MÜNCHEN.(hpd) Zum Thema „Evolutionslehre in der Grundschule“ veranstaltete der Bund für Geistesfreiheit, in Zusammenarbeit mit der LAG Laizismus (DIE LINKE), den Münchner Freidenkern und der Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung ein Symposium. Prof. Dr. Dittmar Graf vom Institut für Biologiedidaktik an der Uni Gießen stellte das Projekt „Evokids“ vor und diskutierte darüber mit den überwiegend pädagogisch qualifizierten Zuhörern.
Bereits seit 2013 mit der Veröffentlichung des neuen Buchs von Max Kruse „Urmel saust durch die Zeit“ startete das Projekt „Evokids“ bei der Giordano-Bruno-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Uni Gießen. Den Kindern soll mit der bekannten Urmel-Figur auf spielerische und leichte Art und Weise die Evolutionstheorie in Grundzügen vermittelt werden. Kinder fangen bereits im Vorschulalter an, Fragen zu stellen und interessieren sich für nahezu alles, was mit dem Leben zusammenhängt. Wenn sie bereits in den ersten Schuljahren mit den evolutionären Prozessen vertraut gemacht werden, fällt es ihnen später leichter, die Zusammenhänge in Biologie, Physik, Geographie und anderen naturwissenschaftlichen Fächern zu begreifen.
Das Projekt „Evokids“ entstand aus der Erkenntnis, dass die Evolutionslehre im schulischen Unterricht bislang mit großer Zurückhaltung behandelt wird. Erst in höheren Klassenstufen steht dieses Thema auf dem Lehrplan. Im Grundschulplan steht Evolution oft gar nicht zur Debatte, weil man der Meinung ist, dass dies Kinder in dem Alter sowieso nicht begreifen und sie sich deshalb nicht dafür interessieren. Dabei gibt es für Kinder kaum etwas Spannenderes als die Entwicklung und das Aussterben von Dinosauriern, woher die Menschen kommen oder die Entwicklung von Pflanzen und Tieren. Kinder sind in diesem Alter auf Entdeckungstour und brauchen Antworten auf ihre Fragen.
Was Hänschen lernt, sitzt nachhaltig. Nach dieser Volksweisheit bringen Kirchen mit Hilfe der Schulbehörden ihre religiöse Botschaft zur Entstehung des Lebens den Kindern möglichst früh und unangefochten nahe. Besonders in Bayern. Sie nutzen den Wissensdrang und die Neugier der Kinder und füllen die „Wissenslöcher“ mit Schöpfungsgeschichten. In späteren Schuljahren muss dies mühevoll, mit entsprechend fundierten, wissenschaftlichen Erkenntnissen wieder ausgeräumt werden. Bei manch einem gelingt dies vermutlich nie. Nach einer Umfrage von Grafs Forschungsgruppe unter Lehramtsstudenten im ersten Semester hegen rund 15 Prozent kreationistisches Gedankengut, innerhalb der Bevölkerung geht man von ca. 20 Prozent aus. Dabei könnte hier schon in der Grundschule fundamentales Wissen erworben werden, sagte Prof. Graf, auf dem dann in Biologie oder Geographie aufgebaut werden könne.
Der prominente Gast des Abends, Prof. Dr. Dittmar Graf, ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Biologiedidaktik. Im Fokus seiner Arbeitsgruppe stehen die Einstellung und das Wissen zu Gesundheitsthemen, die fachdidaktische Entwicklungsforschung zur Evolution sowie Fehlvorstellungen zur Evolution. Er befasst sich schon seit langem mit der Entwicklung des naturwissenschaftlichen Unterrichts und setzt sich dafür ein, dass sich der Kreationismusgedanke an Schulen nicht weiter ausbreitet. Die Schöpfungsgeschichte ist bereits im frühen Kindesalter, im Kindergarten, Kindergottesdienst und Grundschule Thema. Evolution, wenn es überhaupt im Lehrplan vorgesehen ist, meist am Ende des Schuljahres. Also wenn keine Zeit mehr ist, fällt es schon mal ganz weg.
Zunächst schilderte Graf dazu die sieben häufigsten Einwände: Evolution sei zu abstrakt, es gäbe in der Grundschule noch kein Fach Biologie, es überfrachte den Lehrplan, es gäbe keine Unterrichtsmaterialien, den Kindern fehlten noch Grundkenntnisse oder es interessiere sie noch nicht. Auch spielten Schöpfungsvorstellungen angeblich bei Kindern heutzutage keine Rolle mehr.
Die Untersuchungen und Befragungen die sein Institut durchführte, bewiesen das Gegenteil.
Natürlich interessieren und begeistern sich Kinder für ihre Gattung ebenso wie sie sich mit Dinos und deren Verschwinden beschäftigen, so Graf. Nur müsse der Stoff, wie alle anderen Themen auch, für die Altersgruppe didaktisch aufbereitet werden. Evolution ließe sich in Bayern mühelos in die Fächer Sach- oder Heimatkunde integrieren, die eben gegebenenfalls von anderen Inhalten befreit werden müssten. Nur in einem stimmte er den Bedenken zu, es gäbe nicht genügend kompetente Lehrkräfte. Auch Lehramtsanwärter haben dazu mitunter, so Graf, nur bruchstückhaftes Wissen. Doch das ließe sich ändern.
Für die konkrete Unterrichtspraxis habe sein Institut das Projekt „Evokids“ entwickelt und damit bei Kindern viel Begeisterung ausgelöst und bereits Erfolge erzielt. Zudem leiste sein Institut dafür die politische Arbeit zur Etablierung des Themas in der Grundschule, erarbeite Unterrichtsmaterialien, organisiere Lehrerfortbildungen sowie Tagungen.
Er lobte erstmals den „Evokids-Preis“ aus. Mehr Informationen dazu gibt es unter www.evokids.de. Die Organisatoren des Abends im EineWeltHaus in München erhoffen sich mit dieser Veranstaltung, so Versammlungsleiter Sebastian Koplin (DIE LINKE), eine Belebung der Debatte um dieses Thema, um auch in Bayern der im Grundgesetz verankerten strikten Trennung von Staat und Religion näher zu kommen.
3 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
So etwas muss unbedingt in den ersten Unterrichtsstunden des Tages stattfinden, wenn die Aufmerksamkeit dieser Altersstufe noch gegeben ist.
Andreas am Permanenter Link
Da es in Grundschulen meistens keine Naturwissenschaftler, sondern häufig nur Religionslehrer und Theologen gibt, wissen wir auch schon, wer diesen Unterricht übernehmen wird und welche Tönung dies bekommt.
Da heißt es dann, dass „Glauben“ angeboren sei und „Gott“ uns Religiositätsgene geschenkt hätte, damit wir ihn finden.
Hoffen wir, dass Evo-Kids kein Eigentor wird.
Petra Posch am Permanenter Link
In Grundschulen gibt es häufig nur Reli-Lehrer und Theologen? Welche Art Schulen meinen Sie denn? In den "normalen" Grundschulen unterrichten GrundschullehrerInnen - ausgebildete PädagogInnen also.