Brasilien: Die Steuerschulden der Evangelikalen

Im Jahr 2018 unterstützten evangelikale Gruppen Jair Bolsonaros Präsidentschaftswahlkampf kräftig und trugen einen großen Teil zum Wahlsieg bei. Grund genug, sich nicht nur mit Ministerposten zu revanchieren, sondern auch Steuer- und weitere Abgabenerlasse in Höhe von etwa zwei Milliarden Real in Aussicht zu stellen.

Mit mittlerweile 14 Millionen Covid-19-Infizierten, über 380.000 Toten, einer noch geringen Anzahl Geimpfter, der gefährlichen Virus-Mutation P1 und einem teilweise völlig überlasteten Gesundheitssystem zeigt sich deutlich das Versagen Präsident Bolsonaros in der Corona-Krise. Wenig verwunderlich, dass bereits im März 54 Prozent der Brasilianer:innen das Vorgehen des Präsidenten ablehnten und die Beliebtheit Bolsonaros in Umfragen deutlich sank. Selbst die Unterstützung des Militärs ist Bolsonaro nicht mehr sicher, da neben fünf anderen Ministern auch Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva gehen musste.

Um sich die Unterstützung der Evangelikalen auch für die nächste Präsidentschaftswahl im Jahre 2022 zu sichern, trifft sich Bolsonaro mit Führungspersonen evangelikaler Kirchen, wie zum Beispiel am 19. April mit Silas Malafaia, dem Präsidenten des Conselho Interdenominacional de Ministros Evangélicos do Brasil ("Interkonfessioneller Rat der Evangelikalen Brasiliens") und Fábio Sousa von der Igreja Fonte da Vida ("Kirche der Lebensquelle"). Da die Anzahl katholischer Brasilianer:innen ab und die evangelikalen Kirchen zugehöriger zunimmt – aktuell wird ihre Anzahl auf 60 Millionen geschätzt – ist es schwer, allein mit Treffen zu punkten: Während die katholische Kirche ein Oberhaupt hat, haben die evangelikalen Kirchen zahlreiche. Mit der Aussicht auf großzügige Steuererlasse jedoch lässt sich ebenfalls auf breite Unterstützung hoffen.

Während Kirchen nach Artikel 150, Absatz VI der Verfassung von der Körperschaftssteuer befreit sind, trifft dies nicht auf Gewinnsteuer, Lohnsteuer und weitere Abgaben an die Sozialversicherung zu. Mittlerweile haben evangelikale Kirchen etwa 1,9 Milliarden Real (knapp 283 Millionen Euro) Schulden angesammelt. In etwa eine Milliarde davon sind Sozialversicherungsschulden. 208 Millionen umfassen Arbeitgeberschulden, die sich bereits in Mahnverfahren befinden. Bei 270 Millionen Real handelt es sich um Körperschaftssteuerschulden.

Um einem Amtsenthebungsverfahren zu umgehen, stimmte Bolsonaro – obwohl Befürworter der Steuerfreiheit für Kirchen – mit den Abgeordneten gegen einen Steuererlass, um direkt danach zu empfehlen, die Entscheidung juristisch zu kippen. Ein Trick, den Bolsonaro bereits im Jahr 2020 angewendet hat, um den gesetzlichen Vorgaben zu genügen, Evangelikalen jedoch den Erlass von Steuerschulden in Aussicht zu stellen.

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