Brasilien

Bolsonaro und die Evangelikalen rufen im Chor: Gott über alle

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Jair Bolsonaro, Präsident von Brasilien
Jair Bolsonaro

Bei der Stichwahl um das brasilianische Präsidentenamt Ende Oktober, konnte sich rechte Kandidat Jair Bolsonaro gegen seinen linken Gegenkandidaten durchsetzen. Neben seinem Rundumschlag gegen so ziemlich jede Minderheit im Land, unabhängige Medien und NGOs (Nichtregierungsorganisationen) fallen noch seine diffusen Drohkulissen für die Zeit seiner Regierung und seine Unzertrennlichkeit mit den Evangelikalen auf. Waren es doch diese Evangelikalen, die ihn mit reichlich Propaganda unterstützten, um seinen Wahlsieg zu sichern.

Brasilien ist vielen Menschen noch als katholischstes Land der Welt ein Begriff. Doch dies ändert sich gerade, verliert doch die katholische Kirche seit einiger Zeit jährlich 600.000 Menschen an andere Kirchen. Unter ihnen auch evangelische Frei- und vor allem Pfingstkirchen. Dies sorgte dafür, dass im Jahr 2000 noch etwa 15 % der Bevölkerung den diversen Richtungen im Protestantismus zugerechnet werden konnten, 2010 bereits 22 % und 2017 gar 27 %. Etwa 15 % davon werden den Frei- und Pfingstkirchen zugerechnet.

Diese Zahlen spiegeln sich nicht nur in der Gesamtbevölkerung wider, sondern auch bei der Zusammensetzung der Abgeordneten. Waren es 1982 gerade einmal zwei Evangelikale im Parlament, finden sich heute etwa hundert von ihnen unter den 500 Abgeordneten.

Die Evangelikalen fallen nicht nur durch ihre weitreichenden Versuche auf, neue Anhänger zu finden, indem sie Güter, Jobs und andere Hilfen an Bedürftige verteilen, sowie den Reichen schmeicheln, sondern auch durch ihre Ablehnung einer modernen Gesellschaft, in der Homosexualität, Hautfarbe oder Geschlecht kein Grund für Diskriminierung sein darf. Mit Jair Messias Bolsonaro war also der ideale Kandidat für eine Reise in eine überwunden geglaubte Vergangenheit gefunden. Nach diversen Parteiwechseln und inakzeptablen Aussagen Bolsonaros war klar, wen die einflußreichsten Evangelikalen unterstützen.

Ein Name trat in diesem Zusammenhang besonders häufig auf: Edir Macedo. Macedo gründete seine eigene Pfingstkirche namens Igreja Universal do Reino de Deus (in etwa Universalkirche des Reiches Gottes) und nennt sich seitdem Bischof. Seinen Gläubigen verspricht er unter anderem Heilung von Krankheit und Gebrechen. Die AnhängerInnen sind verpflichtet, zehn Prozent ihres Einkommens an die Kirche zu spenden. Bei weltweit etwa 6 Mio. Anhängern kommt da einiges zusammen.

Macedo ließ es sich nicht nehmen ein großes Rundfunkunternehmen zu kaufen und da neben alltäglichem Programm auch religiöse Sendungen (z. B. Telenovelas) zu senden und seinem Favoriten zur Präsidentschaftswahl reichlich Werbezeit einzuräumen.

Neben seinen rückständigen und menschenverachtenden Statements konnte Bolsonaro auch Dank seines Images als streng Gläubiger den Rückhalt Evangelikaler gewinnen. So schlachtete er, eigentlich katholisch, seine Taufe im Jordan 2016 ebenso aus, wie seine Kirchenbesuche nebst Gattin.

Nun verhelfen sich der rechte Politiker und totalitäre Evangelikale gegenseitig zu mehr Macht und Einfluss auf die Rechte und Zukunft der Bevölkerung.

Erste Auswirkungen zeigen sich bereits. Und das nicht nur durch wüste Drohungen oder abwertende Aussagen Richtung Umweltschutz, NGOs, Frauen, Homosexuelle oder People of Color, sondern durch erste Beschlüsse. Einer betrifft eine Escola Sem Partido (in etwa Schule ohne Partei), die die vermeintliche Indoktrination von Kindern und Jugendlichen durch z. B. politische Plakate im Klassenraum oder die Überzeugung von LehrerInnen verhindern soll. Ähnliches kennen wir nicht nur von europäischen rechten Parteien, sondern auch von Diktaturen. Am einfachsten zu regieren sind doch Menschen, die möglichst wenig Bildung erhalten und (auch unter Strafandrohung) nur einer Person oder einer Gruppe folgen sollen.

"Ehe für alle", Straffreiheit bei Abtreibung und ähnliche Errungenschaften rücken in Brasilien nun in weite Ferne.

Auch wenn die Religiösen nicht allein für den Wahlsieg Bolsonaros verantwortlich waren, nutzten sie doch den Wunsch nach einem nicht korrupten Kandidaten, um ihren Favoriten auf allen Kanälen zu bewerben. Sein Gegenkandidat Haddad konnte dabei nicht mithalten. Zwar versuchte er sich bei den Religiösen damit Wahlstimmen zu sichern, dass er das Recht auf Abtreibung, die Ehe für alle, die Besteuerung von Kirchen usw. während seiner Präsidentschaft ausschloss, konnte damit aber nicht ausreichend punkten.

Unter anderem wegen über ihn kursierender Fake News, aber auch wegen seines Streites mit Medienboss Macedo. Nach einem Rechtsstreit musste Haddad ein Video löschen, in welchem er Macedo unter anderem als Scharlatan bezeichnete.

Und so bricht wohl eine harte Zeit für Menschenrechte, aber auch den Umweltschutz an. Immerhin plant Bolsonaro auch die Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft zusammenzulegen und die Amazonas-Region für eine noch stärkere Ausbeutung freizugeben.

Die Pfingst- und Freikirchen rufen laut "Brasil acima de tudo, Deus acima de todos" (in etwa: Brasilien über alles, Gott über alle) und ihre treue Marionette stimmt laut und stolz mit ein.