Eine Art Weihnachts-Amnestie

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Foto: Friedrich Böhringer / wikipedia

WIEN. (hpd) Die Wiener Justiz macht der Rabiat-Aktivistin Elisabeth Sabatitsch-Wolff ein Weihnachtsgeschenk. Wegen teils rassistischer Aussagen wird sie nur wegen „Herabwürdigung religiöser Lehren“ verurteilt – und nicht wegen Verhetzung, der sie ebenfalls angeklagt gewesen war.

Die selbst ernannte Islam-Expertin hatte unter anderem „den Muslimen“ vorgeworfen „Krieg zu wollen“ und „uns zu hassen“. Analyse eines Skandalurteils.

Was wiegt schwerer? Die Reputation eines (mythologischen) Religionsgründers oder das Recht von Migrantinnen und Migranten aus bestimmten Weltgegenden, nicht grob verunglimpft zu werden? Mit ihrem Urteil stellt eine der höchsten Instanzen der österreichische Justiz auf den ersten Blick klar: Der Ruf des Religionsgründers. Gegen Migranten darf man weiter hetzen. Zumindest solange es einer rechtsradikalen Aktivistin nützt. Die Begründung ist so absurd wie das Urteil – und so absurd wie die Tatsache, dass § 188 im Strafgesetz nach wie vor Gültigkeit hat (gegen „Herabwürdigung religiöser Lehren“, in Deutschland § 166 StGB).

Elisabeth Sabatitsch-Wolff hatte bei mehreren Seminaren der Bildungsakademie der rechtsradikalen FPÖ gesagt, (der angebliche Prophet, Anm.) Muhammad habe „gerne mit Kindern ein bisschen was“ gehabt. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Wien (OLG) ist das strafbar. Da schimmere "deutlich ein Wertungsexzess" hervor, zitieren österreichische Medien den OLG-Senatsvorsitzenden Leo Levnaic-Iwanski in der Urteilsbegründung. Würde man "isoliert" erklären, dass Muhammad "Sex mit einem Kind hatte" würde das wohl nicht unter Strafe gestellt. Aber die von Sabaditsch-Wolff vorgenommene "Verbrämung der Aussage", komme einer Verspottung gleich und sei daher zu verurteilen, schreibt etwa derstandard.at. (Sabatitsch-Wolff hatte sich auf die Legende der angeblichen Muhammad-Gattin Aisha bezogen, die er im Alter von sechs Jahren geheiratet haben soll.) Was auch immer das heißen soll und wem auch immer damit gedient sein mag.

Gerade noch strafrechtlich gedeckt seien Aussagen wie „Muslime hassen uns“, sie „wollen einen Krieg“, sie verstellen sich gegenüber Ungläubigen etc. etc. Auch das hatte Sabatitsch-Wolff in dem Jungwählerseminar von sich gegeben. Und sagt es landauf, landab bei allen Veranstaltungen, zu denen sie eingeladen ist. In den Augen des OLG ist das keine Verhetzung. Unabhängig von der Tatsache, dass die Rabiat-Aktivistin nie einen Unterschied zwischen praktizierenden Muslimen, pro-forma-Angehörigen des Islam und denen macht, die nur aus Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit stammen, aber keineswegs religiös sind. In ihren Augen sind alle Muslime, die aus Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit kommen oder Vorfahren aus solchen Ländern haben. Ihre Eigenschaften sind für sie unveränderbar und in Wahrheit arbeiten sie auf die Weltherrschaft hin. Wenn das nicht rassistisch ist, wenn das keine Hetze ist, was ist es dann? Mehr am Thema vorbei hätte ein Gericht kaum urteilen können.

