„Kraftwerk” Religion - und die Menschen

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Plakat der Ausstellung

DRESDEN. (hpd) Am vergangenen Wochenende wurde die Ausstellung „Kraftwerk - Religion” im Deutschen Hygienemuseum Dresden eröffnet. Dazu fand am Freitagabend die Eröffnung statt. Diese Sonderausstellung findet zu einer Zeit statt, in der sich die öffentliche Wahrnehmung von Religion und Glauben stark verändert hat.

Der Bedeutung von Glaube und Religion soll hier ein Stellenwert in der Gesellschaft gegeben werden, den sie schon lange nicht mehr hat. Die Frage nach dem Verhältnis von Glauben und Moderne, von Religion und Demokratie soll hier als wichtige Fragestellung für die Gesellschaft erörtert werden.

Dazu sprachen Prof. Klaus Vogel, Vorsitzender der Stiftung Deutsches Hygienemuseum, Dr. Ralf Lunau, Vorsitzender des Stiftungsrates, Dr. Oswald van de Loo, Vorsitzender des Freundeskreises des DHM e. V. in ihren Grußworten einhellig von einer großartigen, gut gelungenen Ausstellung. Religion spiele im Leben Vieler eine große Rolle und wäre wieder da bzw. nie weg gewesen. Frage: Wo haben diese Leute in den letzten Jahren hingeschaut?

Es gehe um den Sinn des Lebens und um die Fragen vom Anfang und Ende der menschlichen Existenz. Die Ausstellung wolle für Verständigung werben und keine neuen Gräben zwischen Andersdenkenden aufreißen und vertiefen. Sie soll zeigen, wie viele verschiedene Facetten der Religion es gäbe. Der Titel sei gewählt worden, um einerseits die positiv nutzbaren Energien zu zeigen, aber auch auf die unbeherrschte Dynamik hinzuweisen.

Pluralistisches Reden

Es ginge bei dieser Ausstellung nicht um Inbrunst und Pathos und es gäbe keine missionarischen Töne. Jeder der die Ausstellung besuche, soll für sich etwas finden was ihn berührt und begeistert, sozusagen seine „Religion” trifft.

Es sei beabsichtigt, keinen weiteren Debattenbeitrag um das Für und Wider von Religionen zu leisten, sondern durch Aneignung von Wissen zur Diskussion befähigen.

Moderne und Religion seien kein Widerspruch sondern bezögen sich auf die uns umgebende Welt und das Jenseits. Glauben stünde dabei auf keinen Fall über Recht und Gesetz.

Ziel: Respekt vor Religionen

Dem Glauben und den Religionen im Allgemeinen und Besonderen solle „Respekt” entgegengebracht werden. Die Ausstellung diene nicht der Religionskunde, sondern der Annäherung an das Phänomen Glaube und an die menschliche Fähigkeit zu glauben. Ziel der Ausstellung sei es, durch Erlangung von Grundlagenwissen eine gewisse Gelassenheit zu erfahren.

Ilja Trojanow, Jahrgang 1965, Schriftsteller („Zu den heiligen Quellen des Islam”, 2004; „Angriff auf die Freiheit”, 2009) und Weltreisender ließ etwas von der Gelassenheit gegenüber allen Religionen spüren, als er über seine persönlichen Erfahrungen mit Religionen erzählte. Diese persönlichen Erlebnisse haben bei ihm zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Religion und deren Gemeinsamkeiten und Unterschieden geführt.

Er meinte, dass Religion zum Leben gehört, es aber immer wieder Vorbehalte gegenüber anderen Religionen und Glaubensrichtungen gibt, die besonders von den Gläubigen erhoben werden.

Religionsfreiheit ist ein Freiheitsrecht, welches wir haben, aber nicht selbstverständlich ist. Es habe sehr viel mit Toleranz zu tun. „Freiheit ist immer auch die Freiheit der anderen.”

„Gott und die Welt” bedeutet entweder alles oder nichts. „Gott” beschwört fast immer Extreme herauf – Schweigen oder Ekstase. Beides sei unangebracht.

Die „Welt” meinen viele erklären zu können, aber Gläubige haben keine Definition für ihre Religion. Sie besitzen keine Vorrechte und dürften sich nichts anmaßen. Jeder hat das Recht auf seine Meinung. Es gibt nicht den e i n e n Standpunkt. Jeder hat die Wahlfreiheit sich seine Vorbilder zu suchen.

Besonders Gläubige neigen dazu, dies an besonderen Äußerlichkeiten festzumachen. Allein die Aussage, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde schuf, sei eine Anmaßung des Menschen und spalte die Natur und den Menschen. Der Mensch müsse von seinem Sockel gestoßen werden. Er stehe nicht im Mittelpunkt der Welt.

Die Säkularisation dränge zwar die alte Religion zurück, aber es gäbe neue Formen des Glaubens. Wenn man alle Seiten betrachte, sei es insgesamt ein sehr kompliziertes System, in dem es mehr Fragen als Antworten gäbe.

„Religiöse Schätze neu entdecken“

Die Kuratorin Petra Lutz schloss an, dass die Ausstellung verschiedene Perspektiven zeige – von Innen und von Außen. Einzelne, unterschiedliche Blickrichtungen beleuchten Fragen der Geschichte und Tradition. Als Kuratorin der Ausstellung will sie „ganz genau hinsehen“, Raster und Klischees zurücklassen, vor allem aber aufklären und informieren. Gerade in der säkularisierten Gesellschaft gäbe es die religiösen und kulturellen Schätze wieder neu zu entdecken.

