Zoo-Debatte (3)

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Nördliches Breitmaulnashorn im Zoo Dvůr Králové / Foto: wikimedia commons

(hpd) Vor kurzem hat Sören Schewe sich in einem Artikel beim hpd ziemlich deutlich für die Notwendigkeit von Zoos ausgesprochen. Eine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Colin Goldner hat es sich nicht nehmen lassen, seine Argumente gegen Zoos ebenfalls darzulegen. Nun die Antwort in Form eines offenen Briefes.

 

Sehr geehrter Herr Goldner,

ich stimme Ihnen zu. Obwohl es in den heutigen Zoos viele interessante Info-Tafeln zu den verschiedenen Tieren gibt, werden die nicht automatisch von allen Besuchern aufmerksam gelesen. Von einigen aber doch, weshalb diese Tafeln und auch Flyer richtig und wichtig sind. Sie greifen die Haltung der Tiere auf. Selbstverständlich ist diese nicht mit den heimischen Lebensräumen auf diesem Planeten zu vergleichen. Wie auch? Deshalb habe ich in meinem Plädoyer auch die vier nördlichen Breitmaulnashörner angeführt, die jetzt in einem kenianischen Reservat leben. Denn obwohl sie ihre eigentliche Heimat nie gesehen und erlebt haben (Sudan wird sich daran vermutlich nicht mehr erinnern können), fühlen sie sich doch hier am wohlsten, was sich auch gleich in einem erhöhten sexuellen Interesse der Tiere widerspiegelte.
Spannend wird es gegen Ende Ihrer (zitierten) Replik. Dort ist zu lesen, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Verbesserung der Zootierhaltung ohne diese nicht nötig wären. Natürlich nicht! Ohne Autos bräuchten wir auch keine Straßenverkehrsordnung oder Kfz-Mechaniker. Und der letzte Absatz hat mich dann wirklich zum Staunen gebracht. Ich zitiere mal kurz: Bei näherem Hinsehen bleibt von den Argumenten der Zoobefürworter nicht viel übrig, Grund genug, um die Existenzberechtigung von Zoos in Frage zu stellen und Konzepte für die Zukunft zu entwickeln...

Wir brauchen unter den derzeitigen Umständen keine Zoo-Debatte

Auch hier haben Sie vollkommen Recht. Es braucht tatsächlich neue Konzepte. Und die werden auch kommen, da bin ich mir ziemlich sicher. Nur wer liefert das Know-How, Grundlagen, Erfahrungen? Die Post? Oder sind es doch eher Zoologen, Tiermediziner und Pfleger? Acht verbliebene nördliche Breitmaulnashörner haben keine Zukunft mehr, in die man irgendwelche ominösen Hoffnungen projizieren könnte – genauso wenig übrigens wie all die anderen Nashorn-Arten auf diesem Planeten. Und auch Sabah-Nashorn, Orang-Utan, Nashorn-Vogel und Co. erleben die tägliche Vernichtung ihres Lebensraumes. Womit wir endlich zum eigentlichen Punkt kommen: es geht hier doch gar nicht um eine Zoo-Debatte, Herr Goldner. Ebenso wenig sollte es um eine Tierrechts-Debatte gehen. Ich muss keineswegs ein flammender Zoo-Befürworter sein, um zu wissen, dass wir keine Zeit mehr haben für großartige Projekt-Planungen, während 2010 auf dem afrikanischen Kontinent so viele Nashörner gejagt wurden wie noch nie zuvor. Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht, aber ich möchte nicht in äußerst absehbarer Zeit hier im Blog darüber berichten müssen, dass wir irgendeine Nashorn-Art für immer verloren haben, weil irgendwelche dekadenten Einfaltspinsel mit dicker Geldbörse die Nachfrage nach dem Horn der Nashörner hochhalten, um sich dann depperten Dekorations-Dummfug ins Wohnzimmer zu stellen. Derweil wachsen und gedeihen in Indonesien die Palmöl-Plantagen, damit wir hier Biosprit tanken können, bejubelt von Politikern, die in der 7. Klasse Biologie beim Thema Ökosystem offensichtlich permanent Kreide holen mussten. Wussten Sie eigentlich, was Tiger und Nashörner gemeinsam haben? Auch der Tiger wird massiv bejagt und stellt wie die Nashörner eine Art Rohstoffquelle für die Traditionelle Chinesische Medizin dar. Und auch über dessen finales Ableben möchte ich hier nicht berichten müssen.

