Ihre Familie, von der sie nichts wusste
Dass sie viele Geschwister hatte (mit ihr sechs an der Zahl in gleichem Heim) wusste sie damals nicht. Bewusst hatten die Nonnen die Zugehörigkeit der sechs Geschwister verschwiegen. Ihre Schwester Helene lernte sie erst als ihre Schwester kennen, als Helene aus dem Kinderheim entlassen wurde. Schwester Serapa tat ganz wichtig, „Komm mal her und sage deiner Schwester Helene schön auf Wiedersehen, sie verlässt uns heute.“ Roswitha war in diesem Augenblick so erstaunt, sie gab dem fremden Mädchen aus der großen Mädchengruppe die Hand und machte dabei einen besonders schönen Knicks.
Nach dieser kurzen Begegnung, wusste sie, sie war nicht ganz alleine. Familienbewusstsein sollte bei den Geschwistern nicht aufkommen. Selbst Freundschaften unter den kleinen Mitbewohnerinnen hatte die Heimleitung verboten.
Die erste Periode
Die erste Regel bekam sie in ihrem 11. Lebensjahr. Die Nonne hat sie, als sie das erfahren hat, zusammengeschlagen. Hildegard B. sagte zur Nonne „Roswitha hat Blut in der Toilette“. Sofort wurde Roswitha von den anderen Kindern abgesondert. Eingesperrt wartete sie verängstigt im Waschraum, es war dunkel, kein Lichtstrahl in diesem Raum. Es war an einem Novemberabend. Derweil fand Gewissenerforschung im Bett sitzend mit Beten statt. Wie jeden Abend wurde dieses Ritual nach dem Abendessen von der Schwester Serapa zelebriert. Die Nonne kam zurück, nachdem sie die anderen Kinder in den Schlafsaalgebracht hatte, die Gewissenserforschung kontrolliert hatte und glaubte, dass die Kinder schliefen.
Die Nonne schloss die Tür vom Waschraum auf, machte das Licht an und fing sofort an zu schreien: „Wo hast Du Blut gehabt?“, fragte die Nonne, sie war ziemlich aufgeregt. Roswitha sprach leise vor Angst: „Ja, hier in der Toilette.“ Die Nonne: „Na, dann wollen wir mal sehen, wo das Blut ist“, und griff Roswitha mit hasserfüllten Gesicht an den Haaren. Die Nonne steckte den Kopf von Roswitha in die Kloschüssel tief hinein und zog kräftig an dem Band der Wasserspülung, das Klowasser lief über ihren Kopf, die Zöpfe hingen in dem Klobecken. Die Elfjährige schluckte Wasser und spuckte es vor Ekel wieder aus.
Die Nonne wiederholte den Vorgang mehrmals, bis sie selbst so erschöpft war, erst dann ließ sie von Roswitha ab. Roswitha hatte große Angst, sie spürte den Zorn dieser Nonne. „Jetzt bin ich schwer krank und muss sterben?“, das war ihr Gedanke. Vor Schreck und Angst von den Aktionen der Schwester hatte Roswitha keine Gefühle mehr, sie zitterte vor Angst am ganzen Körper. Die Nonne nahm Roswitha auf ihren Schoss und zog ihr den Schlüpfer herunter, schaute in den Po und drehte sie um, betrachtete sie von beiden Seiten.
„Da ist ja gar nichts drin“, und schlug wie von Sinnen mit einem Handfeger auf ihren nackten Körper ein. Selbst als sie auf dem Boden lag, trat die Nonne mit ihrem Fuß keuchend auf sie ein „Mach dass du ins Bett kommst Zigeuner, ich werde dir die schmutzigen Fantasien und den Teufel schon austreiben“, rief die Schwester Serapa ihr noch als Gute-Nacht-Gruß hinterher. Roswitha: „Ach wäre ich doch jetzt gestorben oder aus dem Fenster gesprungen, es war ja hoch genug“, sagte sie leise vor sich hin, als die Nonne endlich von ihr ließ.
Hauskapelle im St.-Josefs-KinderheimIhre Schreie gingen durch die Nacht, die lauten Schreie hörten alle Mitbewohner, sie schliefen an diesem Abend nicht. Roswitha: „Für die Schwestern waren diese Kinder aus schwachen und zerrüttenden Familien der Verwahrlosung nahe, sie waren mit der Aufgabe überfordert und dachten nicht an den seelischen und geistigen Beistand für die ihnen anvertrauten Kinder“, sagt sie heute. „Wir brauchten Liebe und Geborgenheit“, sagt sie weiter. Roswitha wurde am nächsten Tag von ihren Mitbewohnern ausgelacht und sie hänselten hinter ihr her. Die Nonne hatte nichts dagegen unternommen und hatte ihr auch nicht erklärt, was das Bluten bedeutete. Roswitha konnte ein leichtes Grinsen in ihrem Gesicht erkennen. Als Roswitha am nächsten Tag in der Schule an die Tafel musste, war ihr Kleid voller Blut und sie wurde auch von Ihren Mitschülern ausgelacht. Roswitha war verzweifelt, was ist denn bloß geschehen, sie war zu jung, um das alles, was um sie herum Gemeines geschah, verstehen zu können.
Es war wieder keiner da, der Zeit hatte, sie aufzuklären oder der ihr Bestand leistete. Der Lehrer schickte sie ins Heim zurück. Als sie in der Straße vor dem Kinderheim angekommen war, versteckte sie sich aus Angst vor der Nonne hinter einem Strauch direkt am Zaun. Dem Kinderheim blieb sie fern, bis Hildegard sie entdeckte, als der Schulunterricht für alle zu Ende war. Hildegard war jünger als Roswitha, aber sie hatte schon Erfahrung mit der Periode. Dass wusste Roswitha zu diesem Zeitpunkt nicht. Hildegard nahm sie mit ins Haus. Die Nonne entdeckte die beiden und zog Roswitha wieder an den Haaren, hinauf bis in das 3. Stockwerk. Hier gab die Nonne ihr ein frisches Kleid und Unterwäsche. Jetzt durfte sie sich umziehen, die blutigen, verschmierten Sachen ausziehen, am Waschbecken sich alleine waschen und auf die Toilette gehen und das außerhalb der bestimmten Uhrzeiten. Das war normalerweise verboten. Der kleine Körper war grün und blau von den Schlägen der Nonne vom Vortag. Ihr ganzer Körper tat ihr fürchterlich weh. Diese Schmerzen verspürte sie auch in der Schule, dort hatte sie geweint.
Im Waschraum hatte sie keine Tränen mehr, sie hatte nur Angst, dass sie wieder Schläge bekam. Schwester Serapa gab ihr eine Strickbinde, jetzt kam Roswitha in Schwierigkeiten und dachte: „Was soll ich mit dem Ding anfangen?“, und hielt die Binde auf den Kopf. Die Nonne: „Na hier so, zwischen deine Beine und hier ist ein Gürtel zum befestigen.“ Sie zeigte ihr, wie sie das zusammenknöpfen soll. Weiter sagte sie: „Das bekommst du jetzt alle vier Wochen.“ Roswitha konnte mit dieser Aufklärung nichts anfangen. Die Binde zwischen den kleinen Beinen, es war sehr schlecht damit zu laufen. Sie ließ es über sich ergehen, sie blieb still. Fragen konnte sie doch niemanden.