Feindbild Islam?

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Podium / Foto: Frank Navissi

BERLIN. (hpd) Eine illustre Runde saß am Samstag beim TAZ-Kongress auf dem Podium, um sich über „Der Islam, dein liebstes Feindbild?“ zu streiten. Allerdings stritten sie nicht, sondern schlagfertigten sich gegenseitig freundliche Worte in die Ohren.

Daniel Bax von der TAZ, Jörg Lau von der ZEIT, Patrick Bahners von der FAZ, Isabel Schayani vom WDR, Hamed Abdel-Samad und als Moderator Jan Feddersen (ebenfalls TAZ) saßen in trauter Runde. Einzig Bax wurde ab und an emotional und vom Moderator eingebremst. Während Frau Schayani vergeblich versuchte, die Debatte auf ein bodenständigeres Niveau zu bringen wurde ansonsten viel und in wohlgesetzten Worten geredet. Was erstaunlich ist, sind doch die Positionen eines Patrick Bahners nicht unbedingt die eines Jörg Lau oder gar des eloquenten Herrn Abdel-Samad.

Jan Feddersen begann die Diskussion mit der Feststellung, dass es in Deutschland inzwischen normal sei, dass Menschen mit uns fremd vorkommenden Namen unter uns leben und Deutsche seien. Damit leitete er in das Thema des Gespräches ein, dass sich dann vorrangig um Sarrazins Buch und deine Wirkung drehte.

Bahners ist überzeugt davon, dass „Deutschland schafft sich ab“ ein völlig überbewertetes Buch sei und nur deshalb Wirkung entfalten konnte, weil es Grundängste, die es unbestritten in der Gesellschaft gibt, thematisierte. Obwohl das Buch an vielen Stellen völlig unzulänglich ist. Er hält die Diskussion um das Buch für eine Stellvertreterdiskussion und hält den Verfasser für viel zu wichtig genommen.

Was sich ja dann auch in der Podiumsdiskussion zeigte.

Abdel-Samad meinte gar, dass die gesamte Islam-Migrations-Thematik in einer gesunden gesellschaftlichen Atmosphäre keine Rolle gespielt hätte. Allein dass Vieles davon bisher eher auf Stammtischniveau verhandelt wurde, ließ die Diskussion im Fahrwasser des Sarrazin-Buches so hochkochen.

Dem stimmte Daniel Bax zu: „Es geht mehr darum, was das Buch gesellschaftlich angeregt hat. Das Problem in Deutschland ist allerdings auch die Rolle der Medien.“ Mit dem letzten Satz wollte er vermutlich die Anwesenden etwas provozieren und aus der Reserve locken. Doch das gelang nicht so recht. Jörg Lau fand spannender als das Buch die Rezeption und mediale Bewertung des Buches. Er wies darauf hin, dass Sarrazin das Buch nicht als „Islamkritik“ verstanden wissen will; es ist der Gesellschaft aber nur als solches wahrgenommen wird.

Eine interessante These stellte Lau zur Diskussion: „Weil es in Deutschland keine ernstzunehmende rechtspopulistische Partei gibt, werde die (notwendige) Debatte nun anhand des Buches geführt.“ Denn es gäbe eine deutliche liberal-nationale gesellschaftliche Mitte (die Abdel-Samad in den Alt-68 sehen will), die keine politische Heimat haben würde.

Lau drehte die Debatte um und meinte, dass wir es sind, die die Gesellschaft „islamisieren“, indem wir nicht mehr Menschen sehen würden, sondern Muslime. Und letztlich ginge es gar nicht so sehr um die Abgrenzung (oder Nichtabgrenzung der Anderen) sondern sei das alles „eine Mehrheitsdebatte: Eine Debatte der Mehrheit über sich selbst.“

Viel zu selten zu Wort kam leider Isabel Schayani. Sie verwies als Einzige in der Runde darauf, dass all diese Diskussionen, ja selbst die Islamkonferenz, keinem der betroffenen Menschen hilft. Sie verwies darauf, dass bei ihren „ethnischen Informanten“ die Diskussion um das Sarrazin-Buch wie auch die gesamte Islam-Debatte in Deutschland keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielen. Diese Menschen seien schon zuvor „so enttäuscht von der Mehrheitsgesellschaft und so verletzt, dass dieses Buch nun auch keine Rolle mehr spielt.“ Die Menschen bräuchten keine klugen Ratschläge von Außen. Sondern Bildung und soziale Integration.

Auf dem Podium ging es insgesamt kaum um die eigentliche Fragestellung, ob der Islam ein Feindbild sei. Jörg Lau wies richtig darauf hin, dass es innerhalb des Islam intensiven Streit über die Deutungshoheit des Koran gibt; davon aber im Westen nur wenig bekannt sei. Er gab aber auch zu, dass es für Außenstehende schwer ist, die verschiedenen Strömungen zu unterscheiden. Es sei schon schwer genug, zwischen berechtigter Islamkritik und Islamophobie zu unterscheiden. Es ist ebenso schwer, zu verstehen, wer warum und auf welcher Grundlage Religionskritik betreibe: „Frau Kelek zum Beispiel vertritt kemalistische Positionen, die sehr auf türkische Verhältnisse abgestellt sind.“ Damit wären sie – so Lau – für Deutschland nur bedingt bedeutsam.

Hamed Abdel-Samad endete mit „Solange die Muslime keinen Abstand zu ihrer Religion haben, wird die Integration des Islam in Deutschland nicht gelingen.“

Dem möchte ich entgegensetzen: Nicht der Islam soll und muss in Deutschland integriert werden. Sondern die Menschen, deren Religion zufällig der Islam ist.

F.N.