Angesichts der Kyrill-Krise der russisch-orthodoxen Kirche, die kritiklos fest an der Seite des Aggressors Wladimir Putin steht, ist die Frage nach der Säkularität eines Staates von elementarer Bedeutung: Putin ist ohne orthodoxe Kirche und ihre bellizistische Haltung nicht denkbar. Kriegshistorien sind durchsetzt mit dem Satz: "God wants it!" (George W. Bush) als Abwandlung des millionenfach gebeteten Verses aus dem Vaterunser: "Dein Wille geschehe!"
In Österreich gibt es glücklicherweise niemanden mehr wie Kyrill, der Gott als Beistand aufruft. Es ist aber noch nicht so lange her, dass auf den Gürtelschnallen der Soldaten im 1. und 2. Weltkrieg "Gott mit uns!" stand. Dass Gott im christlichen Glauben prinzipiell friedlich ist, kann man angesichts des Alten Testaments nicht gerade behaupten, in dem reihenweise Genozide in Auftrag gegeben werden. Gott ruft nicht zu Verhandlungen auf, sondern zum "heiligen Krieg". Waffen segnen gehört zum Kerngeschäft der Kirche. Fromme stören beim Regieren, wie das Modell Israel zeigt. Die andere Backe hinzuhalten ist ebenso wenig zielführend.
Säkularität ist gefragt, die Trennung von Staat und Religion. Kein Krieg, keine Regel, kein Gesetz darf deswegen beschlossen werden, weil es ein Gott so will ("Deus lo vult!", Papst Urban II. 1095 zur Begründung des ersten Kreuzzuges). Dadurch wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet, schon allein deswegen, weil es viele Götter gibt, an die geglaubt wird. Der einzige Weg, Kriege und innergesellschaftlichen Zank zu vermeiden, ist Säkularität und damit Sachlichkeit statt Glaubensgefolgschaft.
Sachlich sind viele Erfolge errungen worden in den letzten Jahren: Sachlich ist die in der Historie oft religiös begründete Ungleichbehandlung der Frau bekämpft worden, ebenso die der sexuell anders Orientierten und auch bei der Selbstbestimmung (z.B. Sterbehilfe) ist man vorangekommen. Eine Reihe von anderen Fragen blieb offen, wie zum Beispiel die Bestrafung von Blasphemie (§ 188 österreichisches StGB), die in vielen aufgeklärten Staaten abgeschafft worden ist, und auch hierzulande so gut wie totes Recht ist. Der Staat soll Menschen beschützen, nicht Ideen.
International gehören säkulare Staaten zu den erfolgreichsten der Welt. Es gibt leider noch keine seriöse Evaluierung, aber man sehe sich die Staaten an der Spitze und am Ende des Friedensindex (und eine Reihe von anderen Indizes) an und urteile selbst.
Daher sollte Säkularität in der Verfassung verankert werden. Als Argument gilt, dass religiöse Minderheiten und Konfessionsfreie gegenüber der religiösen Mehrheit nicht benachteiligt werden können, wenn sich der Staat säkular verhält und in Religionsfragen völlig neutral, somit also keine Religion besonders privilegiert. Das sogenannte "kooperative Modell" Österreichs (Kirche und Staat arbeiten eng zusammen) ist ein Euphemismus für eine "Partial-Theokratie" als Erbe der Gegenreformation.
Das Kernargument seitens der Kirche dagegen ist, dass der Staat von den Leistungen der Kirche profitiert. Der Schaden bleibt unberücksichtigt. Dabei geht es um sehr viel Geld. Dennoch wurde diese Aussage noch nie umfassend und von neutraler Seite wissenschaftlich untersucht. Das wäre aber höchst an der Zeit. Dabei würde auch eine Reihe von eklatanten Ungerechtigkeiten auffallen, wie die Ungleichbehandlung von Konfessionellen und Nicht-Konfessionellen (z.B. bei Uni, Privatschulen u.v.m.).
6 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Diesem Gastkommentar von Dr. Gerhard Engelmayer ist kaum etwas hinzuzufügen,
dafür kämpft der hpd und viele Kommentatoren schon seit einigen Jahren, in der Hoffnung
Land ohne übergriffige Religionen besser dran währe.
