OBERWESEL. (hpd/gbs) Der Deutsche Bundestag hat heute mit 360 von 602 abgegebenen Stimmen ein Verbot der sogenannten "geschäftsmäßigen Sterbehilfe" beschlossen. "Ein schwarzer Tag für Deutschland, insbesondere für schwerstleidende Menschen!", kommentierte dies der Berliner Arzt und Sterbehelfer Uwe-Christian Arnold.
Die Giordano-Bruno-Stiftung, in deren Beirat sich Arnold engagiert, kündigte direkt nach der Abstimmung eine Klage an, die man im Notfall auch auf der europäischen Ebene führen werde. "Dieses Gesetz wird vor Gericht keinen Bestand haben!", gab sich GBS-Sprecher Michael Schmidt-Salomon optimistisch, wobei er auf die Resolution der deutschen Strafrechtslehrer verwies, die sich bereits vor Monaten entschieden gegen ein Verbot der professionellen Freitodbegleitung ausgesprochen hatten.
Nach dem heute beschlossenen Gesetz, das unter der Hand auch die Bezeichnung "Lex Arnold" trägt, wird Uwe-Christian Arnold schwerstleidenden Menschen künftig nicht mehr die Unterstützung geben können, die er in seinem Buch "Letzte Hilfe – Ein Plädoyer für das selbstbestimmte Sterben" ausführlich beschrieben hat.
Die "Kampagne für das Recht auf Letzte Hilfe" hatte das Buch schon im vergangenen Jahr allen Bundestagsabgeordneten zugeschickt. "Es kann also niemand behaupten, er hätte nicht gewusst, was auf dem Spiel steht", sagte Schmidt-Salomon. "Durch das heute beschlossene Gesetz werden schwerstleidende Menschen noch größere Hemmungen haben, mit ihrem Arzt oder ihren Angehörigen über ihre Sterbenswünsche zu sprechen. Daher müssen wir damit rechnen, dass künftig noch mehr Menschen in harte Verzweiflungssuizide getrieben werden, sich erhängen, vergiften, erschießen oder vor Züge werfen. Für viele, die von ihren Ärzten vor Ort alleingelassen wurden, waren Sterbehelfer wie Uwe-Christian Arnold ein Hoffnungsschimmer. Allein die Aussicht, selbstbestimmt sterben zu können, half den Menschen, mit ihrem Leid besser zurechtzukommen. Diese Hoffnung hat der Deutsche Bundestag den Menschen nun genommen."
Schmidt-Salomon bezeichnete die heute beschlossene Regelung, Angehörigen Freitodbegleitungen zu erlauben, Sterbehilfeorganisationen und ärztlichen "Wiederholungstätern" jedoch zu verbieten, als "juristisch absurd": "Es gibt kein vernünftiges Argument, das eine solche Abgrenzung rechtfertigen könnte. Normalerweise verlangen wir ja gerade in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, die Anwesenheit von Experten, die genau wissen, was sie tun. Nur bei der Sterbehilfe soll es exakt umgekehrt sein. Hier sollen ausgerechnet Laien ohne Fachwissen und ohne Transparenzkriterien das tun dürfen, was Experten verboten ist. Offenbar haben die Parlamentarier überhaupt keine Ahnung, in welche Notsituationen sie schwerstleidende Menschen und ihre Angehörigen damit bringen!
Ausgerechnet im Moment der größten existentiellen Bedrängnis sollen sie alleingelassen werden und sich nicht an professionelle Helfer wenden dürfen! Dadurch steigt nicht nur die Wahrscheinlichkeit von Kurzschlussreaktionen, es ist auch zu befürchten, dass die Betroffenen völlig ungeeignete und weiteres Leid verursachende Mittel wählen werden, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Wer solch hohe menschliche Kollateralschäden für ein völlig unnötiges Gesetz, dessen Fehlen in den letzten 140 Jahren niemand bemerkt hat, in Kauf nimmt, handelt ethisch und politisch unverantwortlich!"
Schmidt-Salomon wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass durch das neue Gesetz gleich zwei Beiräte der GBS direkt betroffen seien – neben Uwe-Christian Arnold auch Ludwig A. Minelli, der Gründer und Vorsitzende von Dignitas Schweiz und Dignitas Deutschland. "Wir werden uns zusammensetzen und die geeigneten juristischen Schritte besprechen. Die Mehrheit des Parlaments hat sich heute gegen 80 Prozent der deutschen Bevölkerung und zugunsten einiger weniger Lobbyisten, nämlich der Großkirchen, der Pharmaindustrie und der Klinikbetreiber, entschieden. Dies ist ein politischer Skandal, den wir nicht widerstandlos hinnehmen werden."
