ERFURT. (hpd) Der Salzburger Theologieprofessor Gregor Maria Hoff eröffnet das Theologische Forschungskolleg der Universität Erfurt mit einem Vortrag zum "Neuen Atheismus" – und verliert sich dabei in Randerscheinungen religiös angehauchter Philosophie.
Hatte man sich am 26. Oktober nicht ins abendliche Orgelkonzert im Mariendom verirrt und stattdessen die vierte Etage der Domstraße 10 erklommen, so fand man sich mit gut 30 weiteren Gästen im Hörsaal Coelicum wieder. Gregor Maria Hoff, Professor für Ökumenik und Fundamentaltheologie in Salzburg, hatte sich angekündigt, dort die Arbeit des Theologischen Forschungskollegs im neuen Studienjahr mit einem Vortrag zum Phänomen des "Neuen Atheismus" einzuleiten. "Er versteht den neuen Atheismus als eine notwendige Herausforderung der christlichen Gottesrede, weil er den Glaubenden zu einer eigenen Standortbestimmung provoziert", hieß es in der Einladung. Auch mit Blick auf weitere aktuelle Schwerpunkte des Kollegs wie die Kirchenkrise oder das Verhältnis von Theologie und Kulturwissenschaft durfte an diesem Abend auf eingehende theologische Selbstreflexion und v.a. -kritik gehofft werden.
Ein großer Bogen um das Wesentliche herum
Hoff gelang es jedoch, solche Erwartungen rigoros zu enttäuschen. Um das Neue an jenem Atheismus, nämlich seine herausfordernde öffentliche Präsenz, machte der Theologe einen großen Bogen. "Dawkins & Co." watschte er in wenigen Sätzen und den mittlerweile gewohnten Klischees als "Apokalyptische Reiter" eines "kriegerischen" Atheismus ab, die teils wie ein "billiger Abklatsch" von Klassikern wie Nietzsche oder Freud wirkten.
Unter "neu" versteht Hoff nur philosophische Originalität, womit er jegliche Mehrdimensionalität des Phänomens über den Haufen wirft. Als eine moderne kulturelle Reaktion auf (zugegebenermaßen ebenfalls moderne) reaktionäre und fundamentalistische religiöse Tendenzen nahm er die verbreitete gegenwärtige Religionskritik zumindest im Rahmen dieses Vortrags nicht wahr.
Stattdessen gab er im Wesentlichen Ausführungen heutiger Philosophen, u.a. George Steiners, Slavoj Žižeks und Giorgio Agambens wieder. In deren bewusst nicht-christlichen Auseinandersetzungen mit Konzepten wie Trinität und Messianismus erkennt der Salzburger Professor eine neue Qualität von Atheismus: Hier würden eigentümlich christliche Problematiken außerchristlich diskutiert und – angeblich im Gegensatz zu jenen kämpferischen Atheisten – neue Fragen bzw. Fragen neu gestellt statt ausradiert. Hoff hatte zunächst dafür plädiert, mit Atheismus und Religionskritik weder apologetisch noch vereinnahmend umzugehen. Spätestens aber, als er auf Nachfrage die seiner Ansicht nach originellen Anschauungen als "philosophische Theologie" bezeichnete, war dieser Eigenanspruch vollends dahin.
Theologie des bequemen Hinterzimmers
Das Erfurter Publikum, hauptsächlich ebenfalls Theologen und Personal der Theologischen Fakultät, fand im Anschluss lobende Worte für den Vortrag und überging gnädig den Hinweis darauf, dass die zum Äußersten getriebene Schriftsprache des Referenten mit seiner Vorliebe für unnötige lateinische Ausdrücke an der Grenze der Zumutbarkeit lag.
Neben den obligatorischen Detailfragen hakte ein Gast bezüglich der Breitenwirkung der von Hoff bewunderten Philosophien nach. Hierauf konnte dieser nüchtern antworten, eine solche sei nicht zu erwarten.
Statt also eine Auseinandersetzung mit dem Klartext moderner Religionskritik zu fordern, beabsichtigt Gregor Maria Hoff, die innertheologische Diskussion auf weniger konfrontative Randerscheinungen zu konzentrieren. Es bleibt zu hoffen, dass das Erfurter Forschungskolleg wie auch die Theologie insgesamt sich gerade nicht in diese bequemeren Hinterzimmer zurückzieht.
Tom Bioly