Neues Anti-Terror-Gesetz schafft unkontrollierbare Befugnisse für Geheimdienste

Die Humanistische Union (HU) kritisiert die geplante Entfristung der im Gefolge der Anschläge vom 11. September 2001 erlassenen Sicherheits- und Überwachungsgesetze scharf. Diese Entfristung bedeute "die endgültige Aufhebung der verfassungsmäßig verankerten Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten", erklärte der Bundesvorsitzende der HU, Werner Koep-Kerstin, in Berlin.

Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen die ursprünglich im sogenannten "Schily-Katalog" verabschiedeten Geheimdienstbefugnisse entfristet werden. Ursprünglich – als Kompromiss zwischen Rot-Grün – auf fünf Jahre befristet, haben alle folgenden Regierungen Verlängerungen und Erweiterungen durchgesetzt. Unter anderem dürfen die Geheimdienste nun Bestandsdaten, Flugdaten und IMSI Catcher nutzen. Nach drei Verlängerungen der Anti-Terror-Gesetze (2007, 2011, und 2015) will die Große Koalition nun endgültig die erweiterten Befugnisse für den Verfassungsschutz, BND und MAD dauerhaft verankern.

Die HU hat mehrfach auf die Vielzahl der damit verbundenen Grundrechtseingriffe aufmerksam gemacht. Auch in der Anhörung zum Gesetzentwurf am Montag im Bundestag wurde die geplante Entfristung von Rechtswissenschaftlern und dem Bundesdatenschutzbeauftragten als verfassungsrechtlich problematisch bezeichnet. Insbesondere die mangelnde Berücksichtigung und Umsetzung inzwischen erfolgter Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht wurde scharf kritisiert. Professor Dr. Matthias Bäcker von der juristischen Fakultät der Universität Mainz forderte daher anstelle einer Entfristung eine "verfassungsrechtlich angeleitete Reform" oder gleich "das geltende Recht wegzuwerfen und neu zu machen".

Neben der zeitlichen Befristung sollte ursprünglich eine gründliche Evaluation garantieren, dass die Grundrechtseingriffe im Verhältnis zur gewonnen Sicherheit stehen. Schon die vergangenen Evaluationen wurden diesem Anspruch nicht gerecht, wie die HU bereits mehrfach kritisierte. Auch dieses Mal kann von einer unabhängigen Evaluation nicht die Rede sein, da sie durch das hauseigene Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung durchgeführt wurde. Eine unabhängige Evaluation wäre auch wichtig gewesen, um zu zeigen, ob die zu entfristenden Gesetze überhaupt tauglich sind. Die Anschläge von Wien machen deutlich, dass der globale Terrorismus heute anders operiert als 2001 und dass ihm mit anderen Mitteln begegnet werden muss.

Trotz dieser gravierenden Mängel hat der Bundestag am 5. November, nur drei Tage nach der Anhörung, abends um halb neun ein Gesetz entfristet, das eben nur wegen seiner Befristung und der versprochenen Evaluation überhaupt angenommen wurde. Mikey Kleinert, im Bundesvorstand der HU zuständig für innere Sicherheit, stellt fest: "Das Bundesinnenministerium evaluiert sich selbst und Gesetze, deren Tauglichkeit nicht wirklich bewiesen worden sind, werden trotz verfassungsrechtlicher Bedenken zur neuen unbefristeten Norm!"

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