26 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Ich wünsche allen 360 Abgeordneten, die für diesen überflüssigen, unsinnigen, menschenverachtenden und verfassungswidrigen Gesetzesentwurf gestimmt haben, ein böses Erwachen vor Gericht, und sei es vor dem Europäische
annen nerede am Permanenter Link
welche rechtlichen Argumente sollte es denn ja geben, die ein höheres Gericht würdigen könnte, zumal dort auch sicherlich nur religiös vorgeschädigte Personen das Sagen haben.?
Michael Fischer am Permanenter Link
Kann ich eigentlich herauskriegen, wie meine Wahlkreisabgeordneten gestimmt haben? Oder war die Wahl geheim?
Noncredist am Permanenter Link
Hier kann man nachlesen, wer und für was gestimmt hat:
http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik/?id=371
omnibus56 am Permanenter Link
Danke an die Abgeordneten des Bundestages. Deutlicher und dreister wurde der Volkeswille, wie er in allen Umfragen mit sehr großer Mehrheit zum Ausdruck kam, und das Recht kaum je mit Füßen getreten.
Wer immer noch nicht kapiert hat, dass die Politiker auf die Einflüsterer von Lobbyverbänden (einschließlich religiotischer) mehr geben als auf den Wählerwillen oder gar die Verfassung, dem ist nicht mehr zu helfen. Wie am Fließband werden Gesetze verabschiedet, deren Verfassungswidrigkeit nur unter Ausschluss jeglicher Gehirnaktivität verneint werden kann.
Nach dem Ergebnis der Wahl in der Türkei und der letzten Wahlen bei uns fürchte ich allerdings, dem Stimmvieh, genannt Wähler, ist tatsächlich nicht zu helfen...
Walter Otte am Permanenter Link
Hier kann man nachlesen, welche Abgeordneten wie abgestimmt haben. Auch eine Darstellung nach Wahlkreisen ist möglich: http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik
Herzlichen Dank an dieser Stelle den 233 Abgeordneten, die mit NEIN gestimmt haben. Dies Anzahl reicht übrigens mehr als aus, um das Gesetz im Wege der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.
Werner Rupp am Permanenter Link
Auch die selbsternannten Humanisten müssen Beschlüsse akzeptieren, die
durch demokratische Mehrheitsentscheidung zustande gekommen sind! Sie
hochhalten - nur dann nicht, wenn dieses ihrer verdorbenen Weltanschauung
widerspricht - dann wird prozessiert, durch alle Instanzen. Die Heuchelei,
Verlogenheit und gekränkte Eitelkeit der selbsternannten Humanisten widert
mich an.
Manni am Permanenter Link
Nein, muß man nicht, Sie Witzbold! Für was glauben Sie eigentlich gibts ein Verfassungsgericht?
licht24 am Permanenter Link
Dass vor Gericht Gesetze gekippt werden können, ist ein Bestandteil der demokratischen Kultur und hat nichts mit der "verdorbenen Weltanschauung" von Humanisten zu tun.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Ersetzen Sie mal "selbsternannte Humanisten" durch z.B. "herrschsüchtige Kleriker und unterwürfige Gläubige, die sich im Besitz absoluter Wahrheiten wähnen", dann wird eher ein Schuh draus.
Heiner Endemann Fr am Permanenter Link
Gibt es bereits ein Spendenkonto für die Kosten der Verfassungsbeschwerde? Mein Bedürfnis, Anwalts- und Gerichtskosten mitzufinanzieren, war selten so hoch wie heute und in dieser Frage!
Horn,Hannelore am Permanenter Link
Ich mach mit!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ein rabenschwarzer Tag für Deutschland.
Der Hoffnungsschimmer sind die Klagenden, die gegen dieses Unfugs-Gesetz vorgehen wollen und denen ich allen Erfolg wünsche!
Michael Paschko am Permanenter Link
Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Werde ich überhaupt noch leben, wenn das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz kippt? Seltsame Gedanken gehen mir da durch den Kopf...