Auf den ersten Blick wirkt das so, als würde man den Islam besser schützen als seine mutmaßlichen Anhänger. Das dürfte nur die halbe Wahrheit sein. Tatsächlich dürfte die Sache eher eine Art Weihnachts-Amnestie für Sabatitsch-Wolff sein. Nach § 188 erwarten sie maximal sechs Monate Haft, in ihrem Fall wurde es nur eine Geldstrafe. Nach dem Verhetzungsparagrafen wäre sie nicht so glimpflich davon gekommen. Dort beträgt die Höchststrafe zwei Jahre. Es ist nicht das erste Mal, dass die österreichische Justiz auf diese Art Menschen schont, die gegen Zuwanderer hetzen. Das Gleiche war vor wenigen Jahren mit der Nationalratsabgeordneten Susanne Winter (FPÖ) passiert. Diese hatte in einer Wahlkampfrede gefordert, den Islam zurück übers Mittelmeer zu werfen. Jedem Zuhörer war klar, dass sie die Ausweisung türkischer Zuwanderer meinte. Verurteilt wurde sie wegen der gleichen Aussage, die Sabatitsch-Wolff tätigte. Winter sagte damals, Muhammad sei „nach heutigem Rechtsverständnis ein Kinderschänder“ gewesen.

Die Folgen der beiden Urteile sind desaströs. Sie beleben den toten Gummiparagrafen 188 wieder, mit dem nahezu jede Religionskritik strafrechtlich verfolgbar sein könnte. Das ist Gift für eine funktionierende Demokratie. Religionsgemeinschaften brauchen keinen strafrechtlichen Schutz. Die können sich auch so wehren. Die Urteile symbolisieren gleichzeitig, dass man bestimmte Menschengruppen pauschal verunglimpfen darf – und das mit der unverhohlenen Absicht, Ressentiments gegen diese Gruppen zu schüren und zu helfen, diese nach Möglichkeit weiterzuverbreiten.

Aus Sicht des Gerichts ist das eine nachvollziehbare Entscheidung. Weniger höflich formuliert: Hier wurde nicht Recht gesprochen, von Gerechtigkeit ganz zu schweigen. Hier wurde Politik gemacht. Die Vorurteile, die Sabatitsch-Wolff und Winter verbreiten, sind längst Allgemeingut in weiten Teilen der österreichischen Gesellschaft geworden. Und die FPÖ ist eine mächtige und vor allem Kritikern gegenüber äußerst aggressive Partei, die vor leichtfertigen Strafanzeigen und Privatklagen genauso wenig zurückschreckt wie vor Rufmord. Mit der legt sich ein karrierebewusster Jurist eher ungern an. Diese Gefahr kann man umschiffen, wenn man hetzerische Aussagen wie „die Muslime wollen Krieg“ straffrei stellt. Eher moralbetonte Kritiker und Interessenvertreter wie die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich kann man ruhig stellen, wenn man dann doch nach § 188 den Angeklagten auf die Finger klopft. Placebo statt Kampf gegen Rassismus.

Und die Urteile bestätigen vordergründig jene selbst ernannten Kulturbewahrer, die „den Islam“ auf dem Vormarsch sehen, eine neue „Christenverfolgung“ herbeifantasieren und überhaupt den „Multikulti-Fantasien“ die Schuld an allem geben. Nicht umsonst spricht Sabatitsch-Wolff von einem „schwarzen Tag“ für Österreich. Das milde (und absurde) Urteil gegen sie stilisiert sie zur Märtyrerin und bestätigt ihre Verschwörungstheorien, wonach die Sharia von österreichischen Gesetzen längst umgesetzt sei und „mündige Frauen“ verfolgt würden, sobald sie „die Wahrheit“ sagten.

Das bestärkt den Diskurs auf fatale Weise: Sagen darf man alles und man darf sich auch ein bisserl verfolgt vorkommen, wenn man es tut. Das OLG erklärt Hetzer taxfrei zu Helden. Wenn man sich ansieht, was diese Helden in den vergangenen Jahren in dieser Republik alles angerichtet haben, kann einem um das demokratische Gemeinwesen nur angst und bange werden.


Christoph Baumgarten