BERLIN. (hpd) In den vergangenen Tagen wurde viel davon geschrieben, dass die Identität von “Jack the Ripper” aufgeklärt sei. Tatsächlich jedoch wissen wir nicht viel mehr als zuvor. Einen ähnlichen Hype erreichten Meldungen, dass (technisch unterstützte) Telepathie möglich sei.
“Jack the Ripper” ist nicht nur eine Figur aus Gruselkrimis, sondern hat tatsächlich gelebt. Allerdings weiß man bis heute nicht genau, wer genau der Mann war, der mindestens fünf Frauen im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts das Leben nahm.
Genau so lange wie das Rätsel um den Mörder nicht gelöst ist, gibt es auch Menschen, die die Identität des Mannes aufgeklärt haben wollen. So auch aktuell. Zwei der Kriminalistik eher Fernstehende - der Geschäftsmann Russell Edwards und der Molekularbiologe Jari Louhelainen - wollen nun “Jack the Ripper” mit Hilfe von DNA-Beweisen auf die Spur gekommen sein.
Ein gefundenes Fressen für etliche Medien, die gleich tönten: “Schal als Beweismittel! Identität von Jack the Ripper nach 126 Jahren geklärt!” Zugegeben, der FOCUS setzte ein Fragezeichen hinter diese Überschrift. Bei dem Mörder, so das Magazin, soll es sich um den polnischen Einwanderer Aaron Kosminski handeln.
Edwards ersteigerte einen blau-brauner Schal, der einem der Opfer gehörte, bei einer Auktion. Kurz darauf entdeckte er Flecken darauf, die der Molekularbiologen Dr. Jari Louhelainen, “ein Experte in der Analyse genetischer Beweismittel von historischen Tatorten” als Blut und Sperma identifizierte.
Der vom Focus als “Experte in der Analyse genetischer Beweismittel” vorgestellte Dr. Jari Louhelainen hat allerdings nach Meinung des (tatsächlichen und anerkannten) Experten Dr. Mark Benecke nur “Quatsch mit Soße” zutage gebracht. Über das “zufällig” gleichzeitig mit den Enthüllungen im Handel erhältliche Buch zur Entdeckung schreibt er: “In einem mit leeren Versprechungen und unnützen Neben-Geschichten gespicktem dicken Schinken ist das ganze aber Quatsch mit Soße.” [Bitte Kommentar beachten!]
Auch der Forensische Genetiker Cornelius Courts weist in seinem Blog darauf hin, dass der von Edwards bemühte finnische Molekularbiologe Dr. Jari Louhelainen durchaus nicht die “weltweit führende” Kapazität ist, zu der er nun stilisiert wird, und dass bedeutsame Schritte seiner Analytik intransparent und daher für Experten nicht nachvollziehbar seien. Zwar sagt Courts, dass es sein könnte, dass …, aber: “fraglich ist und bleibt, warum J. Louhelainen für die Untersuchung gewählt wurde, warum kein NGS eingesetzt wurde, warum die Untersuchung so lange gedauert hat und warum man nicht einmal versucht hat, STRs zu untersuchen (gerade Y-STRs wären interessant gewesen, um eine väterliche Linie des Rippers verfolgen zu können). Die methodischen Details wären ebenfalls noch offenzulegen und es fehlt die Information, welchen Teil des D-Loops man untersucht hat und wie häufig die ermittelten Haplotypen in der Bevölkerung sind. Damit darüber hinaus die Belege nur auf die Weise interpretiert werden können, daß Kosminski der Ripper und Eddowes das Opfer war, müßte ausgeschlossen werden, daß die Spuren nicht auch irgendwie von in mütterlicher Linie mit diesen Verwandten stammen können (was vermutlich recht unwahrscheinlich ist).”
Inzwischen scheint das auch zum FOCUS durchgedrungen zu sein. Denn drei Tage später heißt es in einem weiteren Artikel: “Es gebe eine detaillierte Liste über Dinge, die am Tatort gefunden wurden, sagt Donald Rumbelow, Historiker und ehemaliger Kurator des Kriminalitätsmuseums in London. Der Schal sei nicht dabei gewesen.” Und Richard Cobb, der Jack-the-Ripper-Touren und Treffen für Fans organisiert, sagte der Times: “Selbst wenn die Stola etwas mit dem Ripper zu tun haben sollte sind die DNA-Proben auf ihr nicht verlässlich … Sie wurde 126 Jahre lang ungeschützt angefasst, angeatmet, angespuckt.”
“Jack the Ripper” bleibt weiterhin der geheime Mörder, der er vor der Veröffentlichung des Buches von Edwards und Louhelainen war.
