Modernisierung des Islam?

BERLIN / HAGEN. Nach verschiedenen Zeitungsberichten, dass sich Ende Februar in Berlin ein Zentralrat der Ex-Muslime der Öffentlichkeit

vorstellen wird, gab es von verschiedenen Seiten Stellungnahmen dazu.

Entgegen vieler abwartender oder kritischer Stimmen von islamischen Organisationen begrüßte die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Ekin Deligöz, die Bildung eines solchen Zentralrates. Die damit verbundene Debatte über den Alleinvertretungsanspruch der islamischen Verbände sei richtig, sagte die Politikerin. „Denn woher nehmen die islamischen Verbände das Recht, für alle Muslime zu sprechen?", fragte Deligöz. Sie selbst würde sich allerdings nie als Ex-Muslimin bezeichnen, sagte die Abgeordnete. „Mir wäre es lieber, den Islam zu modernisieren, als mich von der Religion zu distanzieren", betonte sie.

Der IBKA hat sich mit dieser Stellungnahme auseinandergesetzt und der Politikerin einen Offenen Brief geschrieben.
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Sehr geehrte Frau Deligöz,

nicht ohne Irritation nimmt der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e. V. (IBKA) Ihre Äußerungen zur Gründung des "Zentralrats der Ex-Muslime" zur Kenntnis.

Denn wenn Sie sagen, es könne nicht darum gehen, den Glauben zu bekämpfen, stattdessen müsse die Religion modernisiert werden, so mag das Ihre private Position sehr treffend beschreiben, und diese zu verfolgen ist selbstverständlich ein Recht, das Ihnen niemand bestreitet. Jedoch, so wie dieser Satz in den Medienberichten dargestellt wird, sagen Sie dies nicht über sich selbst und Ihre eigene Position, sondern über jene, deren Anliegen es ganz offensichtlich war, einen Zentralrat der Ex-Muslime zu gründen.

Dazu möchten wir zunächst einmal festhalten, dass es selbstverständlich sehr wohl darum gehen kann, organisierter Religion, deren öffentlicher Subventionierung und politischen Herrschaftsansprüchen, sowie auch irrationalen Inhalten, mit Aufklärung und systematischer Kritik entgegen zu treten. Wie viele halbaufgeklärte Gläubige im Christentum scheinen auch Sie nicht fähig zu sein, Nicht-Gläubige als eben solche zur Kenntnis zu nehmen und zu respektieren. Überdeutlich wird diese Ignoranz, wenn Sie die Gründung des Zentralrats der Ex-Muslime zwar begrüßen, darin aber eine Kritik an dem Anspruch der muslimischen Verbände sehen, alle Muslime zu vertreten, und damit gerade das zentrale Anliegen der Mitglieder des Verbandes mit Füßen treten: Es soll endlich zur Kenntnis genommen und respektiert werden, dass sie eben keine Muslime sind. Die gerade auch in Ihrer Partei beliebte Verwechslung von Migration mit Religion und die gerne propagierte Lösung von Integrationsproblemen, durch Übertragung staatskirchenrechtlicher Privilegien auf islamische Verbände, ist auch Teil der Fehlentwicklung, gegen welche sich die Neugründung des Zentralrates der Ex-Muslime bereits erkennbar doch richtet.

Unbewusst ergreifen Sie mit Ihren Äußerungen die Partei jener, welche die Mitglieder des Zentralrats mit dem Tod bedrohen. Denn wenn Sie auch - dies sei Ihnen unbestritten - diese Drohungen ablehnen, so bestätigen Sie doch im Grunde deren moralisches Urteil über die "Abgefallenen": Wenn Sie in der Bezeichnung "Ex-Muslime" einen "negativen Beigeschmack" zu erkennen meinen, so drückt dies ebenso eine moralische Abwertung der sich so Nennenden aus, wie dann, wenn Sie der aktiven Ablehnung des Glauben die Legitimität absprechen und die Betroffenen stattdessen für eine Reform des Islams in die Pflicht zu nehmen versuchen, und ihnen damit indirekt vorwerfen, diese fiktive Verpflichtung durch ihre grundsätzliche Abwendung zu verletzen.

Wie schon einst Christa Nickels in Bezug auf die katholische Kirche, verwechseln Sie die öffentlichen Erfordernisse der weltanschaulichen Neutralität eines politischen Mandates mit dem privaten Interesse der inneren Reformation einer Glaubensgemeinschaft. Dies macht Sie blind gegen die Rechte und Interessen jener, die eben nicht glauben, die einer Gemeinschaft deshalb weder angehören noch angehören wollen - und die deshalb auch weder ein Interesse noch gar eine Pflicht haben, sich um die Fortentwicklung einer solchen Gemeinschaft zu sorgen; die jede Legitimation haben, eine solche Gemeinschaft als das nehmen, was sie eben realiter darstellt, statt als das, zu dem einige einflusslose Mitglieder sie gerne reformieren würden; und die alles Recht der Welt haben, sich gegen von einer derartigen Gemeinschaft ausgehende Übergriffe auch zu wehren.

Mit freundlichen Grüßen,
Rudolf Ladwig
IBKA e.V., 1. Vors.)