Heute feiert der Philosoph Joachim Kahl seinen 80. Geburtstag. Der hpd bat deshalb Kollegen, Weggefährten und Freunde um ein paar ehrende Worte.
Auch wenn der Jubilar nicht unumstritten ist – erinnert sei nur an seine deutliche Abgrenzung vom "Neuen Atheismus" Richard Dawkins', dem er "intellektuellen Cäsarenwahn" unterstellt (zitiert nach Wikipedia) – ohne Vorkämpfer wie ihn gäbe es einen Humanismus, wie er derzeit gelebt wird, nicht.
Helmut Walther ist Hauptredakteur der Zeitschrift Aufklärung und Kritik, Beiratsmitglied der Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft Nürnberg und langjähriger Begleiter Kahls. Er schreibt:
Seit ich Joachim Kahl 1994 über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg kennengelernt habe, hat sich aus einer langjährigen und bis heute anhaltenden Zusammenarbeit bei Seminaren und für unsere Zeitschrift Aufklärung und Kritik sowie in der Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft Nürnberg eine echte Freundschaft entwickelt, die sich auch in vielen gemeinsamen Ausflügen im Fränkischen (teils auch mit den Ehefrauen) beziehungsweise gegenseitigen Besuchen in Marburg und Nürnberg äußerte.
Für die kommenden Jahre wünsche ich Joachim Kahl vor allem eine gleichbleibend gute Gesundheit und weiterhin so viel Elan und Esprit in all seinem Tun, vor allem natürlich in seiner schriftstellerischen und seiner Vortragstätigkeit – auf die künftige Zusammenarbeit und hoffentlich bald wieder mögliche persönliche Treffen freue ich mich, um auch den mit ihm so wertvollen persönlichen Austausch fortzuführen.
Dietmar Fischer war von 1985 bis 1990 Geschäftsführer des bfg Nürnberg und unter anderem auch Initiator und Mitgründer des ersten Humanistischen Kindergartens in Bayern. Er erinnert sich:
Es war im Jahr 1982, als mir Joachim Kahl in den Räumen des bfg Nürnberg (so hieß der spätere Humanistische Verband Deutschlands damals) erstmals begegnete. Er war damals Bildungsreferent, ich debütierte als Zivildienstleistender in derselben Organisation.
Damals ahnte ich noch nicht, dass dies der "Beginn einer wunderbaren Freundschaft" und einer befruchtenden Zusammenarbeit werden sollte. Es war der erweiterte Blick aufs Ganze, der den Philosophen von ausschließlich auf Religionskritik fixierten Zeitgenossen unterschied und dessen Impulse den Nürnberger bfg/HVD über viele Jahre entscheidend prägen sollten. Doch auch ich selbst konnte in dieser Lebensphase unglaublich viel von Joachim lernen.
Wertschätzung, Zuneigung, Wohlwollen, Respekt, Neugierde, Humor und die Freude am widersprüchlichen Diskurs waren rückblickend wohl die Zutaten, die unsere freundschaftliche Verbundenheit über so lange Zeit und alle Distanzen erhielt.
Ich freu' mich auf die nächsten Gespräche und gratuliere herzlich zum Geburtstag.
Auch Helmut Fink kennt den heute Gefeierten seit vielen Jahren. Von 1999 bis 2015 war Fink Vorsitzender des HVD Nürnberg bzw. Bayern. Er ist Vorsitzender der Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft Nürnberg und Direktor der Akademie für säkularen Humanismus bei Kortizes, wo er auch als Referent für Wissenschaft und Philosophie tätig ist.
Den Namen Dr. Dr. Joachim Kahl las ich zunächst immer wieder Anfang der 1990er Jahre in den Programmen der Wochenendseminare der Thomas-Dehler-Stiftung in Nürnberg. Angeregt durch einen Hinweis im Monatsbrief des Bundes für Geistesfreiheit, dessen Fördermitglied (noch nicht ordentliches Mitglied) ich damals war, hörte ich diesen – wie es schien, universell einsetzbaren – Philosophen dann zum ersten Mal als externer Gast im Gemeindesaal der katholischen St.-Elisabeth-Gemeinde in Nürnberg. Er sprach dort über "die zwei Säulen des Atheismus", souverän, in wohlgesetzten Worten und argumentativ glasklar. 1992 mag das gewesen sein. Schlüssigkeit und Stil, Konsequenz und Konzilianz dieses Denkers haben mich in der Folge nicht unbeeinflusst gelassen, und so habe ich die wiederholten Begegnungen mit ihm im Geiste des säkularen Humanismus stets genossen.
Ohne seinen Anstoß zur Humanität ohne Gott wäre meine mehr als zwei Jahrzehnte währende aktive Zeit im HVD vielleicht gar nicht in Gang gekommen. Von Joachim Kahl kann man lernen, dass Naturwissenschaft nicht die einzige Quelle klaren Denkens sein muss. Ferner, dass säkularer Humanismus und liberaler Konservatismus keine Gegensätze bleiben müssen. Und drittens, dass es im Zweifel klug ist, sich aus Verbandsquerelen herauszuhalten. Ich wünsche dem weiterhin philosophisch tätigen Jubilar Joachim Kahl heute, was auch er mir schon manches Mal gewünscht hat: Gute Arbeit und gute Laune!
Und schlussendlich verbindet auch den Präsidenten des hpd e. V., Rainer Rosenzweig, eine lange Freundschaft mit Joachim Kahl. Rosenzweig war in den Jahren 1999/2000 Geschäftsführer des HVD Nürnberg, ist Initiator des Museums "Turm der Sinne" (Geschäftsführer 2002–2016) sowie des Instituts für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes (Geschäftsführer seit 2017).
