Vom Vertuscher zum Verschwörungstheoretiker

Kardinal Müller radikalisiert sich weiter

Der frühere Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller macht sich derzeit durch das Verbreiten von Verschwörungsmythen in Zusammenhang mit Corona einen Namen – mit Bündnispartnern jenseits der Satisfaktionsfähigkeit. Bizarr: Müller wurde trotz seiner regelmäßigen Ausfälle dieses Jahr von Papst Franziskus zum Richter am Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur berufen.

"Gleichschaltung", "totale Kontrolle" und ein "Überwachungsstaat" sollten im Zuge der Corona-Pandemie etabliert werden. Klaus Schwab, George Soros und Bill Gates wollten einen Menschen "nach ihrem Bild und Gleichnis" erschaffen. Und politisch habe das mit einer Demokratie nichts zu tun. Diese Aussagen stammen nicht von Michael Wendler, Sucharit Bhakdi oder aus dem Chat-Verlauf eines Telegram-Kanals von Querdenken, sondern von Gerhard Ludwig Müller, seines Zeichens Kardinal und maßgeblicher Verharmloser und Vertuscher von sexuellem Missbrauch und Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Bistum Regensburg.

Müller zu Gast beim rechten Think Tank

Seine Thesen verbreitet Müller über den Twitter-Kanal des St.-Bonifatius-Instituts, ein erzreaktionärer rechter Think Tank, der sich unter anderem dem "Lebensschutz", dem Leugnen des menschengemachten Klimawandels, der Gegnerschaft zur Homoehe und aktuell auch der Kritik an den Maßnahmen zur Eindämmung von und Impfung gegen Covid-19 verschrieben hat. Gründer Alexander Tschugguel (28) gilt als bestens vernetzt mit der AfD-Politikerin Beatrix von Storch und der homophoben Politaktivistin Hedwig von Beverfoerde.

In Österreich ist Tschugguel einer der Wortführer des "Katholischen Widerstands" gegen Corona-Maßnahmen. Mit Blick auf die Impfpflicht spricht er von "Terrormaßnahmen". Für Müller, der nicht zum ersten Mal Verschwörungsmythen in Zusammenhang mit Corona verbreitet, offenbar ein passender Weggefährte.

Der 73-Jährige gehört zu den Unterzeichnern eines im Mai 2020 veröffentlichten Aufrufs gegen die Corona-Maßnahmen. Diese seien "der beunruhigende Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht". Dafür kritisiert, sprach Müller davon, dass der Text bewusst missverstanden worden sei.

Nazi-Vergleiche, Demütigungen und Beschimpfung

Doch mit der Wahrheit hat es Müller noch nie besonders genau genommen. Sei es in einer Hetzpredigt, die Müller über ein Kinderbuch des Autors Michael Schmidt-Salomon hielt und in der er diesem wahrheitswidrig unterstellte, Kindstötungen zu legitimieren (Er fing sich dafür einen Rüffel vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.). Sei es mit Nazi-Vergleichen, die er – damals noch Bischof von Regensburg – in Zusammenhang mit der Berichterstattung über sexuellen Missbrauch anstellte und erst einräumte, nachdem Tonaufnahmen der entsprechenden Predigt veröffentlicht wurden. Die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, warf Müller damals "Geschichtsfälschung" vor. Der SPD-Fraktionschef im bayerischen Landtag Franz Mageth nannte Müllers Aussagen "unerträglich und unverzeihlich".

Doch Nazi-Vergleiche scheinen bis heute ein Steckenpferd Müllers zu sein. Auch bei seiner Kritik am Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland griff er darauf zurück. Er verglich das Vorgehen bei diesem Reformprozess mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten.

Bekannt ist Müller auch für seinen empathielosen Umgang mit Missbrauchsopfern im Bistum Regensburg. Mit Anwälten, demütigenden Serienbriefen und Klagedrohungen gegen Missbrauchsopfer und Unterlassungsklagen gegen Medien versuchten er und seine Helfershelfer, die zum Teil bis heute in Regensburg in Amt und Würden sind, die Mauer des Schweigens aufrechtzuerhalten. Kritik von Laienorganisationen ließ Müller stets an sich abprallen. Anlässlich des Katholikentags 2012 hatte er diese als "parasitäre Existenzen" bezeichnet.

Vom Glaubenshüter zum Richter im Vatikan

Müllers Aufstieg innerhalb der katholischen Kirche tat all dies lange keinen Abbruch. 2013 macht ihn Joseph Ratzinger aka Papst Benedikt zum Chef der Glaubenskongregation und damit zu einem der mächtigsten Männer im Vatikan. Unter großem Pomp, Freibier und Blasmusik wurde er mit warmen Dankesworten von geistlichen und politischen Würdenträgern aus Regensburg verabschiedet.

Zwar schob Papst Franziskus dem einen Riegel vor und feuerte Müller von dieser Position. Allerdings hat er ihn im Juni dieses Jahres zum Richter am Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur berufen. Dass er sich zunehmend auf abseitige Pfade begibt, die ihn nun zunehmend in Richtung Verschwörungstheorien führen, ganz in der Tradition antisemitischer Chiffren, scheint bislang keine Folgen zu haben.

Muss man Mitleid mit Müller haben?

Bereits im Mai 2020, als Müller seinen Namen unter den erwähnten Aufruf setzte, hatte Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, erklärt, "Mitleid" mit Müller zu haben. "Ich glaube nicht, dass ein Christ, eine Christin, ein gläubiger Mensch solche Fantasien, solche Verschwörungstheorien braucht."

Müller hingegen frönt solchen Theorien aus vollem Herzen. Beim St.-Bonifatius-Institut spricht er mit Blick auf die Corona-Pandemie davon, dass "Leute, die auf dem Thron ihres Reichtums sitzen" nun ihre Agenda durchsetzen und "eine neue Schöpfung hervorbringen" und "einen neuen Menschen nach ihrem Bild und Gleichnis erschaffen" wollten. Vielleicht ist der selbstherrliche Senior einfach kein guter Christ.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von regensburg-digital.de.

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