Ist tatsächlich der Nachweis von Telepathie gelungen?
Das Wissensmagazin scinexx.de nahm eine aktuelle Veröffentlichung zum Anlass, zu schreiben, dass die erste Hirn-zu-Hirn-Kommunikation beim Menschen gelungen sei. “Forscher haben erstmals Gehirnsignale eines Menschen auf einen anderen übertragen – nichtinvasiv und über tausende von Kilometern hinweg. Die digital kodierten Gehirnströme des ‘Senders’ übermittelten dabei konkrete Botschaften an den ‘Empfänger’.”
Dabei wurden die Hirnströme eines im indischen Stadt Thiruvananthapuram weilenden Probanden mit Hilfe einer Elektrodenkappe abgeleitet und per Computer digital kodiert. Dabei wurde die “zu übermittelnde Botschaft, das Wort ‘hola’ oder ‘Ciao’, … für den Versuch in eine Folge von Nullen und Einsen zerlegt. Der Proband wandelte diese in Hirnströme um, indem er für jede Null im Geiste seinen Fuß hob und für jede Eins seine Hand.” In einem Labor im französischen Straßburg wurden diese Signale dann mit Hilfe der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) auf das Gehirn eines Empfängers übertragen. Dort lösten die TMS-Pulse vor dem inneren Auge des Probanden Lichtblitze aus, die dann decodiert werden konnten.
So also konnten Botschaften zwischen zwei Gehirnen übermittelt werden, ohne dass dabei Sprechen oder Schreiben im Spiel waren. “‘Dieses Experiment zeigt, dass eine Gehirn-zu-Gehirn-Kommunikation beim Menschen möglich ist’, konstatieren die Forscher.”
Aus dieser Meldung machte AFP dann “Forschern gelingt ‘Telepathie’-Experiment”, was von vielen Medien einfach übernommen wurde (siehe: FAZ, Tagesanzeiger, Hamburger Abendblatt). “Das Forschungsergebnis könnte von Wissenschaftlern künftig dazu genutzt werden, um mit Menschen zu kommunizieren, die nach einem Hirnschlag nicht mehr sprechen können” heißt es in den Meldungen.
Das jedoch ist noch ein sehr weiter Weg - nicht nur, weil der Mensch, der hier erreicht werden soll, diese “Sprache” erst erlernen muss. Das sieht auch Jochen Ebmeier so: “Denn am springenden Punkt, da, worauf alles ankommt, ist das Ergebnis negativ: nämlich bei der Übersetzung der analogen Hirnströme in binäre, digitale Signale. Das müssen der Empfänger wie der Sender in ihren Denkorganen selber machen - nachdem man ihnen den Sinn erklärt hat. Diese Hürde zu überwinden, wäre eine Revolution, und nicht nur in unserer Auffassung von Geist und Materie, sondern in den reellen Voraussetzungen einer totalitären Manipulation.” (Hervorhebung im Original)
Von Fachleuten wird vor allem kritisiert, dass die deutschsprachigen Online-Medien “kaum über das Wiederkäuen von Pressemeldungen und Meldungen von Nachrichtendiensten hinausgekommen” sind. In keinem einzigen Artikel findet sich auch nur ansatzweise Kritik oder eine genauere Nachfrage, die zum Beispiel nach einer Nutzung im militärischen oder geheimdienstlichen Bereich fragt. “Denn sind wir mal ehrlich: Auf die Faszination folgt angesichts solcher Meldungen bei den meisten Lesern wohl unweigerlich Furcht, stellt sich doch die Frage nach künftigen Anwendungen.”
Und genau diese (unbegründete) Furcht zu hinterfragen wäre Aufgabe der Medien, schreibt DasGehirn.info, denn anderenfalls wird “die Meinungsmache anderen zu überlassen” - zum Beispiel den Verschwörungstheoretikern von Kopp-Online.
Übrigens: die Hirn-zu-Hirn-Übertragung, über die scinexx.de berichtet, geschah per Mail.
2 Kommentare
Kommentare
Bernd Harder am Permanenter Link
Hallo,
das Zitat von Mark Benecke bezieht sich NICHT auf den aktuellen Fall und die Arbeit von Louhelainen, sondern auf ein Ripper-Buch von Patricia Cornwell von 2002, in dem es ebenfalls um DNA-Analysen ging.
Frank am Permanenter Link
Danke Bernd. Tja, so wird überall geschludert, selbst hier wo man meint, etwas mehr recherchiert zu haben:-) Dem war wohl mal wieder nicht so.