Ich habe diese ganze Diskussion bisher mit einem gewissen Abstand, mit einer gewissen Scheu beobachtet. Als jemand mit einer auf sehr unklare Zeit lebensbedrohenden Krankheit empfinde ich dieses Thema als eine Belastung. Um es kurz zu sagen:
Ich will verdammt noch mal zum jetzigen Zeitpunkt nicht darüber nachdenken, wie ich sterben will.
Ich will nämlich gar nicht sterben. Ich will leben. Das Leben mit meiner Krankheit ist belastend genug. Entscheidungen sind zu treffen über die beste Behandlung. Welches Maß an Belastung steht noch in einem vertretbaren Verhältnis zu dem erhofften Nutzen? Es wird einem zugemutet, solche Fragen auf der Grundlage nicht vorhandener Informationen zu treffen, denn niemand weiß es. Es kommt da dieses feine, leicht verunsicherbare Selbstgefühl, dieses Gefühl was einem gut tut und was nicht, ins Spiel. Und ich erlebe immer wieder, wie sehr ich darauf angewiesen bin, dass meine Ärzte mich wirklich unterstützen. Mir auch etwas abnehmen. Das setzt Vertrauen voraus.
Nun rauscht da diese seltsame Entscheidung des Bundestages in mein Leben. Je mehr ich nun darüber lese, desto mehr meldet sich bei mir das Gefühl, dass das etwas ist, das ich persönlich nehmen sollte. Ich stelle mir diese 360 Abgeordneten vor und mir drängt sich dieser Gedanke auf (der ist jetzt nicht sehr fein, aber ehrlich; sicher tue ich damit dem einen oder anderen Unrecht, aber derjenige muss es ja nicht persönlich nehmen): Ihr vor Gesundheit strotzenden Arschlöcher, was bildet ihr euch eigentlich ein, mir noch einen zusätzlichen Packen aufzuladen?
Denn solche Gedanken kommen mir jetzt: Muss ich mich jetzt doch mit diesem todeszugewandten Thema beschäftigen, aus reiner Vorsorge? Jetzt, wo ich mein Inneres doch eigenlich mit Lebensbejahung, Lebenshunger, Hoffnung, Streitbarkeit, Mut, neuen Möglichkeiten füllen möchte! Wie lange kann ich es aufschieben, dieses Thema mit meinem Arzt zu besprechen? Dieses Thema, was mir jetzt völlig am Arsch vorbeigeht, weil es jetzt nicht mein Thema ist?
Kranke Menschen brauchen Ärzte, die frei sind von sachfremden Problemen und Bedenken. Genausowenig, wie ich möchte, dass mein Arzt darüber nachdenkt, ob er mit einer bestimmten Behandlung mehr oder weniger Geld mit mir verdienen kann, möchte ich, dass er darüber nachdenkt, ob er mit einer bestimmten Maßnahme in juristische Probleme verstrickt wird. Dieses Gesetz ist ein Angriff auf das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten.
Besonders übel nehme ich der Frau Griese und dem Herrn Brand ihr Gesetz, weil es so einfach gewesen wäre, die drängensten mit ihrem Gesetz verbundenen Probleme zu vermeiden. Zwei kleine zusätzliche Absätze hätten genügt: Ärzte, die einen Patienten palliativ behandeln, sind von dieser Bestimmung ausgenommen. Und: Eine ergebnisoffene Beratung zum Suizid fällt nicht unter diese Bestimmung. Dass sie das nicht so klar geregelt haben (immerhin hätten sie damit wahrscheinlich eine noch größere Zustimmung im Bundestag erhalten) kann doch nur heißen, dass sie genau das nicht wollen: Ich soll mich nicht an meinen Arzt wenden können und ich soll mich nicht unabhängig beraten lassen können.
Woher dieser Dilettantismus ein juristisch gutes Gesetz zu machen? Oder woher dieses asoziale Bedürfnis anderen Menchen Möglichkeiten zu nehmen, die für einen selbst mit keinen Nachteilen verbunden sind?
Wahrscheinlich kann man das nur psychologisch erklären.
Ich vermute, dass Frau Griese und Herr Brand eine Scheißangst vor dem Tod haben. Und weil sie so eine Scheißangst vor dem Tod haben, weigern sie sich, die Vorstellung zuzulassen, es könne Menschen geben, die sterben wollen. Und um diese Angst auslösende Vorstellung abzuwehren, haben sie dieses Gesetz beschlossen.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Danke für Ihre bewegenden Worte und alles Gute für Sie.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Sie beschreiben sehr eindrücklich die Überlegungen, die Sie sicher nicht nur mit mir gemeinsam haben. Danke.
