfarrhaushalt und sei überzeugter Christ. Er werde weiter an den Konkordaten und dem Loccumer Vertrag – einem Staatskirchenvertrag zwischen Niedersachsen und den evangelischen Landeskirchen aus dem Jahr 1955 – festhalten. "Die Trennung von Staat und Kirche ist ausreichend gut gewährt", findet der Politiker, der betont, dass er auch einmal Kirchenstaatsminister gewesen sei. Es gebe eine gute Zusammenarbeit, die sich bewährt habe und die Kirchen leisteten Dinge im sozialen Bereich, die der Staat gar nicht leisten könne.

Bernd Althusmann, stellvertretender Ministerpräsidenten von Niedersachsen (CDU) im Gespräch mit dem Kampagnen-Team, Foto: © Evelin Frerk
Bernd Althusmann, stellvertretender Ministerpräsident von Niedersachsen (CDU) im Gespräch mit den Teilnehmern der Stadtrundfahrt, Foto: © Evelin Frerk

Nach dieser erhellenden Begegnung, die die unverbesserliche Haltung der CDU einmal mehr offenbarte, ging es zurück zum "Kröpcke". Von dort gingen einige Interessierte direkt weiter zur Abendveranstaltung mit Michael Schmidt-Salomon im "Pavillon" zum Thema "Abschied von der Kirchenrepublik". Sie war so gut besucht, dass zusätzliche Stühle benötigt wurden. Zwei junge Gäste sind aus ihrem streng katholischen Internat extra aus Bielefeld angereist, um dem Philosophen zu lauschen.


Der hpd ist Medienpartner der Säkularen Buskampagne 2019 und berichtet über alle Tage der Tour des Busses durch Deutschland.