Was wäre für eine göttliche Offenbarung eigentlich so schwer daran gewesen, damals z.B. die Stellung der Frau nach ägyptischem Vorbild auszuprägen und die politische Ethik der Römischen Republik (510 bis 49 v.u.Z.) so weiterzuentwickeln, dass sie die eigenen Vorzüge behalten und die des frühen und mittleren Kaiserreiches (27 v.u.Z. bis 284 u. Z.) trotzdem realisieren kann? So dass die allgemeine Verleihung des römischen Bürgerrechtes im Jahre 212 noch etwas wert gewesen wäre? Warum hat man nicht über die natürlichen Ursachen von Krankheiten und Naturkatastrophen gegen Dämonen- und Geisterglaube aufgeklärt wie so manche damalige Philosophen, sondern ihn stattdessen noch befeuert? Jesus betätigte sich allen Ernstes als Exorzist! Warum hat die Christliche Offenbarung das Schicksal im Jenseits an die Rechtgläubigkeit gekoppelt, einen Absolutheitsanspruch erhoben und den religiösen und philosophischen Pluralismus des antiken Heidentums abgetötet?
Hierzu hat im Film Professor Hermann Josef Schmidt den richtigen Ton gefunden:
„Das Christentum ist in die religiös tolerante Antike eingebrochen wie ein Virus. Im griechischen und römischen Kulturraum gab es eine Fülle unterschiedlicher Religionen, die friedlich miteinander koexistiert haben. Religiöse Toleranz war eine so große Selbstverständlichkeit, dass man sie kaum irgendwo formuliert gefunden hat. Leider brach das Christentum in diese Kulturwelt wie eine Horde fundamentalistischer Plebejer ein und hat uns bis in die Gegenwart ein solches Maß an Verhetzung, Fanatismus und Trübung wahrer Menschlichkeit eingebracht …“.
Mancher Zuschauer war bisher über diese Anmerkung sicher erstaunt. Schließlich sind Christenverfolgungen irgendwelcher, dem Wahnsinn entgegen irrlichternder römischer Kaiser ein beliebtes Motiv wohlbekannter historischer Hollywoodschmonzetten. Tatsächlich aber verlangte das heidnische Rom von den Bewohnern des Reiches nur die Befolgung eines Opferritus für den Kaiserkult als Loyalitätserweis. Dies konnten die monotheistischen Juden nicht erbringen. Hier begnügte sich Rom mit einem Ersatz, dem Gebet für den Kaiser, es nahm durchaus auf solche Besonderheiten Rücksicht. Die Christen wollten natürlich in den Genuss des gleichen Privilegs kommen, sie wollten zum Zeichen ihrer Treue für den Kaiser beten und dafür vom Kaiserkult entbunden werden. Dieses Ausnahmeprivileg hat das Reich bis 313 u. Z. verweigert, denn eine Religion, die den nahen Weltuntergang ankündigt und die Endlösung der Ungläubigenfrage in einem transzendenten Auschwitz predigte, musste den Caesaren ja suspekt sein. Das waren schließlich keine Analphabeten wie manche christliche Herrscher des Mittelalters.
Immerhin gibt es antike Berichte, wonach manche im Vertrauen auf die nahe Wiederkunft Jesu Christi ihren Besitz den Armen schenkten und so selbst zu Bettlern wurden. Auch von der Jerusalemer Urgemeinde wird in der Apostelgeschichte über karitativ motivierte Vermögensliquidationen berichtet. Kein Wunder, dass Paulus später in seinem griechisch-kleinasiatischen Gemeinde-Netzwerk für die Armen Jerusalems auf Kollekte gehen musste. Kaiser Trajan (98 bis 117) hat nach dem Aufflackern regionaler Verfolgungen in seinem berühmten Reskript das Vorgehen des Staates geregelt: Man sollte nicht nach den Christen fahnden. Wer angezeigt wurde, sollte zum Kaiseropfer vorgeladen werden. Wer es verweigerte, wurde mit dem Tode bestraft. Wenn das Opfer verrichtet wurde, galt der Verdächtigte als unschuldig. Er konnte dann den Denunzianten wegen Böswilligkeit belangen. Die Verwendung anonymer Anzeigen hat Trajan ausdrücklich verboten. Natürlich war es für die Christen eine Sünde, dem Kaiser zu opfern, aber dafür gab es dann Beichte und Buße. Ein Denunziant konnte nie wissen, ob der Delinquent hart blieb.
