Bloß keine Frauenquote!

Veränderung des Bildes: Andere Perspektiven

So tritt ein eigenartiges Phänomen auf: Auch im öffentlichen Bewusstsein wird darauf geachtet, dass Frauen nicht länger benachteiligt werden. Sie sollen arbeiten können, sie sollen Karriere machen und werden gefördert. Trotz massiver Förderungen passiert allerdings recht wenig im Hinblick auf Frauen und Karriere. Denn Frauen werden in dieser Perspektive immer noch als Opfer gesehen und dazu ermutigt, sich weiterhin selbst als Opfer anzusehen. Es entsteht zum einen ein double-bind, Karrierefrau und Opfer zugleich sein zu sollen. Zum anderen werden mögliche weitere Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen nicht wahrgenommen. Frauen wird durch die Frauenbewegung und in Folge auch zum Teil gesellschaftlich die Verantwortung für ihr Handeln, ihre Entscheidungen, ihr Leben nicht auf der ganzen Linie zuerkannt, sondern „den Männern“ angelastet. Frauen entscheiden sich für bestimmte Lebensformen, die sie feministischerseits nicht wollen sollen und sie erhalten andererseits durch den patriarchalen Staat – feministisch gesehen: ihren Feind! – Rechte, ohne die entsprechenden Pflichten tragen zu müssen.

Wenn wir demnach zumindest versuchsweise den Gedanken beiseite legen, dass Frauen grundsätzlich benachteiligt sind, können andere Gründe für den Status quo der Verteilung der Geschlechter auf unterschiedliche Lebensbereiche sichtbar werden. Zum Beispiel: Warum finden sich weniger Frauen in hochgestellten Positionen? Warum wählen Frauen bestimmte Berufe und Männer andere Berufe? Wenn diese Fragen auf eine andere Art als gewohnt beantwortet werden, lassen sich eventuell auch Hinweise darauf finden, warum Frauen andere Lebensschwerpunkte setzen als Männer und statt Benachteiligung andere Gründe für Ungleichgewichte der Geschlechterverteilung in bestimmten Lebensbereichen ausmachen.

Wenn wir zudem Frauen und Männern unterstellen, dass sie verantwortliche Entscheidungen für ihr Leben treffen, dann können sie nicht mehr nur als Benachteiligte versus Bevorzugte gelten. Frauen können ebenso von ihrer beruflichen Position in der zweiten Reihe profitieren wie Männer unter ihrer beruflichen Position in der ersten Reihe leiden können. Und in anderen Lebensbereichen wie beispielsweise Vater- oder Muttersein verteilen sich Vor- und Nachteile möglicherweise wiederum, je nach Perspektive, ganz anders als herkömmlich gedacht.

Denn nicht unbedingt nur Lebenskonzepte, sondern auch präferierte Arbeitsstrukturen und wahrgenommene Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten angemessen zu entfalten und den eigenen Interessen nachzugehen, beeinflussen die Entscheidung für oder gegen die – in meiner Untersuchung: universitäre - Karriere. Hinweise auf die Kompatibilität mit den Lebenskonzepten geben allerdings in Interviews gewonnene Aussagen wie „Befristung“, „Einschränkung beruflicher Möglichkeiten“, „sinnvolle Tätigkeit“ und „Vereinbarkeit“. Das sind Faktoren, die neben anderen für die Entscheidung gegen oder für die Karriere angeführt werden.

Ob diese These wahrer ist als die Thesen, welche renommierte Frauenforscherinnen und derzeit Politikerinnen aufstellen, wird hier nicht entschieden werden. Allein, dass sie möglicherweise auch wahr ist, sollte die Perspektive erweitern und nach anderen möglichen Interpretationen bekannter Daten Ausschau halten lassen.

Fest steht jedoch: Frauen, die Karriere machen wollen, können dies tun. Es stehen ihnen keine Barrieren im Wege, die nicht auch Männern im Wege stünden. Frauen haben mittlerweile in einigen Führungspositionen sogar überproportional aufgeholt. Auch Frauen sind in der Lage, Netzwerke zu etablieren und zu nutzen – eine prinzipiell geschlechtsunabhängige Methode, Karriere zu machen.

Die Tatsache, dass Frauen wenig Interesse zeigen, sich in höhere verantwortliche Sphären der Gesellschaft zu begeben, dürfte sich mittels einer Frauenquote zwar eventuell verändern lassen. Interessant ist auch, dass gerade jene Frauen, die es ohne Frauenquote geschafft haben, nun anderen Frauen dazu verhelfen wollen, ihre eigenen hart erkämpften Posten recht mühelos zu gewinnen. Zu fragen ist allerdings: Wollen wir das? Wollen wir Frauen, die sich ihre hohe Position nicht ebenso hart erkämpfen mussten wie ihre Kolleg(inn)en? Die vielleicht weniger qualifiziert sind, die vielleicht allein aufgrund ihres Geschlechts und ihres damit verbundenen, vermeintlichen Opferstatus’ in diese Position aufrückten? Wollen wir von ihnen regiert und unterrichtet werden?

Für mich ist die Antwort klar: Ob Mann oder Frau – der oder die Beste soll den Job machen.

 

Die Autorin promovierte ohne jegliche Frauenquote zum Thema „Lebensraum Universität. Lebenskonzepte von Hochschulabsolventinnen und -absolventen.“; DUV 2004. Sie befragte für die Arbeit 35 männliche und weibliche Universitätsabsolventen und kam zu mitunter überraschenden Ergebnissen.

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(1)  Darauf gehe ich an dieser Stelle nur sehr kurz ein: Die Anzahl der Professorinnen in Deutschland stieg von 1992 bis 1998 von 2246 (6,5%) auf 3592 (9,5%) – ein Anstieg von 60%. 2009 erreichte die Zahl der Professorinnen den Stand von 7267 (18,3%) und hat sich damit binnen 17 Jahren fast verdreifacht. Es kommt eben immer auf die Interpretation an. (Die beiden ersten Zahlen aus meiner Dissertation, die anderen Zahlen vom Statistischen Bundesamt.)
(2)  vgl. Farrell 1993; 12 f.
(3)  Farrell 1993; 29, Hervorhebungen im Original.
(4)  Matussek 1998; 38
(5)  Schenk 1998; 58f.
(6)  Rutschky 1999; 56
(7)  Rutschky 1999; 71
(8)  Farrell 1993; 287
(9)  Farrell 1993; 294
(10) Farrell 1993; 299
(11) Farrell 1993; 111
(12) Farrell 1995; 278
(13) Farrell (1993) schreibt von einer 600 Prozent höheren Gefahr; ebd. 32
(14) vgl. Hoffmann 2001; 377. Zu den 25 Todesberufen, von denen 24 reine Männerberufe sind (der 25. Beruf ist professionelles Tanzen, in dem etwa zur Hälfte Frauen vertreten sind), siehe Farrell 1995; 129ff. Er schreibt dazu: „So wie der Begriff `glass ceiling´ die Barriere beschreibt, die Frauen von den gutbezahlten Jobs fernhält, beschreibt `glass cellar´ die unsichtbare Barriere, die Männer in den Jobs festhält, die die höchsten Risiken aufweisen.“ Ebd. 131
(15) Hoffmann 2001; 378
(16) Hoffmann 2001 zitiert Jäckel, Karin (2000; 90). Vorherige Ausführungen Hoffmann 387ff. Vgl. auch Farrell 1995; 143ff