Deshalb brauchen wir Zoos und Reservate

Wissen Sie, Herr Goldner, was Sie und ich über Zoos denken, ist völlig irrelevant. Solange es einen florierenden Markt für "Rhino-Horn" gibt, viele weitere Tiere dieser Welt in ihren natürlichen Habitaten einer ungewissen Zukunft engegensehen und es auch von Ihrer Seite keine Alternativen gibt, braucht es Zoos und Reservate, denn sonst laufen wir Gefahr, dass wir in Zukunft womöglich zwar ganz tolle neue Konzepte zum bisher bekannten Zoo entwickelt haben, uns dann aber schlicht die zu rettenden Tiere fehlen, weil sie mittlerweile in freier Wildbahn gänzlich ausgerottet wurden. Und das wäre dann wirklich eine völlig unakzeptable Verschwendung von Geldern sowie wissenschaftlicher Erkenntnisse. Selbstverständlich werden derartige Projekte nicht nur Erfolge bringen, sondern auch scheitern. Dass diese unerfreuliche Möglichkeit besteht, sollte uns aber keineswegs dazu veranlassen die Hände in den Schoß zu legen und einfach mal auf die wie auch immer geartete Lösung in der Zukunft zu warten. Zum Glück passiert das auch gar nicht. Seit 2010 sind kompetente Fachleute des IZW und Leipziger Zoos damit beschäftigt, eine Zoo-ähnliche Infrastruktur in Sabah aufzubauen. Woher haben die nur das dafür nötige Wissen? Richtig, aus Jahrzehnten wissenschaftlicher Forschung in Zoos. Darüber hinaus ist im Januar 2011 ein Projekt zur Wiederaufforstung des Lebensraumes gestartet. Also ich wünsche diesen Menschen viel Erfolg bei dieser Mission, sollen doch auch weitere Generationen über das Sabah-Nashorn, seinen Lebensraum und seine Mitbewohner erfahren – und damit meine ich nicht nur aus Büchern!

Übrigens: die vier nördlichen Breitmaulnashörner Sudan, Suni, Najin und Fatu waren nicht nur in Tschechien eingesperrt, sondern sind es auch in Kenia und werden dort -. ebenso wie südliche Breitmaulnashörner, Spitzmaulnashörner, Elefanten, Hyänen und viele weitere Tiere - überwacht wie Schwerverbrecher. Und das nicht etwa, um mit ihnen ordentlich Profit zu erzielen, sondern um sie vor genau diesem zu schützen...

Wir brauchen Zoos, aber keine Zoo-Debatte. Vielmehr sollte es um eine Ergründung der Hintergründe gehen, denn Zoos und Reservate als letzte Refugien unserer Tierwelt wären eine Katastrophe und sind auch keineswegs das Ziel derer, die im Zoo arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Sören Schewe

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Infos über die Arbeit von Zoos und Reservaten bietet zum Beispiel die Ol Pejeta Conservancy oder das Projekt WAZA (World Association of Zoos and Aquariums). Hier gibt es noch eine PDF-Information des WWF über die Rolle der Zoos beim Artenschutz und just heute stieß ich noch auf die Geschichte des iberischen Luchses. Und selbstverständlich dürfen hier keine Links zur Situation der Nashörner dieser Welt fehlen: hier der Artikel zur Jagd auf dem afrikanischen Kontinent und hier die Bemühungen um das Sabah-Nashorn und seinen Lebensraum.