Kommentar zur Landtagswahl in Sachsen und Brandenburg

Sieg der Angst

Mit zwei AfD-blauen Augen sind Sachsen und Brandenburg bei der gestrigen Landtagswahl davongekommen. In beiden Ländern holte die AfD rund ein Viertel der Wählerstimmen und wurde zweitstärkste Partei. Eine traurige Entwicklung. Doch bei aller – keinesfalls zu unterschätzenden – Düsternis gibt es auch Anlass zur Hoffnung.

Ausgerechnet gestern, dem symbolträchtigen 1. September, auf den Tag genau 80 Jahre, nachdem Nazi-Deutschland mit Lügen den Zweiten Weltkrieg begann, wurde in den Bundesländern Sachsen und Brandenburg die AfD zur zweitstärksten Partei gewählt.

Mit aller Kraft hatten die Regierungspartien in Sachsen und Brandenburg die Wählerinnen und Wähler in den vergangenen Wochen aufgerufen zu verhindern, dass die AfD dort stärkste Fraktion wird. Es ist ihnen gelungen. Allerdings nur mit Ach und Krach. In Sachsen liegt die CDU nur knapp 5 Prozentpunkte vor der AfD, die SPD in Brandenburg sogar nur knapp 3 Prozent. Beide Parteien haben eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen. Doch zu einer Zweier-Koalition mit einer anderen Partei wird es in beiden Bundesländern aller Voraussicht nach nicht reichen. Nur durch von allen Parteien ungeliebte Dreier-Koalitionen kann eine Regierungsbeteiligung der AfD verhindert werden.

In Politik und Medien fragt man sich, wie es zu den massiven Zugewinnen der AfD kommen konnte – in Brandenburg gut 11 Prozent und in Sachsen sogar fast 18 Prozent gegenüber der letzten Landtagswahl. Allerorten überschlägt man sich mit Beschwörungsformeln, dass man die Sorgen und Nöte der Menschen im Osten Ernst nehmen und endlich mit dem AfD-Bashing aufhören müsse, weil dieses nur noch Menschen in die Arme der Partei treiben würde. Denn wer sich als Opfer-Partei inszenieren kann, der spricht nun mal Menschen an, die sie sich selbst als Opfer fühlen.

Im Gefühlsleben der AfD-Wähler liegt eines der Kernprobleme. Laut Umfragen haben sie vor allem eines: Angst – "Angst vor einem wachsenden Einfluss des Islam, einer Zunahme der Kriminalität und ganz allgemein davor, dass sich ihr Leben verändern könnte", wie es die Tagesschau treffend zusammenfasst. Darüber hinaus fühlen sich die AfD-Wähler im Osten besonders stark benachteiligt, ja sogar als Menschen zweiter Klasse, weil sie "Ossis" sind.

Wo Gefühle so stark sind, lässt sich mit der Aufklärung über Fakten wenig ausrichten. Zum Beispiel über den Fakt, dass der Oma mit wenig Rente in einer strukturschwachen Region in Sachsen durch die Wahl einer wirtschaftsfreundlichen und sozialstaatsfeindlichen Partei wie der AfD nicht geholfen ist. Oder über den Fakt, dass man als besorgter Ost-Bürger vor einer Islamisierung des Spreewalds schon deshalb keine Angst haben muss, weil es in den ostdeutschen Bundesländern so gut wie keine Muslime gibt.

Gegen irrationale Ängste hat man mit rationalen Argumenten kaum eine Chance. Trotzdem bleibt wohl keine andere Wahl, als es immer wieder zu versuchen. Wer dafür einen Motivationsschub benötigt, der möge seine Hoffnung aus der anderen Seite des Wahlergebnisses schöpfen. Denn immerhin Dreiviertel derjenigen, die in Sachsen und Brandenburg ihre Stimme abgaben, haben die AfD nicht gewählt. Nimmt man die Nichtwählerinnen und Wähler in die Rechnung hinein, so sind es weit über 80 Prozent der Bevölkerung von Sachsen und Brandenburg, die die AfD nicht gewählt haben. Das sollte Anlass zur Hoffnung geben.