„Kraftwerk” Religion - und die Menschen

Religiöser Kitsch und Sammelsurium

Beim späten, kurzen Rundgang durch die Ausstellung, konnte ich mir nur einen Überblick verschaffen. Neugierig, wie man Glaube und Religion in Vitrinen unterbringt, stellte ich fest, dass es eine Vielzahl von Versuchen gibt, das „Unerklärliche“ in irgendeine fassbare Form zu bringen. Nebeneinander waren hier Abbildungen verschiedener Gottheiten, religiöses Spielzeug, Zauberpuppen, Kunstwerke mit dem gekreuzigten Christus neben dem „Wachturm” der Zeugen Jehovas, Missions- und Pilgerutensilien, usw. ausgestellt. Was die einzelnen Menschen glauben, war dann in einzelnen Interviews zu hören. Aber die Fragestellung deutete bereits an, dass es nahezu ausschließlich um Glaube und Religion ging. Zum Beispiel: Was finden Sie an Religionen spannend? Wie ist ihre Position in der Kopftuch-Debatte? Würden Sie jemand mit einer anderen Religionszugehörigkeit heiraten? Oder: Haben Sie schon einmal ein Wunder erlebt?

Die Religionen meinen, dass die Antwort auf viele Fragen eine Sicht- und Betrachtungsweise sei. Es käme darauf an, ob Kruzifixe oder Kopftücher Nicht- oder Andersgläubige ärgern, ob das Schächten unter Religionsfreiheit fällt oder gegen den Tierschutz verstieße und es käme darauf an, was unter Trennung von Kirche und Staat verstanden würde. In Deutschland gibt es christliche Parteien und das Finanzamt zieht die Kirchensteuer ein. Wie säkular ist die Bundesrepublik wirklich, ist dabei eine der Fragen.

In jedem Raum gibt es eine Vielzahl von Audio-Säulen, wo Gläubige und Nichtgläubige aus allen Bereichen des Lebens selbst in Video-Beiträgen zu Wort kommen und ihre Sicht auf verschiedene Fragen der Religion erläutern. Über Kopftücher und Minarette, übers Schächten und Abtreiben wird gestritten und was Atheisten, Protestanten, Katholiken, Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten, Esoteriker ... über „Religionen in der Gesellschaft“ denken ist an den Video-Stelen abrufbar. Insgesamt führte das von Petra Lutz geleitete Team 58 Interviews.

„Heilige Offenbarungen“ als Projektionen

Diese vielen, unterschiedlichen Stimmen sollen es ermöglichen, eigene Überzeugungen zu befragen und gängige Klischees kritisch zu betrachten. Wenn nach dem Stellenwert des Glaubens gefragt wird, werden aus Betrachtern immer auch Handelnde. Im Letzten der drei Ausstellungsräume stößt man auf „heilige Offenbarungen” und an die Wand projizierte Fragen: Was kommt nach dem Leben? Dürfen wir alles, was wir können? Wie kommt das Böse in die Welt? Was ist das Wichtigste im Leben? Ist Gott gut oder allmächtig?

Obwohl es nur drei Räume sind, sind viele Exponate religiösen Inhalts oder mit Bezug dazu zu sehen und vor allem viel zu hören. Da muss man sich einfach Zeit nehmen! Insgesamt wird jedoch deutlich, dass in dieser Ausstellung Kirche und Religion ein großer Raum und ein Podium gegeben wird, welches die „Wiederkehr der Religionen” belegen soll. Dies wird auch deutlich, wenn der Direktor Klaus Vogel und seine Mitarbeiter hoffen, „dass wir zeigen können, dass Religion tatsächlich ein Bestandteil in der Moderne ist hier und heute." Und das hier und heute im Hygienemuseum Dresden, dessen Selbstverständnis ihres gemeinnützigen Zweckes die Förderung von Wissenschaft, Bildung und Kultur ist. Für mich bleibt dabei relativ unverständlich, wie mit diesem Anspruch eine solche Ausstellung möglich ist.

Man kann sich dem Eindruck nicht verschließen, als habe die Evangelische Kirche in der Partnerstadt Dresdens, Hamburg, Pate bei dieser Ausstellung gestanden. So wie in der Hansestadt von den Landeskirche ein Institut der Weltreligionen befördert wird – die Katholiken spielen allerdings nicht mit – und der Religionsunterricht als Unterricht der Weltreligionen unter evangelischer Führung verstanden wird, so wird auch in der Ausstellung ein religiöser Eklektizismus, ein beliebiges Misch-Masch von Religionen vorgeführt. Wenn nicht mehr evangelisch, dann anscheinend wenigstens irgendetwas Religiöses. Insofern ist die Ausstellung ein intellektuelles Armutszeugnis bzw. eine Art Bankrotterklärung des evangelischen Christentums.

Elke Schäfer

 

Kraftwerk Religion. Über Gott und die Menschen
Eine Ausstellung des Deutschen Hygiene-Museums
2. 10. 2010 – 5. 6. 2011