Der Referent erwähnte auch, dass es im antiken Athen und seinen Kolonialstädten die Möglichkeit gab, durch den Areopag (einem der Staatsräte) bei Angabe plausibler Gründe die Gelegenheit zur schmerzfreien Selbsttötung gewährt zu bekommen. Hierzu wurde dann der „Schierlingsbecher“ ausgehändigt.
In der Bibel wird zweimal von einem Suizid berichtet, ohne dass dies dort negativ kommentiert wurde. Erst Augustinus lehnte den Suizid ab
Der aufgeklärte Monarch Friedrich der Große von Preußen verfügte aber bereits 1752 die Aufhebung der Strafbarkeit des Freitods. Diese Regelung fand 1871 auch Eingang in die gesamtdeutsche Gesetzgebung. Ebenso ist die Beihilfe zum Suizid straffrei, weil nach dem deutschen Rechtssystem die Beihilfe zu einer Tat nie strenger bestraft werden kann als die Tat selbst und folglich die Beihilfe zu straffreiem Handeln grundsätzlich nicht unter Strafe stehen kann.
Erst die Nazis machten 1935 eine Einschränkung, weil sie jeden Selbsttötungsversuch als Unfall einstuften, was eine Hilfeleistungspflicht für Dritte vorschreibt. Nach dem Krieg griffen die Kirchen dieses Nazi-Gesetz nur allzu gern auf, weil auf diese Weise das Leben der Verfügungsgewalt des Betroffenen zumindest teilweise entzogen werden konnte. In den letzten Jahren setzte sich allerdings eine Rechtspraxis durch, wonach einerseits der Wille des urteilsfähigen Suizidenten zu respektieren ist (und eine Hilfeleistungspflicht somit entfällt, wenn sich der Betroffene diese ausdrücklich verbeten hat), andererseits aber auch ein reanimierender Helfer straflos ausgeht, obwohl er den Willen des Betroffenen missachtet. Diese Grauzone erachtet der Referent als unbefriedigend.
Überdies bestehen praktische Schwierigkeiten, geeignete Mittel zur Selbsterlösung zu verschaffen, da es Vereinigungen (mit Ausnahme des Apothekerverbands) verboten ist, Medikamente an Mitglieder weiterzugeben und inzwischen zwar nicht der Besitz, wohl aber die Weitergabe von derartigen Mitteln als strafbar betrachtet werden kann, wenn er als „Handel mit Suizidmitteln“ ausgelegt werden kann.
Gerhard Rampp kam auch auf den Fall einer „Zeugin Jehovas“ zu sprechen, die ein gesundes Kind geboren hatte, aber durch die glaubensbedingte Ablehnung von Bluttransfusionen ihren eigenen Tod herbeiführte. Aus dem Publikum meldete sich obendrein ein junger Mann, der in dieser Sekte aufwuchs und von seiner Mutter ersucht wurde gegebenenfalls ihre Ablehnung dieser Behandlung durchzusetzen. Der Referent ließ es hier an Deutlichkeit nicht fehlen, auch in einem solchen Fall sei das Selbstbestimmungsrecht der mündigen Person zu respektieren. Ob die betreffende Person durch Indoktrination zu einer solchen Überzeugung gelangte - und nie in Ihrem selbstständigen Denken trainiert wurde - sei nicht von Belang.
Genau um diese Freiheit des Individuums gehe es in ethischer Hinsicht: Niemand darf zu einer Sterbehilfe gezwungen werden, aber jeder muss in einer offenen, pluralen Gesellschaft das Recht dazu haben.
Jochen Beck
Nächstes Monatstreffen der Säkularen Humanisten Rhein-Main am
10.05.2012 - 19.00 Uhr - im Restaurant des Saalbau Bornheim (Pilsstube), Arnsburger Straße 24, 60385 Frankfurt/Main. Der nächste Vortrag „Laizismus und Säkularismus in Frankreich und Benelux“ findet am 04.05.2012 im Saalbau Bornheim statt. Interessierte sind jederzeit willkommen. Weiteres unter www.gbs-rheinmain.de