Gutachten für „meinen Herrn“

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Stephansdom in Wien / Foto: Andrew Bossi (Creative Commons Lizenz)

WIEN. (hpd) In den Missbrauchsvorwürfen gegen den Österreich-Chef des päpstlichen Missionswerks Missio gerät ausgerechnet jener Gutachter unter Kritik, der den Geistlichen entlasten hätte sollen. Er hatte der Frau, die den Verdächtigen wegen sexueller Übergriffe angezeigt hatte, taxfrei attestiert, an einem Borderline-Syndrom erkrankt zu sein. Per Ferngutachten.

Leo Maasburg, Chef der Missio Austria, hat ein nachvollziehbares Interesse, die Vorwürfe einer heute 45-Jährigen zu entkräften. Sie hat ihn wegen sexueller Übergriffe angezeigt.

Alles nicht wahr, sagt der Monsignore (katholischer Titel, entspricht etwa dem Bischofsrang, dt.: „Mein Herr“) – und lässt den Grazer Gutachter Peter Hofmann die (mutmaßliche) Täter-Opfer-Beziehung umkehren. Die Anzeigerin habe den Geistlichen gestalkt. „Grundlage wäre in diesem Fall mit größter Wahrscheinlichkeit eine emotional instabile Persönlichkeit (Borderline)“, heißt es in der Zusammenfassung des Gutachtens, die dem hpd vorliegt.

Wissen will das der Psychiater von 1.200 Schreiben der Anzeigerin an Maasburg, die ihm der Monsignore irgendwann zwischen 2008 und 2010 übermittelt haben dürfte. Mit der Begutachteten selbst hat Hofmann nie gesprochen, wie auch das Büro seines Auftraggebers gegenüber österreichischen Medien bestätigt. Inwiefern Maasburg alle Schreiben der Frau aus der jahrzehntelangen Bekanntschaft dem Psychiater schickte oder nur einen ausgewählten Teil, ist unklar.

Der Gutachter wollte sich zu dem privaten Ferngutachten nicht äußern. Auch für den hpd war seine Ordination in Graz telefonisch nicht erreichbar.

Katholisches Kampfblatt erhielt Gutachten zugespielt

Soweit die Fakten, die keiner der Beteiligten bestreitet. Etwas weniger eindeutig wird es, wenn man in die Tiefe geht. Das Gutachten, ein zentraler Bestandteil in der juristischen und öffentlichen Verteidigung Maasburgs, „gibt es nicht in einer für die Öffentlichkeit zugänglichen Form“, schreibt Eugen Waldstein, Sprecher Maasburgs, dem hpd. Was insofern überrascht, als ausgerechnet die deutsche Tagespost schon am Tag als die Anzeige bekannt wurde, ausführlich aus dem Gutachten zitiert. Entsprechend macht die laut Eigenbezeichnung „katholischen Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur“ Maasburg die Mauer. Katholische Rabiatseiten wie kath.net übernahmen den Artikel sofort. Wer dem Kampfblatt der katholischen Bischöfe in Deutschland das Gutachten zugespielt hat, ist allenfalls Gegenstand von Spekulationen. Klar ist, dass es vorher nur einem überschaubaren Personenkreis zugänglich gewesen sein dürfte.

Wie nahe steht Hofmann der Kirche oder Opus Dei?

Etwas eigenartig mutet auch die Beziehung des Gutachters zum Arbeitgeber seines Auftraggebers an. Hofmann scheint als Referent des privaten „Instituts für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie“ auf. Ein Institut, das unter anderem von Opus-Dei-Mitglied und Psychiater Raphael Bonelli gegründet wurde und höchst umstrittene Kongresse organisiert. Beim ersten Kongress 2007 kam es zu einem öffentlichen Eklat, als unter anderem Vorträge über die Heilung von Homosexualität und zu Exorzismus angekündigt wurden. Der Vortrag zur Heilung von Homosexualität wurde nach heftigen Protesten auch von wissenschaftlicher Seite abgesagt. Gründer und Leiter Bonelli scheint eine Affinität zu Ferngutachten zu haben. Taxfrei bescheinigte er etwa heuer mehrfach nicht näher definierten „aggressiven Atheisten“ geisteskrank zu sein. Thesen, die er am heurigen RPP-Kongress in Wien öffentlich wiederholte. Und zwischen dem aktuellen Pädophilie-Skandal und der 68-er-Bewegeung stellt Bonelli gerne mal sanfte Zusammenhänge her.

Beim umstrittenen RPP-Kongress 2007 trat Hofmann auch gemeinsam mit dem Salzburger Weihbischof Andreas Laun auf – in einem Workshop zu „Kirche und Pädophilie“. Laun gilt als Rechts-Außen der katholischen Kirche Österreichs und fällt mit rabiat konservativen Ansichten zur Sexualität auf.