Das deutsche Verfassungsgericht und der Papst

FREIBURG. (hpd) Die katholische Kirche erwartet gegenüber ihrem Oberhaupt Anstand und Respekt während seines Deutschlandbesuches. Bringt der Papst  allerdings gegenüber seinen Gastgebern ebenfalls diesen zu erwartenden Respekt auf? Eine Antwort darauf lautet: Nein.

Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, äußerte in einem Interview, dass die Kirche mit Demonstrationen und Kritik keine Probleme habe. "Allerdings erwarten wir, dass man mit dem Oberhaupt der Katholischen Kirche, einer religiösen Persönlichkeit von Weltrang, anständig und respektvoll umgeht. Bei aller Kritik und aller Satire darf ein gewisses Niveau nicht unterschritten werden." Daraus folgt allerdings die Rückfrage, wie es die katholische Kirche es selber mit Anstand und Respekt gegenüber den Gastgebern hält, wenn ihr Oberhaupt als Gast eingeladen ist.
 

Ein Kommentar von Albrecht Ziervogel, als Beauftragter des Bündnis „Freiburg ohne Papst“.

Solch eine Überraschung! Da treffen sich die BundesverfassungsrichterInnen mit dem Papst in Freiburg anlässlich seines Staatsbesuchs! - Bei dieser Meldung denken viele zunächst einmal, dass es auch sehr an der Zeit sei, wenn die VerfassungsrichterInnen Herrn Ratzinger angesichts von dessen menschen- und demokratiefeindlichen Ansichten einmal klar machen würden, welche Grundrechte unser Grundgesetz allen Menschen garantiert.

Einige denken aber darüber hinaus, dass es dem Bundesverfassungsgericht als Staatsorgan unserer Republik und Wächter über unsere Verfassung gut anstünde, endlich – nach über neunzig Jahren des Bestehens eines entsprechenden Verfassungsauftrags („Trennung von Staat und Kirche“) – die Kündigung des Konkordats, welches der Nazistaat Hitlers mit dem damaligen Papst abgeschlossen hat, in die Wege zu leiten. - Das Konkordat war als Staatsvertrag nur möglich, weil Hitlers Diktatoren-Kollege Mussolini zuvor dem Vatikan überhaupt erst seine lächerliche Pseudostaatlichkeit verschafft hatte, um sich dadurch die Unterstützung der katholischen Kirche zu sichern; ebenso wie Hitler sich später erfolgreich mit seinem Konkordat die Unterstützung der Kirche(n) durch deren Schweigen und Wegsehen sicherte.

Aber weit gefehlt mit der genannten Vermutung: wir sind ja in Deutschland, der nur angeblich säkularisierten Bundesrepublik, die sich in Wirklichkeit nach wie vor von der autoritären katholischen Kirche bereitwillig am Nasenring herumführen läßt. Dieser Staatsbesuch als solcher und seine unrühmliche Vorgeschichte sind der beste Beweis dafür.

Es sind nicht unsere VerfassungsrichterInnen, die dem Staatsoberhaupt ein paar Nachhilfestunden in Sachen Menschenrechte und Demokratie geben, ihn gar zur Ratifizierung der Europäischen Konvention der Menschenrechte auffordern oder ihn auf die Kündigung des Konkordats vorbereiten möchten, sondern es ist seine Majestät der Diktator aus dem Vatikan, der die Verfassungsrichter zum Gespräch ‚zitiert’. Die offizielle Version lautet natürlich „bittet“, aber einem Papst als Staatsoberhaupt und Staatsgast glaubt man, selbstverständlich keine „Bitte“ abschlagen zu dürfen. - Ganz offenbar ist es ein dringendes Anliegen, das der Gast mit dem Gericht erörtern möchte. Und die Fantasievolleren unter den Bürgern können sich auch bereits denken, um welche für die katholische Kirche dringenden Angelegenheiten es sich handeln wird.

Man darf gespannt sein, was als „Ergebnis“ dieses Gesprächs der Öffentlichkeit mitgeteilt werden wird, außer dass es natürlich in bestem Einvernehmen verlaufen sei. Skepsis ist jedoch angebracht, ob diese Verlautbarungen auch den tatsächlichen Inhalten des Gesprächs entsprechen werden. Man sollte also in Zukunft am besten sehr genau beobachten, ob bzw. wann und wie sich plötzlich Anschauungen unserer Gerichte und unserer Politiker ändern werden, die sich auf die PID und ähnliches beziehen.

Ein schlagenderes Beispiel dafür, wie die bundesrepublikanische Politiker-Elite vor (dem von Frau Merkels „Aufforderung“ im vergangenen Jahr indignierten) Herrn Ratzinger buckelt, als die Einladung als Staatsgast und zusätzlich als Redner im Bundestag, kann es wohl kaum geben. Hier können alle Laizisten hautnah erleben, wie die Macht des Papstes als des unumschränkten Herrschers nicht nur des klitzekleinen Vatikans, sondern aller Katholiken auf der Welt (immerhin eineinhalb Milliarden Menschen) ihm auch automatisch „Ehre“ einbringt, die ihm als Mensch aufgrund seiner Ansichten und seiner Verhaltensweisen gar nicht zusteht.

FREIBURG OHNE PAPST