(hpd) Die Erklärungen von Benedikt XVI. im Freiburger Konzerthaus am vergangenen Sonntag sind auch von Laizisten in SPD und Linkspartei begrüßt worden. In der SPD wurden die Ausführungen des Papstes über die „Entweltlichung“ der Kirche und den Abschied von materiellen und politischen Privilegien als Plädoyer für eine stärkere Trennung von Staat und Kirche beurteilt. Laizisten der Linkspartei meinten, der Vatikan sei „nicht unbedingt das beste Vorbild für diese neue Armut“.
Derzeit herrscht großes Rätselraten unter deutschen Bischöfen und Theologen, nach dem Benedikt XVI. in der Abschiedsrede zu seiner Deutschland-Tour in der vergangenen Woche die ihm Gläubigen dazu aufforderte, eine weitere Trennung von Staat und Kirche als Herausforderung anzunehmen. „Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben“, meinte das katholische Kirchenoberhaupt.
Benedikt XVI. verwies auf biblische Sagen, wonach die „Entblößung“ von weltlichem Reichtum das missionarische Handeln immer wieder glaubhaft gemacht habe. „Die geschichtlichen Beispiele zeigen: Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein“, bilanzierte der Papst seine Auffassung über die künftige Strategie im Rahmen der vor einem Jahr offiziell ausgerufenen Neuevangelisierung Europas.
Entsetzen hat sich deshalb nun unter den Hütern des Katholizismus in Deutschland breitgemacht, die sich mit den materiellen und politischen Lasten bisher ziemlich gut arrangiert hatten: Die Finanzierung von Klerikergehältern durch die allgemeinen Steuerzahler, der staatliche Kirchensteuereinzug, das Recht auf Verbreitung von Glaubenswahrheiten in öffentlichen Schulen, Theologie an Universitäten sowie die mit Hilfe der Rechtsprechung von Bundesverfassungsrichtern fundamentierte Drangsalierung gläubiger Arbeitnehmer oder effektive Methoden zur Diskriminierung konfessionsfreier Menschen.
„Nicht direkt etwas zu tun hat das Wort des Papstes mit Staatsverträgen und Kirchenleistungen, wie manche meinen“, wurde Karl Lehmann, Kardinal der Kirche, bei der Rhein Main Presse mit Berufung auf ein dpa-Gespräch zitiert. Auch Robert Zolltisch, Chef-Bischof in Deutschland, zeigte sich laut Medienberichten sicher, dass Benedikt XVI. nichts gegen das Kirchensteuersystem einzuwenden habe. Ihm sei es nicht um konkrete Regelungen in Deutschland gegangen, will Zollitsch überzeugt sein dürfen. Der Kölner Staatsrechtler Stefan Muckel verwehrte sich ebenfalls gegen solche Verständnisse. Konsequenzen für das Staatskirchenrecht dürfe man nicht in die Papstworte „hineingeheimnissen“, hieß es beim Radio des Erzbistums Köln.
Aufforderung zum Abschied von staatlichen Privilegien
Teilweise pflichtete Prof. Detlef Pollack, Religionssoziologe vom Exzellenzcluster Religion und Politik der Universität Münster, solchen Meinungen bei: „Ich glaube nicht, dass er so weit gehen würde, das Kirchensteuersystem in Deutschland abschaffen zu wollen. Das würde die Kirche ihrer finanziellen Grundlagen berauben“, so Pollack. Er machte aber auch deutlich, dass die Aufforderung zum Abschied von staatlichen Privilegien und materiellen Bindungen grundsätzlich klar verständlich war.
„Seit 2008 verlangt die Kurie von den deutschen Bischöfen, auf die Kirchensteuer zu verzichten, und sie bekommt keine Antwort“, zitierte wiederum das in Österreich angesiedelte Nachrichtenportal kath.net aus einem FAZ-Artikel in einem gegenüber Zollitschs Interpretation kritischen Beitrag. Hintergrund: In Österreich treibt die Kirche selbst ihre Mitgliedsbeiträge ein.
Aber auch Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritas-Verbandes, ging auf Distanz zu den Äußerungen des Papstes. Johannes Warmbrunn, Diözesanratssprecher von Rottenburg-Stuttgart, meinte: „Ich kann gar nicht verstehen, wie man so was ernsthaft fordern kann. Das ist für mich entrückt. Als Mann der Praxis fragt man sich da: Wohin soll das führen?“
Robert Zollitsch wertete den Besuch schließlich zwar als „großes Geschenk und große Ermutigung“, der geschenkte Streit um die Deutung der Papstworte unter den Gläubigen dürfte aber vor allem für Laizisten und Säkularisten ermutigend wirken. Beim Neuen Deutschland sah man in Benedikts XVI. Rede im Freiburger Konzerthaus sogar einen „trojanischen Bär“.
Ähnlich unproblematisch wie bei den Glaubensgenossen in Österreich war für von vergleichbaren Privilegien weitestgehend unbelastete Organisationen in Deutschland die Deutung der Papstworte. Zuerst reagierte der Humanistische Verband Deutschlands am Montag, aus dessen Sicht Benedikt XVI. die Aufgabe des überkommenen Privilegienbündels gefordert hat. „Nun stehen die Vertreter der Kirche im Klerus und in der Politik in einer unabweisbaren Pflicht, den jetzt erneut vorgezeichneten Reformkurs wirklich umzusetzen“, sagte Verbandspräsident Frieder Otto Wolf.
Laizisten in SPD und Linkspartei äußerten sich nun gestern ebenfalls. „Der Papst nimmt damit Forderungen der Laizisten und anderer säkularer Organisationen auf, endlich auf Kirchensteuer und sonstige finanzielle Staatsleistungen an die Kirchen zu verzichten. Damit spricht sich das katholische Oberhaupt für eine stärkere Trennung von Staat und Kirche aus“, begrüßte Horst Isola als Sprecher der SPD-Laizisten die Äußerungen. „Zu den Privilegien zählen neben dem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, den theologischen Fakultäten an Universitäten vor allem das skandalöse kirchliche Arbeitsrecht“, so Isola weiter. Das gesamte Privilegienbündel gehöre auf den Prüfstand. Ziel müsse sein, dass Religion zur Privatsache erklärt wird. Entsprechendes hatte Prof. Detlef Pollack verstanden: „Die Äußerungen sind Teil eines größeren Programms, dessen Ziel lautet: Verinnerlichung des Glaubens“, meinte er laut Augsburger Allgemeine.
Georg Korfmacher, Laizist der bayerischen Linkspartei, meinte ebenfalls, die „Tür zu einem säkularen, laizistischen Staat“ sei jetzt auch in Deutschland „unwiderruflich“ weit aufgestoßen. Korfmacher weiter: „Allerdings darf man nicht übersehen, dass der Vatikan mit seinem Prunk und Protz, mit Tiara und Tatütata, mit dem zunehmenden und medienwirksamen Circus Maximus für den Pontifex Maximus nicht unbedingt das beste Vorbild für diese neue Armut ist.“
Arik Platzek