Grundlagenwerk zum Thema:

Politische Philosophie der Tierrechte

Der in Berlin als Philosoph und Politikwissenschaftler lehrende Bernd Ladwig legt mit "Politische Philosophie der Tierrechte" eine umfassende Darstellung zum Thema vor. Der Band kann als ein Grundlagenwerk zum Thema gelten und geht von einem interessentheoretischen Ansatz von Rechten aus, liefert aber auch aufgrund des formalen Anspruchs "harte Kost".

Ethische Debatten der letzten Jahre haben sich auch auf das Mensch-Tier-Verhältnis bezogen. Dazu gibt es gute Gründe, sind doch die Einstellungen vieler Menschen gegenüber Tieren von grundlegenden Widersprüchen geprägt. Am einfachen Beispiel erläutert: Man findet das Lamm süß, bestellt es sich aber auch als Mittagessen. Dass dafür das Leiden eines Tieres die Voraussetzung ist, ist nur selten Gegenstand der breiteren gesellschaftlichen Reflexion. Wie nun aber die Einstellung des Menschen zu Tieren aussehen sollte, wird in einer philosophischen Debatte schon länger mit unterschiedlichen Positionen thematisiert. Da besteht etwa ein kantianischer Ansatz von Tom Regan oder ein utilitaristischer Ansatz von Peter Singer. Doch wie steht es eigentlich um die Blickrichtung aus der politischen Philosophie? Dort blieben derartige Fragen bislang eher unterbelichtet. Einen Aufschlag dazu macht Bernd Ladwig, der als Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Freien Universität lehrt. Sein Buch heißt schlicht "Politische Philosophie der Tierrechte".

Cover

Die Ausgangsannahme darin lautet, "dass vieles, was wir Tieren antun, institutionalisiertes Unrecht ist" (S. 10). Der Autor will nun entsprechend der Denkperspektive der politischen Philosophie fragen, welche Normen wir uns in öffentlicher Verantwortung geben sollten. Dabei geht es um einen interessentheoretischen Ansatz, womit sich folgende Einsicht verbindet: "Nun verfügen viele Tiere über Interessen, die wir bei Menschen für rechtlich schützenswert halten. Aus dem moralischen Grundgebot der Gleichbehandlung gleicher Fälle folgt demnach, dass ein Tier in genau der Hinsicht ein Recht besitzt, in der es einem Menschen hinreichend ähnelt, der in ebendieser Hinsicht ein Recht besitzt" (S. 26). Daher bedürfe es auch einer politischen Philosophie, die auf die Klärung des moralischen Status von Tieren gründe. Entsprechend gliedert sich das Buch in zwei große Teile: Zunächst geht es um die Begründung einer Interessentheorie für Tierrechte, danach um die Anwendung von Begriffen des politischen Denkens auf das Mensch-Tier-Verhältnis.

Ladwig holt dabei weit aus, setzt er doch ein mit dem allgemeinen Moralverständnis. Hier findet man aber auch bereits wichtige Auseinandersetzungen mit den Argumenten für den Ausschluss von Tieren aus den menschlichen Moralvorstellungen. Dem folgen Ausführungen zum Begriff und der Begründung moralischer Rechte, wo eben auch die Interessentheorie der Rechte im Zusammenhang erläutert wird. Die Inhalte von Rechten bei Menschen und bei Tieren stehen danach im Zentrum, unter anderem bezogen auf Aktivität, Existenz und Wohlbefinden. Indessen spricht der Autor auch die Grenzen einer Interessentheorie der Tierrechte an. Und danach geht es um die erwähnten politischen Kontexte des Themas. Am Beginn steht hier die Frage nach der politischen Gerechtigkeit für Tiere. Dem schließen sich Reflexionen darüber an, inwieweit Menschen denn Tiere halten dürfen. Auch die politische Einbeziehung von Tieren und ihr möglicher Status als politische Subjekte bilden Themen. Und schließlich geht es noch um die Frage der politischen Umsetzbarkeit, wobei unter anderem die Frage einer möglichen Rechtfertigung des Zivilen Ungehorsams thematisiert wird.

Insgesamt legt der Autor ein sehr anspruchsvolles Buch vor, das auch keine "leichte Kost" bei der Lektüre ist. Er setzt viele philosophische Grundlagenkenntnisse voraus, wenngleich die jeweilige Perspektive immer erläutert wird. Dabei erweist Ladwig sich als guter Kenner der Materie, geht er doch sehr detailliert auf die jeweiligen Auffassungen in der ethischen oder politischen Debatte ein. Er argumentiert auf der Grundlage einer interessentheoretischen Position und vermeidet eine Romantisierung im Tierbild. Dabei kritisiert der Autor auch überzogene Deutungen wie etwa die von Sue Donaldson und Will Kymlicka in ihrer Utopie "Zoopolis", sei doch eine "aktiv-bürgerliche Funktion der politischen Mitgliedschaft … für Tiere" (S. 326) nicht zugänglich. Gleichwohl heißt es bilanzierend: "Wir übernehmen … auch Pflichten relationaler Art, wie sie unter Mitbürgern bestehen. Darum sollten wir unser Gemeinwohlverständnis für die Wirklichkeit speziesgemischter Gemeinwesen öffnen und Tiere politisch vertreten" (S. 360).

Bernd Ladwig, Politische Philosophie der Tierrechte, Berlin 2020 (Suhrkamp-Verlag), 411 S., 22,00 Euro

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