Frage ohne Antwort: Gehört Theologie an die Universität?

BERLIN. (hpd) In der Bundesgeschäftsstelle der Partei B90 / Die Grünen fand am vergangenen Samstag eine Podiumsdiskussion statt. Dabei diskutierten Daniela Wakonigg (IBKA), Frieder Otto Wolf (HVD) und die weltweit erste Professorin für das Alevitentum, Handan Aksünger, über das Thema "Ist Theologie an staatlichen Hochschulen gerechtfertigt?"

Im Anschluss an die Delegiertenversammlung des Bundesweiten Arbeitskreises der Säkularen Grünen wurden die Türen der Bundesgeschäftsstelle für Interessierte geöffnet, die darüber mitdiskutieren wollten, ob denn Theologie als Lehrfach an staatlichen Universitäten noch zeitgemäß ist. Trotz vieler anderer wichtiger Veranstaltungen, die zur gleichen Zeit in Berlin stattfanden, war der Beratungssaal gut gefüllt. Das Thema - so zeigte sich später auch in den Diskussionen - reizt.

Die Berliner Landesvorsitzende der Grünen, Bettina Jarasch, betonte in ihrem Grußwort, dass die Arbeit des Bundesweiten Arbeitskreises der Säkularen Grünen "einen frischen Wind in die Partei" gebracht habe. Selbst sie als katholische Christin müsse anerkennen, dass die Arbeit des Arbeitskreises und deren Mitarbeit in der Kommission des Bundesvorstandes der Grünen "Weltanschauung Religionsgemeinschaften und Staat" wichtig und notwendig sei.

Der Vorstandssprecher der Säkularen Grünen, Walter Otte, stellte anschließend das Podium vor und führte kurz in die Problematik ein: Ist es noch zeitgemäß, dass an staatlichen Hochschulen (und damit aus Steuermitteln) Theologie gelehrt wird? Lässt sich denn in der heutigen Zeit überhaupt noch vermitteln, dass eine dogmatische Lehre an wissenschaftlichen Lehranstalten Berechtigung hat?

Die Autorin und Journalistin Daniela Wakonigg vom Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) beantwortete beide Fragen mit einem deutlichen "Nein". Denn es könne keine Freiheit der Wissenschaft in der Theologie geben, da das "Forschungsergebnis" zum einen von vornherein feststehe und es zum anderen überhaupt am Beweis fehle, dass es den Forschungsgegenstand überhaupt gäbe. Wenn überhaupt, dann könne man historische Religionswissenschaft an Universitäten betreiben. Doch dazu braucht es keinen Zugriff der Religionsgemeinschaften auf die Lehrstühle.

In der späteren Diskussion ergänzte sie, dass es vor allem darauf ankäme, Kinder und Jugendliche vor einer religiösen Indoktrinierung zu schützen und Bildung zu vermitteln. Damit, so Wakonigg, könnten Kinder gegen Dogmen resistent werden.

Der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) und frühere Europa-Abgeordnete der Grünen, Frieder Otto Wolf, verteidigte hingegen die theologischen Lehrstühle an staatlichen Universitäten. Er erklärte das mit den Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten in die Lehrinhalte durch den Staat. Allerdings müssen sich die Religionsgemeinschaften bei der Besetzung der Lehrstühle zurückhalten und habe insbesondere, das betonte er immer wieder, dann kein Mitspracherecht, wenn ein Professor etwas lehrt, dass nicht mit den Dogmen der Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft (mehr) übereinstimmt. Diese etwas indifferente Haltung ließ beim Publikum viele Fragen offen. Denn wenn man den Religionsgemeinschaften oder auch Weltanschauungsgemeinschaften die Hoheit zur Besetzung der Lehrstühle in die Hand gibt, dann doch auch die Absetzung von Lehrkräften, die nicht (mehr) lehren, was im Sinne eben der Gemeinschaft sei.

Generell - so Frieder Otto Wolf - sei auch der HVD für ein Ende von theologischen Lehrstühlen an staatlichen Universitäten. Doch politisch umsetzbar sei das im Moment nicht. Bis dahin muss man, auch um zum Beispiel zu verhindern, dass saudische Islamlehrer in Hinterhöfen den Koran vermittelt, mit dem Kompromiss leben. Hier kam der Einwurf, dass es genau diese Hinterhof-Lehrer schon jetzt gibt; und auch die evangelikalen Strömungen des Christentums nicht an Universitäten gelehrt werden.

Prof. Dr. Handan Aksünger von der Akademie der Weltreligionen Hamburg ist die weltweit erste Professorin für das Alevitentum. Sie verteidigte in ihrem Eingangsstatement eine Stärkung der Religionen, um Extremismus vorzubeugen, beschränkte sich in ihren Ausführungen aber zu sehr auf das Alevitentum, das sie dabei auch vorstellte. Die Gefahr von Extremismus besteht bei dieser Religion - in der der Mensch und die Vernunft im Mittelpunkt stehen - eher nicht.

Sie machte deutlich, dass es bei ihrer Lehrtätigkeit an der Akademie der Weltreligionen vor allem darum geht, Lehrer auszubilden, die den (gemeinsamen) Religionsunterricht durchführen sollen. Das sog. Hamburger Modell, bei dem formal zwar die evangelische Kirche die Hoheit über den (staatlichen) Religionsunterricht hat, tatsächlich aber Kinder aller Konfessionen sowie konfessionsfreie Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Für diesen Religionsunterricht bilden die Aleviten nun ebenfalls Lehrkräfte aus.

Leider ging Frau Aksünger zu wenig darauf ein, dass es in Hamburg nun vor allem auch die Möglichkeit für die Aleviten selbst gibt, über Ihre (Religions)geschichte zu forschen: in der Türkei werden Angehörige dieser Religionsgemeinschaft unterdrückt.

"Es ging ja mehr darum, die Brisanz des Themas darzustellen und eine Diskussion darüber zu beginnen" sagte ein Mitglied des Bundesweiten Arbeitskreises der Säkularen Grünen dem hpd nach der Veranstaltung. Nun, das jedenfalls gelang, auch wenn nach mehr als zwei Stunden und der anschließend auch mit dem Publikum geführte Diskussion keine Antwort auf die Frage, ob Theologie als Lehrfach an staatlichen Universitäten gerechtfertigt ist, gefunden werden konnte.