Ausstellung zensiert, bekämpft und abgehängt

MÜNCHEN. (hpd/bfg) Der Künstler Wolfram P. Kastner zeigte in einer Ausstellung in München Kunst gegen Krieg Bilder, eine Installation sowie Fotos von den Folgen aller Kriege an menschlichen Körpern und Gesichtern. Die Anti-Kriegs-Ausstellung „teilen statt kriegen“ wurde zensiert, bekämpft und gestern vom Künstler abgehängt.

Im Schauraum in der Therese-Studer-Straße 9 zeigte Wolfram P. Kastner. Bilder, eine Installation und Fotos über den Krieg. Einige der Fotos, die von außen durch ein Schaufenster sichtbar waren, stammen aus dem 1924 erschienenen Buch von Ernst Friedrich („Krieg dem Kriege“), die im Berliner Antikriegsmuseum 1924 bis 1933 gezeigt wurden. Diese Fotos können durchaus starke Emotionen hervorrufen und Kinder und Jugendliche davon abhalten, Kriege als harmlose Geschehen zu verstehen, mit Waffen zu spielen oder Soldat zu werden (Beispiel-Bild als pdf). 1924 gab es keine Probleme mit der Polizei - die SA schlug allerdings mehrfach die Scheiben des Antikriegsmuseums ein.

Vorige Woche in München: Ein paar aufgeregte Nachbarn und zwei Frauen aus dem veranstaltenden Kulturteam forderten zwei Stunden nach der Eröffnung der Ausstellung am Freitag (15. April 2011), die ihnen bekannten Bilder zu verhüllen oder abzuhängen, weil dadurch Kinder traumatisiert würden. Der Künstler weigerte sich, die Bilder zu verstecken, weil er das Entsetzen über die furchtbaren Folgen von Kriegen für sinnvoll und heilsam erachtet.

  

Von aufgeregten mobilisierten Erwachsenen wurde am Sonntag, 17. April um 10.00 Uhr die Polizei geholt, die zunächst unschlüssig war und nach einigen Diskussionen empfahl, dass die Schaufenster vorläufig ca. 80 cm hoch zugehängt werden sollen, bis geklärt worden sei, wie das Kulturreferat der Stadt München dazu stehe und ob die Ausstellung gegen das Jugendschutzgesetz verstoße. Einige Polizeibeamte kontrollierten im Laufe des Tages mehrfach, ob die vorläufige Verhängung hoch genug angebracht sei und waren zufrieden. Einigen besonders erregten Bewohnern des Quartiers reichte das nicht aus. Sie wollten die Ausstellung unbedingt und notfalls auch mit Gewalt schließen und beklebten die Schaufenster.

Viele andere Ausstellungsbesucher fanden die Ausstellung sehr notwendig und reagierten mit völligem Unverständnis über das nahezu hysterische Verhalten und die Zensur. Der Künstler hat gestern, am Dienstag 19. April, die Ausstellung vorzeitig abgebaut.

„Das ist kein guter Ort für Kunst und offene Diskussion. Da versuchen einige, ihre persönlichen Vorstellungen auf „Teufel komm raus“ durchzudrücken, beschimpfen Andersdenkende als unzurechnungsfähig und als Gewalttäter, setzen sich über polizeiliche Regelungen hinweg und schrecken auch nicht vor Freiheitsberaubung und Zensur zurück. Ihr Traum von einer heilen Welt soll Maßstab für alle sein. Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst haben darin keinen Platz.“

Wilfried Müller

 

Nachtrag, Do. 21.4.2011:

Die Polizeiinspektion 43 München ermittelt gegen den Künstler Wolfram P, Kastner wegen seiner Ausstellung „teilen statt kriegen“, in der er drei Tage lange Kunst gegen Krieg zeigte.

Sie wirft ihm vor, „folgende Ordnungswidrigkeit(en) begangen zu haben: OWiG – sonstige Art (Par. 112 -130 OWiG) (Belästigung der Allgemeinheit)“.

„Durch die öffentliche Zuschaustellung der Kriegsbilder haben sie gem.3 118 OWiG die Allgemeinheit belästigt.“ (unverändertes Zitat aus dem Schreiben des POM Götz BY8543-005025-11/5).