Religionsfreie Zone: Auftrag erfolgreich?

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Infostand zur Refligionsfreien Zone / Fotografie © Evelin Frerk

DRESDEN. (hpd/gefahr) Mit viel Engagement hatten Mitglieder von GEFAHR e.V. das viertägige Programm mit zwanzig Veranstaltungen organisiert. In der Nachbetrachtung fragt sich Sacha Hanig, ob der selbst gestellte Auftrag, ein Forum für Debatten und Aufklärung zu schaffen, erfolgreich realisiert worden ist.

Oft sind es ja die kleinen Dinge, die einem im Gedächtnis bleiben. Während der vier Tage „Religionsfreie Zone in Dresden“ steht daher wohl diese Episode Modell: Zwei Jugendliche im typischen „Kirchentagslook“ brechen in Sichtweite des Infostandes der Giordano Bruno Stiftung (gbs) in ungebremsten Jubel aus. „Haben wir Euch endlich gefunden!“ Freude strahlend stürzen sie an den Stand und verkünden statt Froher Botschaft großes Interesse an den Alternativen, die dort zu finden sind. Anstecker, Aufkleber, Infobroschüren … alles wird mit ehrlichem Interesse eingesackt. Im Gegenzug erhält die Spendenbox etwas Nachschub.

Am Stand ist man kurz sprachlos. „Die vom Organisationsteam des Kirchentages haben uns eine ziemlich üble Abfuhr erteilt, als wir nach der Religionsfreien Zone fragten.“ So erzählen die beiden fröhlich augenzwinkernd. In der Hand hält einer der beiden einen halb zerrissenen Aufkleber, auf dem "...und da wird dein Hirn sein", gerade noch zu lesen ist. „Das die Besucher des Kirchentages auf der Suche sind, war mir klar, aber nach uns?!“ erwidert jemand am Stand. Ein langes von gegenseitigem Respekt geprägtes Gespräch entsteht. Nach einer halben Stunde verschwinden die beiden wieder und sind mit den Veranstaltern einer Meinung. Der Dialog mit säkularen Humanisten auf dem Kirchentag fehlt.

 

Unter anderem deshalb hat man in der Gesellschaft zur Förderung von Aufklärung, Humanismus und Religionsfreiheit (GeFAHR e.V.) schon vor einem Jahr beschlossen, in jenen Tagen des evangelischen Happenings präsent zu sein.

Zehn Organisatoren (und schließlich während der Veranstaltung viele weitere Helfer), 20 Veranstaltungen in vier Tagen … Ein halbes Jahr schweißtreibender Organisation.

Bereits mit Eröffnung der Religionsfreien Zone am Mittwoch war klar, dass die Aktion von vielen Dresdnern gern und dankbar angenommen wird. Das provokative Motto: „…und da wird dein Hirn sein!“ brachte den nötigen Schwung in die stets sehr konstruktiven Diskussionen am Infostand vor der Schauburg.

Reaktionen wie diese: „Hirn ohne Herz ist nicht nur gefährlich. Wer den Gläubigen den Verstand abspricht, der kann selbst kaum bei demselben sein. Die Umformung des Kirchentaglogos mit dem aus zwei Händen geformten Herz in ein mit Händen geformten Kreis soll wohl originell sein. Tatsächlich ist sie beleidigend und dumm.“ (Zitat aus einem Artikel von Andreas Trunschke [Quelle]) sind eher selten gewesen und zeugten davon, dass wohl die Anwesenheit auf der Veranstaltung von Nöten ist, um sie beurteilen zu können. Stets wurden die Besucher mit Hirn und Herz willkommen geheißen und keinem Christen wurde der Verstand abgesprochen.

Zu gern wurde und wird die Aktion in den Medien als schnöde Gegenveranstaltung dargestellt. Doch miesepetriges Interesse, Anderen in die Suppe zu spuken oder gar Kirchentagsgäste und das Treffen der Protestanten madig zu machen, war nicht zu entdecken. Dank Schauburg, GeFAHR e.V. und gbs sind hier die Gespräche mit den säkularen Humanisten überhaupt erst möglich gewesen. Die Veranstalter haben den Dialog mit den Menschen gesucht und das Programm barg bei jeder Lesung und in jeder Podiumsdiskussion Möglichkeiten zur Auseinandersetzung und zum Gespräch miteinander und nicht übereinander.

 

Die Alternative zum Glaubensfest wurde gern angenommen. Informationsmaterialien und Evolutionalien waren sehr begehrt. So waren die T-Shirts mit dem Hirnlogo schon am zweiten Tag ausverkauft. Glücklicherweise konnte der Nachschub sicher gestellt werden. Fortan konnte man lustige Szenen sich grüßender „Hirn-T-Shirt-Träger“ in den Straßen der Dresdner Neustadt beobachten.

 

Aus der säkularen Szene standen Michael Schmidt-Salomon, Ricarda Hinz, Heinz-Werner Kubitza, Carsten Frerk, Wolfgang Klosterhalfen und natürlich viele fleißige, unermüdliche Helfer der Regionalgruppe der gbs (GeFAHR e.V.) zur Diskussion bereit. Jeden Tag wurde bis tief in die Nacht debattiert.

Evelin Frerk gestattete allen Interessierten in ihrer Fotoinstallation einen Blick in die Gesichter des gegenwärtigen Humanismus. Wer wollte, konnte sich fotografieren lassen, um Teil des engagierten Projektes zu werden oder aus den über 400 Gesichtern Gleichgesinnter, einfach Kraft schöpfen.

Die Podien der Diskussionsrunden waren mit hochkarätigen Gästen besetzt. So wurde mit Heidi Knake-Werner, Michael Bauer und Katja Kipping über die Frage: „Ist Wohlfahrt ohne Kirche möglich?“ geredet. Heiß ging es unter den Diskutanten aber auch im Auditorium her, als in der Abendveranstaltung am Freitag das Thema: „Glaube oder Wissen – Wie viel Religion braucht der Mensch?“ behandelt wurde. Falko Pietsch und Sacha Hanig stritten für eine Ethik ohne religiöse Verkündungssysteme. Wortgewaltig und erwartungsgemäß provokativ stellte Matthias Matussek seine Form des katholischen Glaubens vor, Gerhard Besier und Anke Well waren die besonnenen Ruhepole und nicht zuletzt durch die ausgewogene Moderation von Ulrich Braun wurde der Abend zu einem spannendem Erlebnis.

Auch die Kultur kam nicht zu kurz. Neben Lokalmatadoren wie dem Autor Michael Bittner oder dem Pantomimekünstler Ralf Herzog, war das Besondere an der viertägigen Veranstaltung, dass auch überregional bekannte Künstler Gesicht für den Humanismus gezeigt haben. Am Samstagabend sorgten Wiglaf Droste und Thomas Gsella im großen Saal der Schauburg mit einem erstmals gemeinsamen Auftritt für ein furios satirisches Finale.

Mission erfolgreich? Nun schmunzelnd könnte man meinen: Ja. Schließlich sind ca. 40 neue Jünger der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters (FSM) beigetreten.

Ernster bilanziert: ca. 850 Menschen kamen zu den einzelnen Veranstaltungen, mehr als 1500 Besucher kamen an den Infostand, es wurden und sollten keine Christen gegenmissioniert werden, aber viele säkulare Humanisten sind darin bestärkt, dass eine Ethik ohne Religionen nicht nur möglich ist, sondern früher wie heute bereits gelebt wird.

Ja, Auftrag erfolgreich realisiert!

Sacha Hanig