Wolfgang Brosche am Permanenter Link
Auch von mir ein herzlichen Danke! - Ihr Mut und Ihre Ehrlichkeit zeigen, daß es tatsächlich ums Leben geht.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Das Foto zum Artikel gibt mir echt den Rest für heute. Als ob jemand eine Partie Bridge gewonnen hätte.
Pavlovic am Permanenter Link
Bin schon fast geneigt eine Satire zum Thema zu schreiben, wenn es nicht so ernst wäre.
Pavlovic am Permanenter Link
zum Thema Tod habe ich aber aktuell einen Artikel verfaßt, weil man als Atheist immer wieder darauf angesprochen wird, wie man es denn mit der eigenen Endlichkeit halte, als hätten religiöse Menschen "einen Trump
Wolfgang Kloste... am Permanenter Link
In der Begründung des neuen §217 StGB wird zwar Ärzten erlaubt, im Einzelfall Suizidhilfe zu leisten. Es bleibt aber unklar, wie oft z.B.
accuracy am Permanenter Link
Meiner Ansicht nach ist der Bundestagsbeschluss zur Suizidbeihilfe allein aus moralischen Erwägungen heraus getroffen worden.
Zum Hintergrund: Seit der Großen Strafrechtsreform (1969) sind nur noch Handlungen strafbewehrt, die ein Rechtsgut verletzen. Handlungen, die "nur" unmoralisch sind (z.B. Ehebruch), sind nicht mehr strafbar. Das Strafrecht dient also allein dem Schutz von Rechtsgütern (z.B. Eigentum, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung) - nicht aber dem Hüten subjektiver Moralvorstellungen.
Sowohl Suizid als auch Beihilfe zum Suizid waren in Deutschland bisher grundsätzlich nicht strafbar - beide haben also offenbar kein Rechtsgut verletzt! Jetzt soll aber auf einmal eine bestimmte Ausprägung der Suizidbeihilfe doch strafbar sein: nämlich die geschäftsmäßige.
Daher noch mal die Frage: Welches Rechtsgut wird durch die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe verletzt, durch die nicht geschäftsmäßige aber nicht? Wie lässt sich die Unterscheidung, dass das eine strafbar sei, das andere aber nicht, *juristisch* - nicht moralisch! - begründen? Richtig: gar nicht!
Die willkürliche Unterscheidung zwischen geschäftsmäßiger und nicht geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe dürfte zwar subjektive moralische Vorstellungen bedienen; juristisch dürfte sie aber - meiner Einschätzung als interessierter Laie nach - keinen Bestand haben.
Ich gehe davon aus und hoffe inständig, dass der Gesetzentwurf auf dem Klageweg möglichst schnell gekippt wird!
Tanja Ohlig am Permanenter Link
Ich wünsche den Damen und Herren,die dagegen gestimmt haben,daß Sie sich noch wünschen werden,Sie hätten doch dafür gestimmt...
Klaus Bernd am Permanenter Link
Ich wünsche den Damen und Herren, die dafür gestimmt haben, dass ihre Hoffnungen, dieses Gesetz umgehen zu können, erfüllt werden.
Martin Neukamm am Permanenter Link
Es ist ein Skandal, mit welcher Kaltschnäuzigkeit die Regierung am Interesse der Bevölkerung vorbei regiert. Ich kann die Entscheidung, Klage einzureichen, nur begrüßen.
Calimero am Permanenter Link
Eine Hand wäscht die Andere oder wessen Hand einen füttert, beißt man nicht:
Neu im Rat der EKD: Kerstin Griese
und
Von 1979 bis 1989 war Griese in der Jugendarbeit der Evangelischen Kirchengemeinde Düsseldorf-Urdenbach und im Kirchenkreis Düsseldorf aktiv. Von 1987 bis 1989 war sie Jugenddelegierte zur Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Seit 2001 ist sie stellvertretendes Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland, seit 2003 Mitglied der EKD-Synode, der sie zuvor sechs Jahre lang als stellvertretendes Mitglied angehörte.
Von 2009 bis 2010 war sie als hauptamtliches Bundesvorstandsmitglied des Diakonischen Werks der EKD zuständig für den Arbeitsbereich Sozialpolitik. (aus Wikipedia, abgerufen 10.11.2015 21:50)