Der Name des Winkels und Zirkels

Bruderkampf ohne Rücksicht auf die spirituellen Werte

Beispielbild
Francois Stifani
Die Reaktion war verheerend, da sich - unter Einsatz der neuen Informationskanäle im Internet - die kritischen Brüder massiv gegen Stifani organisierten. Dagegen wieder reagierte Stifani mit der beschleunigten Aufnahme von neuen, unbefleckten Brüdern: 6.000 neue Freimauerer pro Jahr war sein Ziel. Aber, und hier schließt sich der Kreis: Mehr Brüder verlangen auch mehr Logen, d.h. mehr Tempel bzw. Immobilien. Das alles kostet viel Geld. Das verlangt wieder bessere Missionierung, verlangt mehr öffentliche Kommunikation und bessere Beziehungen. So schaffte die GLNF sich z.B. für mehr als 2,5 Millionen Euro, auf der feinen Avenue Wagram, nur für den VIP-Empfang, ein Luxusappartment an. Auch wurde eine Reihe von statutenmäßig nicht vorgesehenen Beratungskreisen gebildet (die auch sonst in den meisten Organisationen berüchtigten Küchenkabinette …), die mithilfe hoher Regierungsfunktionäre den Zugang zur Regierung Sarkozy ebnen sollten. Es wurde dazu sogar eine geheime Lobby-Struktur gegründet: die G 20. Zentrale Zielsetzung der Gruppe ist es, die GLNF auch mithilfe der Sarkozyregierung zu der führenden Großloge der politischen Rechten zu machen. Das schockierte die Kritiker erneut gewaltig, weil - laut Statut der GLNF - normalen Brüdern jede politische oder religiöse Diskussion verboten ist.

Das alles diente wohl dem Ziel, mit neuen Stiftungen und Vereinen zu expandieren (so z.B. der Versuch einer Art Loge für muslimische Immigranten zu gründen). Sicherlich auch um die schweren spirituellen Aufgaben des Großmeisters Stifani durch größere Annehmlichkeiten für den Präsidenten Stifani und seiner Clique zu versüßen. Noch schockierender für die bewährten Brüder war es, dass Stifani dafür die bisher tabuisierten „Geheimnisse“ seiner Loge vermarktete. In Mai 2009 erlaubte er z.B. zum ersten Mal die TV-Ausstrahlung einer Sitzung der großen Loge, inklusive der Vorführung des geheimen Zeichens (Die Hand auf der Kehle: Schwur sich eher die Kehle durchtrennen zu lassen, als die Geheimnisse der Loge zu verraten). Gepaart mit einem zunehmend autokratischen Führungsstil führte das zu einem ständigen Anwachsen des Rebellenlagers und zu der radikalen Forderung der Absetzung Stifanis als Großmeister und Präsident.

Das aber war sehr schwierig, weil Stifani schnell auch die Mitglieder der verschiedenen Entscheidungsgremien durch eigene Anhänger ersetzt hatte. So nahm die Zahl der durch Stifani ernannten Mitglieder des „Souveränen Großen Ausschusses“ in einem Jahr von 403 auf 482 zu, indem er 115 Brüder abdanken ließ und 194 neue Brüder ernannte. Und es ist dieser Ausschuss, der die Kandidaten für das Amt des Großmeisters wählt! Als dann am 16. Oktober 2010 die Generalversammlung zur Billigung der Bilanzberichte stattfand, wurde die Manipulation offensichtlich: keine Geheimwahl, unstatthafte Ausschlüsse, fragwürdiges Auszahl- und Quotenverfahren, etc. Trotzdem gewann die Stifani-Fraktion die Wahl nur mit 51 %, was die Opposition veranlasste, eine Klage wegen Ungültigkeit der Generalversammlung vor Gericht einzureichen. Dies ist ein unerhörter Tabubruch der Freimaurersitten, genauso wie die Reaktion der GLNF, welche die FMR (die Gruppierung der Meuterer) prompt auf Schadenersatz in Höhe von 3,5 Millionen verklagte. Angeblich wegen „illoyaler Desorganisationsversuche“. Die Klage der GLNF wurde abgewiesen, während die der meuterenden FMR („die reguläre Freimauerer“) von Dezember 2010 empfangen wurde, sodass die Generalversammlung von Oktober 2010 vorerst ungültig erklärt wurde und eine neue zu organisieren wäre.