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Dr. Engelmayer,
schon die antike ägyptische Religion diente der Politik. Die damaligen Priester behaupteten, Ahnung von den Göttern zu haben und ließen den Pharao auch als Gott verehren. Durch immensen Pomp wurde der Pharao vom Volke entrückt.
Das ganze war ein aus heutiger Sicht leicht durchschaubares Manöver, um die Autorität und Macht des Pharaos zu sichern. Die Religion war ein Werkzeug der Regierungsmacht.
Für die altägyptische Religion bleibt festzuhalten:
- Die Götter waren erfunden
- Die Religion war das gemeinsame Werk der Hohenpriester und der Politik
- Die Priester haben das Volk belogen und mit Hilfe von ein paar Taschenspielertricks und Gottesfurchterzeugung herein gelegt.
Julius Cäsar wollte dieses Konzept im römischen Reich einführen. Bei den Völkern nördlich des Mittelmeeres galten die Könige und Kaiser aber als Menschen. Daher gab es weitverbreitete Widerstände gegen das "orientalische" Konzept.
Der "gottgewollte" Kaiser und die "gottgewollten" Fürsten waren ein Kompromiss.
Religion ist ein Werkzeug der Politik. Das haben bei uns immer noch viele nicht verstanden. Deshalb ist es völlig normal, dass Religion auch die Kriegsführung unterstützt.
Religion erklärt die eigene Sache für heilig und gerechtfertigt. Den eigenen Kriegern wird die Auferstehung und das ewige Leben im Paradies versprochen, den gegnerischen Kriegern ewige Verdammnis und Höllenqual.
Religion dient der weltlichen Macht. Mal dient Religion der Macht der Fürsten, allzuoft der Macht der religiösen Führer selbst.
"Religion als Instrument weltlicher Macht" wäre mal ein interessanter Forschungsgegenstand, z.B. für die Giordano-Bruno-Stiftung.
Vorerst mag als Aufklärung genügen:
- die Götter wurden von Priestern erfunden
- die Religionen wurden von religiösen Führern und Theologen geschaffen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Völlig richtig!
Folgt man dieser Argumentation, dann ist die WIRKUNG von "Gott-Religion-Synagoge/Kirche/Moschee" der schlagende Beweis, dass alle "göttlichen Wesen" samt ihrer angeblich heiligen Schriften von Herrschern erfunden wurden, weil sie ausschließlich ihnen zum Machterhalt dienen.
Wäre die Wirkung von Religion auf alle Wesen der Erde gleichermaßen ausgerichtet, also inkludierend und nicht in Ingroup und Outgroup spaltend (samt klarer "göttlicher" Vernichtungsbefehle gegen die Outgroup), dann könnte man darüber nachdenken, ob es nicht ein weises Wesen im Universum gäbe, das seine Schöpfung liebe.
Doch die Realität des gesamten spirituellen Gotteszirkus spricht eine andere - eindeutige - Sprache. Daher widerlegt dieses Konstrukt sich selbst. Das ist auch nicht durch ein paar Wohlfühlpflastern in diesen Schriften zu übertünchen...
Wilfried Apfalter am Permanenter Link
Die Frage "Ist die Angst vor Religion berechtigt?" wirft natürlich irgendwie auch die Frage auf, was mit "Religion" gemeint ist; denn eine Antwort auf die erste Frage hängt inhaltlich zwangsläufig
Dementsprechend lässt sich am Beispiel der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) unter Umständen vielleicht ganz besonders aufschlussreich untersuchen, wie leicht oder schwer es in Österreich heutzutage gelingt, dass "sich der Staat säkular verhält und in Religionsfragen völlig neutral, somit also keine Religion besonders privilegiert." Derzeit ist im Zusammenhang mit dem Eintragungsverfahren der ARG (nach dem Bekenntnisgemeinschaftengesetz) eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof in Wien anhängig.
Helmut-Otto Manning am Permanenter Link
Religionen haben nie zu etwas anderem gedient, als die Macht der Herrschenden durch den Willen eines unsichtbaren, fliegenden Zauberers zu legitimieren! Der Kult wird immer der aktuellen Herrschaft angepasst!
Bernd Neves am Permanenter Link
In einer Hinsicht irrt der Autor:
Säkularität führt nicht per se zu mehr Sachlichkeit, leider.
"Der Staat soll Menschen beschützen, nicht Ideen." - dieser Aussage ist unbedingt zuzustimmen. Allerdings hat das nicht nur für Religionen zu gelten.