Der Name des Winkels und Zirkels

Der internationale Kampf der Großlogen

Mord und Totschlag kommen in den neuesten Politkrimis besonders dann vor, wenn in der Affäre internationale Akteure bzw. Agenten auftreten. Auch in unserem Fall gibt es solche Global Player. Nur Kenner der internationalen Freimaurerszene aber können dies durchschauen. Daher vorerst der Versuch eines sehr gestrafften Ausflugs in die sehr komplexe Geschichte der europäischen Freimaurerei.

Bereits Anfang bzw. Mitte des 18. Jahrhunderts existierten in Europa eine große Reihe Logen, die aber keine gemeinsamen Riten aufwiesen. Erst mit der Gründung der ersten sogenannten Großlogen (1717 die Großloge von England und 1736 die Großloge von Schottland) in Großbritannien gelang es dort, die Logen unter einheitlichen Riten zu vereinen. Ausgehend von England verbreiteten sich die Logen auch in Frankreich und nach verschiedenen Versuchen gründete sich auch hier 1773 eine Großloge: der „Grand Orient de France“. In den Händen des neuen liberalen Bürgertums spielte sie, vor allem in den Reihen der Girondisten (Danton z. B.), eine große Rolle während der Revolution von 1789. Die französische Freimaurerei ist daher anders als ihre englische Partnerin vom Anfang an stark durch die Werte der Französischen Revolution beeinflusst. Das führte dazu, dass die Prinzipien der humanistischen Aufklärung, der sozialen Gerechtigkeit, der laizistischen Republik für sie bestimmend waren. Über die Wechselfälle des napoleonischen Kaiserreiches und der reaktionären Restauration hinaus, konnte die französische Freimauerei sich nachher zwar retten, aber doch mehr oder weniger nur als einen politisch irrelevanten Diskussionsverein. Aus dieser Periode bleibt aber, getragen durch die uralte Rivalität zwischen Frankreich und England, die verschärfte Abneigung gegen alles was von der anderen Seite des Kanals kommt.

Erst mit der III. Republik, am Ende des 19. Jahrhunderts, werden der „Grand Orient“ und seine Logen erneut zu einer gesellschaftsgestaltenden, ja politischen Kraft. Sie besinnt sich wieder auf die Basisprinzipien der Aufklärung und der Französischen Revolution und wirft den „englischen“ Ballast (die sogenannten „Landmarks“ der Großloge von London) über Bord. Stand nach den englischen Vorgaben noch in den alten Satzungen des „Grand Orients“, dass die Freimaurerei auf die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele basiert, wird dieser Passus 1877 gestrichen und der Agnostizismus von Auguste Comte als Philosophie und der Humanismus als praktischer Leitfaden hervorgehoben. Diese Entscheidung ist historisch, weil sie in Abhängigkeit des jeweiligen weltanschaulichen Standpunktes, die französische Freimaurerei entweder an die Spitze oder außerhalb der weltweiten Freimaurerei stellt. Fakt ist, dass diese Strömung der Freimaurerei heute eigentlich nur in Frankreich, in Belgien, in Luxemburg und vielleicht in Italien noch eine relevante Kraft im Kampf gegen die klerikale Vorherrschaft darstellt.

Sie konnte auch nicht verhindern, dass in Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg der britische Einfluss in Frankreich wieder zunimmt. Um diese Zeit werden in Frankreich erneut Logen auf Basis der bibel- und gottesgläubigen Prinzipien der alten Freimaurerei gegründet. Sie gehen vor allem der abstrakten christlichen Spiritualität nach und verbieten gesellschaftspolitische Stellungnahmen. Man nennt sie reguläre Logen und sie vertreten konservativ-christliche Werte. Solche Logen sind u. a. „La Grande Loge de France“ (ein Überbleibsel einer 1894 gegründeten Loge auf Basis der uralten schottischen Riten), die „Loge Nationale Française“ (1913), die „Grande Loge Traditionelle et Symbolique Opéra“ (1985 durch Spaltung aus der Loge Nationale gegründet, weil der englische Einfluss dort zu stark war …), der „Grand Prieuré des Gaules“ (1995 als explizit christlicher Freimaurerverbund gegründet und den Rosenkreuzern nahestehend) und dann natürlich unsere Skandalnudel, die „Grande Loge National Française“ als Einzige durch die Londoner Großlogenmutter anerkannte Großloge.