Joachim Kahl ist mir erstmals in den 1990er Jahren bei meiner Tätigkeit für den HVD Nürnberg begegnet und hat seitdem einige wichtige Ereignispunkte in meinem Leben humanistisch begleitet, darunter die säkulare Begrüßungsfeier für meinen Sohn sowie eine wunderbare humanistische Rede zu meiner Hochzeit im Nürnberger Planetarium. Sein berühmtes Werk "Das Elend des Christentums" ist in meinem Geburtsjahr 1968 erschienen. Er ist für mich zu einer Art "väterlichem Freund" geworden, dem ich hiermit aus tiefem Herzen zu seinem besonderen Geburtstag gratuliere!
4 Kommentare
Kommentare
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Anlässlich seines 75. Geburtstags habe ich in meiner Geburtstagsrede unter anderem Folgendes gesagt. Und ich denke, dass es auch heute noch genauso gültig ist. Deswegen möchte ich die Worte hier wiederholen:
»Lieber Herr Kahl, ich möchte jetzt auf den Punkt zu sprechen kommen, wofür ich Sie, seit ich Sie über Ihre Bücher und Schriften und später auch persönlich kenne, wirklich bewundere und hochschätze.
Sie hatten in jungen Jahre nach gründlichen Studien und gewiss reiflicher Überlegung sich mutig vom christlichen Glauben verabschiedet. Wir hier alle wissen das. Das war nicht deswegen mutig, weil Ihnen eine Fatwa mit einer hochnotpeinlichen Verurteilung drohte. Nein, es war mutig, weil Sie auf eine akademische Karriere an der Universität verzichteten, die – das kann man rückwirkend mit Sicherheit sagen – eine glänzende Karriere gewesen wäre. Stattdessen sind Sie um der intellektuellen Redlichkeit wegen einen unbequemen, risikoreichen, aber letztlich ebenso erfolgreichen Weg gegangen und haben sich ganz auf Ihre eigenen Kräfte verlassen.
In Ihrem jüngsten Buch "Weltlicher Humanismus" findet sich eine Stelle, die ich gern zitieren möchte. Sie formulieren dort eine Einsicht, die absolut vorbildlich zu nennen ist und die Sie durch Ihr eigenes Leben in einmaliger Weise glaubwürdig gemacht haben. Es handelt sich um eine Einsicht, die für uns alle gelten sollte. Sie sagen dort:
"Die Treue zur Wahrheit steht dabei höher als die Treue zu mir selbst. Über der Geradlinigkeit steht die intellektuelle Redlichkeit, die ohne produktive Untreue zu sich selbst nicht möglich ist. Die Dialektik von Treue und Untreue, von Kontinuität und Diskontinuität, von Entfaltung und Bruch wird verkannt, wenn einseitig nur gelobt wird, jemand sei sich stets selbst treu geblieben und geradlinig seinen Weg gegangen. Demonstratives Festhalten an bisherigen Positionen kann auch von Selbstüberschätzung und Selbstgerechtigkeit zeugen. … Es gibt ein Recht auf Irrtum, aber kein Recht im Irrtum zu beharren. Vielmehr besteht die Pflicht zur Irrtumskorrektur, die im Verlauf eines Reifungsprozesses erkannt wird. " Zitatende!
Ich finde, dass ein Mensch, der so etwas geschrieben hat und – was noch viel wichtiger ist – der danach auch gelebt hat, ein Jubilar ist, zu dem man aufschauen kann und der den Jüngeren als Vorbild vorgestellt werden sollte. ...«
Martin Roth am Permanenter Link
Ganz herzlichen Glückwunsch auch meinerseits dem Jubilar.
Ich wünschte, ich hätte den Klassiker „Das Elend des Christentums“ aus der Hand von Joachim Kahl früher zu lesen bekommen. Dieses Werk - im berühmten Jahr 1968 erschienen - versetzte den letzten wackligen Ruinen protestantischer Theologie den entscheidenden Stoss. Barth und Bultmann waren bereits tot, aber ihre Schüler:innen versuchten (und versuchen) immer noch, den Resten christlicher Praxis einen Überbau zu verschaffen, der überdies die Finanzierung ihres Berufschristentums durch die Allgemeinheit legitimiert. Erstaunlich, dass sich immer noch Menschen finden, die es für selbstverständlich halten, als Erwachsene nicht mehr an den Weihnachtsmann, das Einhorn und den Osterhasen zu glauben, aber den Rest des religiösen Unfugs in irgendeiner Kombination schon. Immerhin war es der Protestantismus, der sich freiwillig in das Säurebad der Kritik begeben hat, während sich Katholizismus, Orthodoxie und letztlich auch Judentum und Islam nur halbherzig dem Hochdruckreiniger der Aufklärung stellen.
Bruno Mattes am Permanenter Link
Mit 19, schon länger her und kurz vor dem Schulabschluss, der Kirche und ihrer Religion bereits entschieden entfremdet, noch unsicheren Schritts dabei, fiel mir ein rororo-Bändchen in die Hände, nach dem ich gesucht h
henry burchardt am Permanenter Link
Schade das statt (oder zuzüglich) der vielen bunten Bildern nicht etwas mehr über aktuelle inhaltliche Positionen von Kahl zur Sprache kamen. Außer sein 68 er Buch kenne ich nichts von ihm.