Beeinflusst Corona die Religiosität?

Durch die Corona-Pandemie sind die meisten Menschen weder religiöser noch nicht-religiöser geworden. Verstärkt hat sich jedoch der Glaube derer, die bereits vor der Pandemie sehr religiös waren. So das Ergebnis mehrer Umfragen in Deutschland und weltweit.

Eine deutliche Mehrheit von Menschen weltweit ist nicht der Meinung, dass sich ihr religiöser Glaube oder Nicht-Glaube durch die Corona-Pandemie verändert habe. Eine Stärkung des religiösen Glaubens konnte jedoch bei Menschen festgestellt werden, die bereits vor der Pandemie sehr religiös waren. So das Ergebnis einer jüngst veröffentlichten repräsentativen Studie des US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center, die auf Umfragen in Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, den Niederlanden, Südkorea, Schweden, Spanien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten basiert.

Beispielbild
© Pew Research Center

In den 14 verschiedenen Ländern gibt es laut Pew Research allerdings erhebliche Unterschiede in Hinblick auf die Religiositätsentwicklung während der Corona-Pandemie. Religiöser Spitzenreiter sind die USA: Zwar sagen auch hier 68 Prozent der Befragten, dass sich ihr eigener Glaube oder Nicht-Glaube nicht sehr verändert habe und 47 Prozent, dass auch der Glaube ihrer Landsleute ungefähr gleich geblieben sei. Fast drei von zehn Amerikanern (28 Prozent) berichten hingegen von einem stärkeren persönlichen Glauben aufgrund der Pandemie – und der gleiche Anteil ist der Auffassung, dass der religiöse Glaube der Amerikaner insgesamt gestärkt wurde.

In anderen Teilen der Welt ist der Anteil der Befragten, die meinen, dass der religiöse Glaube durch das Coronavirus beeinflusst wurde, wesentlich geringer. In Deutschland sagen beispielsweise nur 5 Prozent der Menschen, dass die Religion jetzt eine stärkere Rolle in ihrem eigenen Leben spielt und 10 Prozent, dass Religion nun eine wichtigere Rolle im Leben ihrer Mitbürger hat. 87 Prozent der befragten Deutschen sind dagegen der Meinung, dass sich ihr religiöser Glaube oder Nicht-Glaube nicht verändert habe. 3 Prozent finden, dass er schwächer geworden sei.

Beispielbild
© Pew Research Center

Mehrere Faktoren spielen offenbar eine Rolle dabei, ob sich jemand durch die Pandemie im eigenen Glauben gestärkt fühlt oder nicht: So sagen in einigen Ländern Menschen mit niedrigerem Einkommen und geringerer Bildung etwas häufiger als andere, dass die Pandemie ihren religiösen Glauben gestärkt habe. Menschen mit geringerer Bildung geben in einigen der untersuchten Länder auch signifikant häufiger an, dass sich ihr persönlicher religiöser Glaube vertieft habe, als Menschen mit Sekundarschulbildung oder höherem Bildungsabschluss.

Vor allem hängt die Wahrnehmung des Einflusses der Pandemie auf den Glauben jedoch vom Grad der Religiosität der Menschen ab – diejenigen, die ohnehin bereits religiöser sind, sagen mit höherer Wahrscheinlichkeit als ihre weniger religiösen Landsleute, dass Covid-19 ihren Glauben und den ihrer Mitmenschen in ihrem Land gestärkt habe. In den USA meinen beispielsweise 45 Prozent derjenigen, die sagen, dass Religion in ihrem Leben sehr wichtig sei, dass die Pandemie ihren Glauben gestärkt habe. In Deutschland erklärten dagegen nur 17 Prozent der Befragten, für die Religion bereits vor der Pandemie eine große Rolle spiele, dass sich ihr Glaube verstärkt habe.

Eine ähnliche Tendenz in Bezug auf die Verhältnisse in Deutschland zeigte bereits eine im November 2020 ausgewertete – allerdings nicht-repräsentative – Online-Umfrage des Exzellenzclusters Religion und Politik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Zwar sagte mehr als die Hälfte der Befragten, dass der Glaube ihnen während der Corona-Pandemie "Trost, Hoffnung und Kraft" gegeben habe, allerdings waren dies vor allem Umfrageteilnehmer, die sich ohnehin als sehr religiös bezeichneten, mehr beteten und an Gottesdiensten teilnahmen. Verstärkt hatte sich der Glaube insgesamt nur bei 32 Prozent der Befragten, bei 11 Prozent hingegen abgeschwächt und 57 Prozent gaben an, dass die Stärke ihres Glaubens oder Nicht-Glaubens unverändert sei.

"Schauen wir uns diese Glaubensveränderung nach Religionsgruppen an, sehen wir, dass sich bei denjenigen, die keiner Religion angehören, der Glaube eher abgeschwächt als verstärkt hat", so Politikwissenschaftlerin Carolin Hillenbrand vom Exzellenzcluster Religion und Politik. "Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass diese Menschen in der Pandemie nochmals eine Bestätigung finden, dass es keinen liebenden und gütigen Gott geben kann." Bei allen anderen Religionsgruppen habe sich der der Glaube dagegen tendenziell eher verstärkt als abgeschwächt. "Eine tiefe, persönliche Glaubensbeziehung scheint also auch gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie zu tragen und Halt zu geben", so Hillenbrand. "Ja, die Krise scheint bei den Gläubigen eher zur Bestärkung ihres Glaubens beizutragen als zu seiner Abschwächung – religionssoziologisch gesprochen: hier erfüllt die Religion ihre genuin religiöse Aufgabe der 'Kontingenzbewältigung'."

Unterstützen Sie uns bei Steady!