Unter solchen Umständen wurde der Staat dem Christentum nur richtig gefährlich, wenn er die Bevölkerung kollektiv zum Kaiseropfer vorlud. Solche systematischen Verfolgungen beschränkten sich aber auf kurze Zeitfenster (249-253, 257-260, 303-305/313). Vergleicht man dies mit den 15 Jahrhunderten christlicher Verfolgungsexzesse, die nur eine einzige Konfession zuließen, also eine Höllenkultur prägten, in der das selbstständige Denken ein todeswürdiges Verbrechen wurde, wo man während der Inquisition die Angeklagten durch Folter nötigte, sich selbst als Ketzer zu bezichtigen und in der während der Inquisition anonyme Denunzianten sogar einen Teil des beschlagnahmten Vermögens der Verurteilten bekamen, so hat Schmidts hartes Verdikt jede Berechtigung.
Natürlich hat auch das antike Heidentum seine düsteren Züge, aber es weist ihm auch niemand göttliche Inspiration zu und ein humanitärer Fortschritt des Christentums ihm gegenüber ist nicht auszumachen; zweifellos eine vernichtende Bilanz für die menschheitserziehende Kompetenz dieser Religion und damit für die Glaubwürdigkeit ihrer transzendentalen Wahrheitsansprüche.
Die Zuschauer, die glaubten, in diesem Film gäbe es nichts zu lachen, hatten allerdings die Rechnung ohne Manfred Lütz gemacht. Der Psychiater und Theologe, der inzwischen auch ein Buch über Gott geschrieben hat, wirkt in Ricarda Hinz' Film mit seinen Versuchen, den Bock mit der Elefantenbüchse abzuschießen, so skurril wie der Großwildjäger Van Pelt in dem Film „Jumanji“. Er erinnert aber auch an den unglückseligen Inspektor Farge in dem Film „Der Profi“:
„Zu sagen, 'die Kirche hat Kriege geführt' heißt, dass man die Geschichte nicht kennt. Dann möchte ich bitte wissen, welchen Krieg die Kirche geführt hat? Es ist so gewesen, dass es Kriege gegeben hat, die Kaiser und Könige Kriege geführt haben und diese Kriege wurden auch unterstützt von der Kirche, und das ist auch gegebenenfalls zu kritisieren.“
Ein Theologe sollte natürlich die Kirchengeschichte gut genug kennen, um zu wissen, dass die Kirche im Mittelalter ein Machtfaktor mit eigenen militärischen Ressourcen war und hochgesteckte machtpolitische Ziele mit eigenem Militär oder indirekt durch Verbündete verfolgte. Ein Beispiel dafür ist das Dictatus Papae von Papst Gregor VII. (auch ein Heiliger) des Jahres 1075. Dort hieß es unter anderem, dass die Fürsten nur die Füße des Papstes küssen müssen, der Papst allein könne über die kaiserlichen Insignien verfügen, er dürfe den Kaiser absetzen und die Untertanen vom Treueeid entbinden, sei aber selbst unabsetzbar. Die aus diesen Ansprüchen resultierenden Machtkämpfe zogen sich bis ins 13. Jahrhundert hin.
Ich möchte zwei Bespiele für Kriege der Kirche anführen und wähle dazu bewusst die Zeit von Papst Gregor IX. (1227 – 1241), der als Kardinal ein Förderer des heiligen Franz von Assisi war.
Der Vorgänger Gregors hatte Kaiser Friedrich II. das Versprechen abgepresst, bis zu einem bestimmten Stichtag einen Kreuzzug zu beginnen. Als die Frist tatenlos verstrichen war, exkommunizierte der neue Papst den Kaiser. Friedrich II. brach dann nach Palästina auf. Der Papst war darüber erbost, er hatte wohl angenommen, der Monarch werde erst aufbrechen, wenn er für entsprechende Gegenleistung wieder vom Bann gelöst worden ist. So weigerte sich Gregor IX., den Feldzug des gebannten Herrschers als Kreuzzug anzuerkennen und marschierte kurzerhand in das süditalienische Königreich des Kaisers ein. Als Herrscher des Kirchenstaates (halb Mittelitalien) verfügte der Papst ja über ein eigenes Heer (die Schlüsselsoldaten). Erst nach der Rückkehr des Kaisers - der die Heiligen Stätten ohne Kampf (bis 1244) zurückerhalten hatte – wurde wieder der Friede zwischen Kaiser und Papst vermittelt. Dieser Papst erklärte auch den Vernichtungskrieg des Erzbischofs von Bremen gegen die norddeutsche Republik der Stedinger Bauern (1230 – 1234) zum Kreuzzug. Die auf ihre Unabhängigkeit bedachten Bauern hatten dem Erzbischof Abgaben verweigert und wurden dafür kurzerhand zu Ketzern erklärt. „Lieber Tod als Sklave!“ war ihr Motto.