In Januar 2011 dankte dann Stifani zusammen mit dem ganzen Verwaltungsrat als Präsident unerwartet ab und verlangte die Einsetzung eines Bevollmächtigten für die laufenden Geschäfte. Erneut freimaurerisch ein sittlicher Tabubruch aber taktisch ein kluger Zug. Die Entscheidung des Gerichtes konnte zwar die organisatorisch juristische Seite der Loge (Verwaltungsrat und Präsident) betreffen, aber nicht ihre spirituelle Flanke (der Große Ausschuss und der Großmeister). Stifani vertritt dabei die These, dass die Abdankung als Präsident nicht die Funktion des Großmeisters berührt, weil das Spirituelle außerhalb der republikanischen Gerichtsbarkeit fällt. Er ist also noch immer der Großmeister. Wichtig ist das deshalb, weil nach den internen Regeln der Loge es der Großmeister und der durch ihn eingesetzte Große Ausschuss sind, welche die personelle Organisationsstruktur der gesamten Großloge bestimmen. Dagegen klagten die Meuterer natürlich erneut. Die Entscheidung über die Gesamtheit des Prozederes musste aber bis Januar 2012 warten.

Soll bald Blut fließen?

In der Zwischenzeit kam es natürlich zu einer Verschärfung des Kampfes der Cliquen. Um nur einige der Auseinandersetzungen zu nennen:

  • Zwei wichtige Logen (l’Union des Loges Régulières Françaises und Maison des maçons réguliers du Rite français) vereinen sich zu einer formalen oppositionellen Struktur innerhalb der GLNF. Zusammen repräsentieren sie 600 von den 1650 Loges der GLNF. In der folgenden Zeit schließen sich ihnen viele andere Logen an.
  • Verschiedene Tempel werden durch die unterschiedlichen Fraktionen besetzt.
  • Brüder, die angeblich ihre Beiträge nicht bezahlt haben, werden von Stifani ausgeschlossen.
  • Während einer feierlichen Tagung der Loge in Dezember 2011 kommt es zu einer Straßendemonstration der Meuterer. 2/3 der Tagungsteilnehmer protestieren mit sehr unflätigen Wörtern und Pfiffen gegen Stifani, sodass er kaum reden kann. Gewalttätige Auseinandersetzungen müssen dabei durch die Gendarmerie verhindert werden und die wenigen ausländischen Delegationen reisten vorfristig ab.
  • Die eingesetzte bevollmächtigte Rechtsanwältin Me. Monique Legrand wird durch die FMR - Brüder als Agentin von Stifani bezeichnet. Es werden ihr illegale finanzielle Geschäfte und insbesondere übertriebene hohe Honorare (166 000 € monatlich) sowie die Untätigkeit bei der Einberufung einer neuen Vollversammlung vorgeworfen. Die FMR verlangt deshalb ihre Entlassung.
  • Me. Legrand zahlt dann in Januar 1,4 Million Euro aus unbekannter Quelle an die GNLF und bekommt die gerichtliche Verlängerung ihres Mandates.
  • Der Generalsekretär des Rates der Weisen der GLNF wirft Stifani sektiererische Abweichungen zugunsten des Geschäftemachens und auf Kosten der Spiritualität vor.

Noch kommt es nicht wie bei Eco zu blutigem Mord, aber die ersten Morddrohungen an die Adresse von Stifani und sogar an seine Kinder existieren bereits und lassen das Schlimmste erwarten. Sein vorläufiges Ende findet der Krimi aber zunächst am 13. Januar d. J., an dem das Gericht endlich entscheidet, dass die Kündigung als Präsident auch die Kündigung als Großmeister bedeutet und die GLNF ihre Vollversammlung wiederholen muss. Leider spricht sich das Gericht nicht aus über die juristische Bedeutung der Versammlungen von Oktober 2010 und Dezember 2009 sowie über die Zusammensetzung der Wahlgremien. Weitere Klagen und Terminverschiebungen sind somit sicher. Umso mehr, da Stifani auf Bitte seines Verwaltungsrates am 17. Januar feierlich die Funktion des Präsidenten wieder aufgenommen hat und das natürlich durch die Opposition nicht anerkannt wird. Kommt es doch noch zu Mord im Namen des Winkels und Zirkels?