Das Affenrefugium Gänserndorf

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Erstmals Gras unter den Füßen: Ex-Laborschimpanse / Fotos (c) Colin Goldner

WIEN. (hpd) Am 6. September 2011 stellte Michael Aufhauser, Begründer der Tierschutzzentrums „Gut Aiderbichl“ der Öffentlichkeit sein neuestes Projekt vor: das „Affenrefugium Gänserndorf“ bei Wien, das Hilfe für Schimpansen in Not bringen soll.

 

Ex-Tourismusmanager Aufhauser (59), der mit seinem Aiderbichl-Konzept, notleidende Tiere aufzunehmen, um sie anschließend mitleidstouristisch zu vermarkten, mittlerweile ein Imperium von zwanzig „Gnadenhöfen“ in Österreich, Süddeutschland und der Schweiz aufgebaut hat, hat offenbar einen Nerv der Zeit getroffen: ganze Busladungen vornehmlich älterer Herrschaften branden täglich allein über sein Stammhaus in Henndorf nahe Salzburg herein. Von mehr als hunderttausend Besuchern pro Jahr ist die Rede, die vor dem Schlachter gerettete Pferde, Kühe, Schweine, Gänse oder Hühner besichtigen wollen.

Während allein Eintrittsgelder (geführte Tour 24 €), Restaurantbetrieb und der Verkauf von Merchandisingprodukten Millionenumsätze sichern, wird das wirklich große Geschäft mit Spenden und Patenschaften gemacht, zu denen die Besucher subtil aber nachhaltig gedrängt werden: nicht wenige überantworten „Aiderbichl“ ihren kompletten Nachlass. Und wofür? Für das gute Gefühl, das Aufhauser im Gegenzuge offeriert, weniger schuld sein zu müssen an der gnadenlosen Unterdrückung und Ausbeutung von Tieren, die man durch das eigene Konsumverhalten mit verursacht. Als Mitglied der „Aiderbichl-Familie“ muß man das eigene Verhalten nicht reflektieren, verändern schon gar nicht: es reicht, eine Gnadenhofspende abzudrücken – oder ganz aktuell: eine Patenschaft für Kuh „Yvonne“ zu übernehmen , die werbewirksam auf einen der Aiderbichl-Höfe verbracht wurde -, um sich weiterhin und ohne schlechtes Gewissen Cordon Bleu und Kalbsmedaillon schmecken lassen zu können. Zahllose „Promis“ machen es vor, von Uschi Glas bis Ralf Schumacher, die sich alljährlich zu dem unsäglichen TV-Spektakel „Weihnachten auf Gut Aiderbichl“ einfinden. Selbst Larry Hagman, besser bekannt als J.R., ist begeisterter „Aiderbichler“.

Während bei all dieser Ablasshandelei die zur Schau gestellten Tiere als nicht viel mehr denn Staffage dienen, scheint Aufhauser mit dem Gänserndorfer Affenrefugium anderes im Sinn zu haben. Erstmalig, seit er vor gut zehn Jahren ins Gnadenhofgeschäft eingestiegen ist, scheint es ihm wirklich um „Hilfe für die gequälte Kreatur“ zu gehen und nicht um Profit oder persönliche Imagepflege. Er übernahm vierzig Schimpansen aus einem aufgelassenen österreichischen Versuchslabor, die, gefangen gehalten in winzigen Käfigen, jahrzehntelang für völlig unsinnige Pharmaforschung missbraucht worden waren. Infiziert mit HIV oder Hepatitis wären sie ohne Aufhausers Engagement und Hilfe eingeschläfert worden.

Die immensen Kosten für die Errichtung des Gänserndorfer Schutzzentrums ebenso wie die laufenden Kosten teilen sich Gut Aiderbichl, das Land Niederösterreich sowie - aus (vorgeblich) ethischen Erwägungen und ohne Rechtsverpflichtung - der US-Pharmakonzern Baxter, der das aufgelöste österreichische Labor samt den Affen übernommen hatte, für diese aber keine Verwendung fand.

Für die Planung und Umsetzung des Affenrefugiums, errichtet auf dem weitläufigen Areal eines pleite gegangenen Safariparks, wurde der Sachverstand führender Primatologen und Veterinärmediziner eingeholt, was den durchwegs schwerst traumatisierten Schimpansen die denkbar bestmögliche Unterbringung und Versorgung garantiert, die ein Leben in Gefangenschaft – anderes wird es für sie nie mehr geben - ihnen bieten kann. Gänserndorf kann in der Tat als Leuchtturmprojekt praktizierter Tierethik bezeichnet werden. Vergleichbare Einrichtungen gibt es nur in Florida, wo ausrangierte Schimpansen des US-Raumfahrtsprogrammes in relativer Freiheit leben können, und in Holland, wo aus Zirkussen, Zoos oder Laboratorien befreite Primaten Zuflucht finden.

Beispielbild
Jane Goodall
Zur großen Eröffnungsfeier des Gänserndorfer Affenrefugiums war neben jeder Menge Politprominenz auch Jane Goodall, Kultfigur der Primatenforschung, zugegen. Mit berechtigtem Stolz führte Aufhauser die neuerrichteten Außenanlagen vor. Einige der Schimpansen hatten diese bereits tags zuvor erstmalig inspiziert: zögernd waren sie ins Freie getreten, hatten ungläubig umhergeblickt; dann hatten sie begonnen zu lachen, hatten einander umarmt und waren lachend der Sonne entgegengeschritten, die sie noch nie zuvor gesehen hatten. Nicht nur Jane Goodall, die sie fünfundzwanzig Jahre zuvor in den 1,50 mal 1,50 Meter großen Käfigen des Pharmalabors erstmalig gesehen hatte, hatte Tränen in den Augen, als sie ein Video
dieses ersten Ausflugs der Schimpansen in ihre neugewonnene Freiheit sah.

 

 

Ob die Schimpansen zu einem einigermaßen selbstbestimmten Leben zurückfinden können, wird die Zeit zeigen. Wesentlichen Anteil daran wird die Frage haben, ob Michael Aufhauser sein Versprechen durchhält und sie ihre verbleibende Lebenszeit unbehelligt und in Würde zubringen lässt, anstatt sie in den Rummel seines Aiderbichler Tierschutztourismus einzuspannen. Nichts wäre horrender als die Vorstellung, DJ Ötzi oder Patrick Lindner im Gänserndorfer Affenrefugium Weihnachtslieder singen zu hören.

Beispielbild
Michael Aufhauser und Jane Goodall
Es steht zu hoffen, dass Aufhauser insofern dazugelernt hat und die Affen in Ruhe lässt. Es wäre dies auch der dringende Wunsch Jane Goodalls (die sich im Übrigen sehr angetan zeigte vom relaunch des Great Ape Project durch die Giordano Bruno Stiftung).

Colin Goldner