Gerade wurde sowohl über traditionelle wie auch über alternativmedizinische Behandlungsmethoden gesprochen. Ist es ein Problem, wenn zwischen den verschiedenen Bereichen nicht ausreichend stark differenziert wird? Vielfach ist zu beobachten, dass traditionelle wie etwa naturheilkundliche und alternative – Beispiel Homöopathie – Ansätze einfach miteinander vermischt werden. Müsste man da nicht klarer trennen?
Sarma: Ja, wir sollten trennen, aber anders. Anstatt verschiedene Etiketten in den Vordergrund zu stellen, sollte man zwischen wirksamer Medizin und Methoden oder Produkten, die eine Wirksamkeit nur vortäuschen, unterscheiden. Sobald sich die tatsächliche Wirkung einer vorher alternativmedizinisch genannten Behandlung belegen lässt, gehört das zur Medizin. Punkt! Die Auseinandersetzung sollte sich nicht um die Frage drehen, ob es „konventionelle“, „traditionelle“ oder „alternative“ Medizin ist. Entscheidend ist, ob die Wirksamkeit belegt ist. Das sollte im Mittelpunkt stehen, nicht die Marketing-Etiketten. Es gibt auch unter den sogenannten traditionellen Verfahren wirksame Mittel, die aber längst Teil der sogenannten „Schulmedizin“ geworden sind. Wenn man erkennt, dass etwas funktioniert, dann benutzt man es einfach.
Vorausgesetzt, man hat sich soweit wie möglich über Wirksamkeiten informiert. Wo sollte man trotzdem nochmal aufmerksam werden, wenn ein Familienmitglied große Begeisterung für nicht schulmedizinische Therapien entwickelt hat?
Sarma: Die Gefahr besteht einerseits darin, dass die alternativen Methoden überschätzt werden. Wer Familienmitglieder hat, sollte immer wieder auf die fehlende Wirksamkeit hinweisen. Vielleicht werden sie irgendwann nachdenklich. Wir sollten auch nicht vergessen, dass manche Methoden Stoffe verwenden, die eine meist ungeprüfte pharmakologische Wirkung haben. Es ist nicht immer wie bei der Hochpotenz-Homöopathie, welche soweit verdünnt ist, dass da nichts mehr drin ist. Eine vorhandene pharmakologische bzw. biologische Wirkung muss nicht unbedingt positiv sein, nur weil das Etikett „natürlich“ drauf steht. Auch in der traditionellen chinesischen oder indischen Medizin werden Substanzen eingesetzt, die gefährlich sind.
Welche denn?
Sarma: An Aristolochia in chinesischen Tees sind Frauen an Nierenversagen gestorben. Ayurvedische Zubereitungen können gefährliche Schwermetalle beinhalten. Wichtig ist, hier zu differenzieren. Wenn es sich wirklich um unschädliche Dinge handelt und sich jemand besser fühlt, kann man solche Behandlungen auch gelassener angehen.
Also muss ich mir keine Sorgen machen?
Sarma: Nur wenn die alternativmedizinische Behandlung selbst nicht gefährlich ist und es zu keinem Versäumnis einer notwendigen Behandlung kommt.
Was sind außer der Homöopathie gerade noch die populärsten Themen auf dem Markt der Para- und Pseudowissenschaften? Wobei ich natürlich der Alternativmedizin nicht per se Pseudowissenschaftlichkeit unterstellen kann.
Sarma: Die Unterscheidung Schulmedizin und Alternativ- bzw. Komplementärmedizin halte ich für falsch. Wir sollten vielmehr zwischen Verfahren und Produkten mit belegter Wirksamkeit und solche ohne objektiv belegte Wirksamkeit unterscheiden. Erstere gehört zur Medizin, letztere zum Humbug. Das Etikett, oft für Marketingzwecke verwendet, ist unerheblich.
Auch außerhalb der sogenannten Alternativmedizin gibt es einerseits eine ganze Reihe von Themen, die immer wieder kommen und gehen. Dazu gehören UFOs und diverse Verschwörungstheorien. Andererseits sind manche Dauerbrenner, wie der Kreationismus, Erdstrahlen oder Astrologie. Kreationismus ist in Europa noch kein großes Problem, im angelsächsischen Raum wie in den USA schon. Ich sehe aber neuerdings auch Tendenzen, dass der Kreationismus zu uns herüber schwappt. Nicht nur aus Richtung des christlichen, sondern auch des islamischen Fundamentalismus. Wo genauso gegen die Evolution gewettert wird, beispielsweise in England oder Belgien. Das ist auf europäischer Ebene ein Problem, dessen weitere Entwicklung man sorgfältig beobachten muss.
Seit auch der Papst am Anfang des Jahres klargemacht hat, dass die katholische Kirche den Kreationismus und die biblischen Schöpfungsmythen als Lehren ablehnt, müsste das Thema in Europa doch eigentlich vom Tisch sein.
Sarma: Bei kreationistischen Thesen gibt es keine offizielle Unterstützung seitens der katholischen oder evangelischen Kirche, und das ist gut so. Es gibt aber immer wieder Personen, wie die ehemalige hessische Kultusministerin Karin Wolff oder den früheren Ministerpräsidenten in Thüringen, Althaus, die eine gewisse Neigung dafür gehabt und auch Vertreter des Intelligent Design zu Diskussionen geholt haben. Ein anderer relevanter Aspekt ist, dass im Religionsunterricht die Schöpfungsmythen früh im prägenden Alter gelehrt werden. Wenn es dann im Biologieunterricht zum Thema Evolution kommt, sind die Schüler in der achten, neunten oder zehnten Klasse. Für Schüler wird es dann sehr schwer, Evolution und den Glauben an eine Schöpfung miteinander zu vereinbaren und den Unterschied zwischen dem Schöpfungsglauben im biblischen Sinne und dem Kreationismus oder dem „Intelligent Design“ nachzuvollziehen. Kinder haben ein natürliches Interesse an Themen wie der Evolution. Warum nicht damit schon in der Grundschule darüber berichten, über die gemeinsame Abstammung von Menschen und Schimpansen, und zu Museen mit Dinosauriern und Neanderthalern gehen? Kinder lieben Dinosaurier!