BERLIN. (hpd) Die unterschiedlichen Auffassungen zur Papstrede im Deutschen Bundestag werden deutlicher und schärfer. Während der Bundestagspräsident von „Seiner Heiligkeit“ spricht, wenden sich weitere Politiker gegen die Papstrede sowie die Absicht ihrer Partei, die vorhandene Kritik nicht sichtbar werden zu lassen.
Nun steht es offiziell auf der Internetseite des Deutschen Bundestages: „Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. wird im Rahmen seines Staatsbesuchs in Deutschland vom 22. bis 25. September auch den Bundestag besuchen und am Donnerstag, 22. September 2011, im Plenarsaal zu den Abgeordneten sprechen. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche und des Staates Vatikanstadt mit Zustimmung aller Fraktionen eingeladen, im deutschen Parlament eine Rede zu halten. Sie wird ab 16.30 Uhr live im Parlamentsfernsehen und im Web-TV auf www.bundestag.de übertragen. Nach den Begrüßungsworten des Präsidenten wird der Papst etwa eine halbe Stunde lang sprechen.“
Dann geht es im regierungsamtlichen Text gleich weiter mit: „Heilige Messe im Olympiastadion. Im Anschluss an die Ansprache im Bundestag wird der Papst mit Vertretern der jüdischen Gemeinde zusammentreffen, ehe er bei der Feier der Heiligen Messe im Berliner Olympiastadion die Predigt hält. 70.000 Besucher werden dazu erwartet, darunter zahlreiche Bundestagsabgeordnete.“
Beschämende Camouflage?
Das Ganze wird dann abgerundet von Grußworten und Ergebenheitsadressen aus allen Fraktionen. Die Erwähnung, dass es auch Kritik an dieser Rede gibt und einige Angeordnete beabsichtigen, dieser Rede fernzubleiben und ihren Protest mit leeren Sitzen im Plenarsaal sichtbar zu machen, das soll, so heißt es aus Parlamentskreisen mit allen Mitteln verhindert werden. So plant die SPD-Fraktionsführung angeblich, leere Sitze mit ehemaligen Abgeordneten zu besetzen. Um den Bedarf zu ermitteln, soll bereits eine Umfrage in der Fraktion gestartet worden sein.
Dazu hat Oliver Lösch, einer der Sprecher der Sozialdemokraten für die Trennung von Staat und Religion („Laizisten“), an den Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag einen Offenen Brief geschrieben:
An den Vorsitzenden der SPD Fraktion 12.09.2011
im Deutschen Bundestag,
Herrn Frank-Walter Steinmeier,
Platz der Republik 1,
11011 Berlin
Offener Brief zum Vorgehen der Fraktionsspitze bezüglich der Rede des Papstes
Sehr geehrter Herr Steinmeier,
lieber Frank-Walter,
vor wenigen Tagen wurde in der Presse bekannt, dass die SPD Bundestagsfraktionspitze plant, leere Parlamentarierplätze bei der anstehenden Rede des Papstes im Deutschen Bundestag mit ehemaligen Abgeordneten „aufzufüllen“. In diesem Zusammenhang sei sogar eine „Anwesenheitsabfrage zur Bedarfsermittlung“ in der Fraktion gestartet worden.
Sofern diese Informationen korrekt sind, wäre dies beschämend für unsere ganze Partei.
Selbstverständlich kann man in der Sachfrage, wie mit der Rede des Papstes vor dem deutschen Parlament umzugehen sei, unterschiedlicher Auffassung sein, ebenso ist es selbstverständlich, wenn dem angekündigten Fernbleiben an dieser Veranstaltung durch Rolf Schwanitz und anderen Abgeordneten der SPD mit sachlicher Kritik begegnet wird.
Nicht hinzunehmen ist es jedoch, wenn die Sichtbarkeit von Kritik unterdrückt werden soll. Die Möglichkeit zum offenen Protest, auch und gerade durch gewählte Volksvertreter, ist ein wesentlicher Grundpfeiler jeder Demokratie. Die SPD hat durch ihr bisheriges Wirken in unserer Gesellschaft immer wieder für die Meinungsfreiheit und deren öffentliche Sichtbarkeit, für mehr Demokratie gekämpft. Sollte dies ausgerechnet beim Besuch des letzten absoluten Monarchen Europas in Deutschland ein Ende finden? Wäre es unserer Fraktionsspitze wirklich so unangenehm, leere Plätze in den sozialdemokratischen Reihen während der Rede des Papstes, und damit die garantierte Gewissensfreiheit eines jeden Abgeordneten, hinnehmen zu müssen, dass sie sich veranlasst fühlt, zu solchen Methoden zu greifen?
Der Papst kommt als politischer Akteur nach Deutschland – dies ist wohl unbestritten, denn schließlich wird immer wieder betont, dass es sich bei seiner Reise um einen Staatsbesuch handele. Wieso also sollte der Papst, wenn es um Kritik, Widerspruch und Protest geht, nicht wie ein politischer Akteur behandelt werden?
Ich hoffe sehr, dass die SPD Fraktionsspitze von ihren Plänen Abstand nimmt, legitim geäußerten Protest durch Nichtanwesenheit bei dieser Rede durch das „Schließen der Reihen“ übertünchen zu wollen. Es ist einer demokratischen Partei, zumal dieser (!), nicht würdig.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Lösch