OSLO. (hpd) Rund 400 Menschen aus 50 Ländern kommen ab Freitag in der norwegischen Hauptstadt Oslo zum Welthumanistenkongress zusammen. Das Hauptthema des alle drei Jahre stattfindenden Kongresses lautet „Humanismus und Frieden“. Zu den insgesamt 24 international bekannten Referenten gehören unter anderem die Schriftstellerin Taslima Nasrin, der Biologe PZ Myers und der UN-Sonderberichterstatter Heiner Bielefeldt.
Nachdem Norwegen wegen der Attentate vom 22. Juli erst kürzlich zum Mittelpunkt weltweiter Aufmerksamkeit wurde, ist das Kongressthema auch für eines der laut World Peace Index friedlichsten Länder der Welt wieder sehr relevant geworden. „Wir fühlen, dass sich die Gründe für ein Treffen in Oslo, um an Wegen zur Verbreitung von Frieden zu arbeiten, bestätigt haben“, erklärte der Humanistische Verband in Norwegen, der Human-Etisk Forbund, zu den Ereignissen. Human-Etisk Forbund ist Gastgeber des bis Sonntag dauernden Kongresses, der unter der Schirmherrschaft der IHEU veranstaltet wird. Die IHEU hält seit heute in Oslo ihre Jahreshauptversammlung ab.
Im Mittelpunkt von Vorträgen, Erörterungen und Workshops wird unter anderem die Frage stehen, was „Frieden“ in einer Umwelt aus internationalen Konflikten eigentlich bedeutet und wie friedlich die Welt heute ist. Welche Beiträge können Humanistinnen, Humanisten und ihre Organisationen dazu leisten, die Welt friedlicher zu machen? Im Fokus von Vorträgen und Diskussionen befindet sich auch die Rolle von supranationalen Organisationen und Institutionen wie den Vereinten Nationen, der OSZE, der EU oder der Banjul-Charta. Wissenschaftler und humanistische Repräsentanten werden sich zur Frage äußern: „Ist der Mensch ein friedliches Tier?“ Und wie wirken sich Lebensentwürfe auf Konfliktlösungen aus? Sind religiöse Haltungen Teil des Problems oder Teil einer Lösung? Ein Ziel des Wochenendes wird auch sein, die nächste Generation von Führungspersönlichkeiten für humanistische Organisationen auf kommende Aufgaben vorzubereiten.
Der Beginn ist am Freitag um 11 Uhr im Osloer Kongresszentrum, die Begrüßung übernehmen IHEU-Präsidentin Sonja Eggerickx und Åse Kleveland, Präsident des Humanistischen Verband Norwegens. Haakon von Norwegen, Thronfolger der konstitutionellen Monarchie des Landes, wird ein Grußwort der Regierung in Norwegen abgeben. Die Kongressteilnehmer werden am Abend in der Stadthalle empfangen. Am Samstagmorgen beginnen parallele Tagungen zu insgesamt vier Themenschwerpunkten. ”Es wird eine einmalige Gelegenheit, um über Grenzen hinweg Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Probleme zu diskutieren”, heißt es beim Humanistischen Verband Norwegens.
Die Teilnehmerzahl liegt in diesem Jahr über der vom letzten Kongress in Washington im Jahr 2008. Die Organisatoren berichten aber, dass die Summe bisher unter der erwarteten Menge von 600 Gästen geblieben ist. Rund 200 der 425 Teilnehmer stammen aus Norwegen. Für möglich wird gehalten, das der hohe Preis eine Ursache ist – die Standardeinschreibung als Gast kostet regulär rund 400 Euro, Sonderveranstaltungen exklusive. Mit abschließenden Angaben zu Zahlen will man aber bis nach dem Kongress warten. Aus dem deutschsprachigen Raum wird unter anderem Werner Schultz, als Delegierter des Humanistischen Verbandes und Erwin Kress, Vize-Präsident im Bundesverband des Humanistischen Verband Deutschlands, anreisen.
Auch Valentin Abgottspon, Mitglied der Schweizer Freidenker-Vereinigung, ist derzeit in Oslo. Abgottspon ist einer von 50 Teilnehmern der Gründungsversammlung einer neuen internationalen Freidenker-Organisation, welche gestern in Verbindung mit der IHEU-Jahreshauptversammlung stattfand. Ziel war unter anderem, ein ”Manifest der Gewissensfreiheit” zu verabschieden.
Der erste Welthumanistenkongress fand 1952 in Amsterdam statt. In Oslo wurde er bisher insgesamt zweimal durchgeführt, 1962 und 1986. Human-Etisk Forbund begann ab 1956, humanistische Konfirmationen als Alternative zu den Ritualen der lutherischen Staatskirchen anzubieten. Heute wird dieses Angebot von rund 16 Prozent aller Jugendlichen in Norwegen in Anspruch genommen. Human-Etisk Forbund wuchs seit den 1970er Jahren von etwa 2.000 Mitgliedern auf heute 78.000 Mitglieder und ist derzeit eine der mitgliederstärksten humanistischen Organisationen weltweit.
Arik Platzek