Hier in Sachsen sei die säkularisierteste Gegend Deutschlands, jedoch stehe nicht des einzelnen Religion im Mittelpunkt, sondern sein persönlicher Bezug zur Gesellschaft. Ziel sei es, eine aufgeklärte Haltung zu erreichen. (Aber nur Aufklärung über verschiedene Religionen?)

Zwischen den einzelnen Redebeiträgen sang der Knabenchor Dresden des Heinrich-Schütz-Konservatoriums geistliche Lieder von Heinrich Schütz, Anton Bruckner und Hans Schanderl. (Religion oder Bewahrung von Kultur?) Spätestens an dieser Stelle wurde für mich die religiöse Werbebotschaft deutlich.

Religiöser Kitsch und Sammelsurium

Beim späten, kurzen Rundgang durch die Ausstellung, konnte ich mir nur einen Überblick verschaffen. Neugierig, wie man Glaube und Religion in Vitrinen unterbringt, stellte ich fest, dass es eine Vielzahl von Versuchen gibt, das „Unerklärliche“ in irgendeine fassbare Form zu bringen. Nebeneinander waren hier Abbildungen verschiedener Gottheiten, religiöses Spielzeug, Zauberpuppen, Kunstwerke mit dem gekreuzigten Christus neben dem „Wachturm” der Zeugen Jehovas, Missions- und Pilgerutensilien, usw. ausgestellt. Was die einzelnen Menschen glauben, war dann in einzelnen Interviews zu hören. Aber die Fragestellung deutete bereits an, dass es nahezu ausschließlich um Glaube und Religion ging. Zum Beispiel: Was finden Sie an Religionen spannend? Wie ist ihre Position in der Kopftuch-Debatte? Würden Sie jemand mit einer anderen Religionszugehörigkeit heiraten? Oder: Haben Sie schon einmal ein Wunder erlebt?

Die Religionen meinen, dass die Antwort auf viele Fragen eine Sicht- und Betrachtungsweise sei. Es käme darauf an, ob Kruzifixe oder Kopftücher Nicht- oder Andersgläubige ärgern, ob das Schächten unter Religionsfreiheit fällt oder gegen den Tierschutz verstieße und es käme darauf an, was unter Trennung von Kirche und Staat verstanden würde. In Deutschland gibt es christliche Parteien und das Finanzamt zieht die Kirchensteuer ein. Wie säkular ist die Bundesrepublik wirklich, ist dabei eine der Fragen.

In jedem Raum gibt es eine Vielzahl von Audio-Säulen, wo Gläubige und Nichtgläubige aus allen Bereichen des Lebens selbst in Video-Beiträgen zu Wort kommen und ihre Sicht auf verschiedene Fragen der Religion erläutern. Über Kopftücher und Minarette, übers Schächten und Abtreiben wird gestritten und was Atheisten, Protestanten, Katholiken, Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten, Esoteriker ... über „Religionen in der Gesellschaft“ denken ist an den Video-Stelen abrufbar. Insgesamt führte das von Petra Lutz geleitete Team 58 Interviews.

„Heilige Offenbarungen“ als Projektionen

Diese vielen, unterschiedlichen Stimmen sollen es ermöglichen, eigene Überzeugungen zu befragen und gängige Klischees kritisch zu betrachten. Wenn nach dem Stellenwert des Glaubens gefragt wird, werden aus Betrachtern immer auch Handelnde. Im Letzten der drei Ausstellungsräume stößt man auf „heilige Offenbarungen” und an die Wand projizierte Fragen: Was kommt nach dem Leben? Dürfen wir alles, was wir können? Wie kommt das Böse in die Welt? Was ist das Wichtigste im Leben? Ist Gott gut oder allmächtig?

Obwohl es nur drei Räume sind, sind viele Exponate religiösen Inhalts oder mit Bezug dazu zu sehen und vor allem viel zu hören. Da muss man sich einfach Zeit nehmen! Insgesamt wird jedoch deutlich, dass in dieser Ausstellung Kirche und Religion ein großer Raum und ein Podium gegeben wird, welches die „Wiederkehr der Religionen” belegen soll. Dies wird auch deutlich, wenn der Direktor Klaus Vogel und seine Mitarbeiter hoffen, „dass wir zeigen können, dass Religion tatsächlich ein Bestandteil in der Moderne ist hier und heute." Und das hier und heute im Hygienemuseum Dresden, dessen Selbstverständnis ihres gemeinnützigen Zweckes die Förderung von Wissenschaft, Bildung und Kultur ist. Für mich bleibt dabei relativ unverständlich, wie mit diesem Anspruch eine solche Ausstellung möglich ist.

Man kann sich dem Eindruck nicht verschließen, als habe die Evangelische Kirche in der Partnerstadt Dresdens, Hamburg, Pate bei dieser Ausstellung gestanden. So wie in der Hansestadt von den Landeskirche ein Institut der Weltreligionen befördert wird – die Katholiken spielen allerdings nicht mit – und der Religionsunterricht als Unterricht der Weltreligionen unter evangelischer Führung verstanden wird, so wird auch in der Ausstellung ein religiöser Eklektizismus, ein beliebiges Misch-Masch von Religionen vorgeführt. Wenn nicht mehr evangelisch, dann anscheinend wenigstens irgendetwas Religiöses. Insofern ist die Ausstellung ein intellektuelles Armutszeugnis bzw. eine Art Bankrotterklärung des evangelischen Christentums.

Elke Schäfer

 

Kraftwerk Religion. Über Gott und die Menschen
Eine Ausstellung des Deutschen Hygiene-Museums
2. 10. 2010 – 5. 6. 2011