Sterbehilfe in Deutschland

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Gerhard Rampp in Mainz / Fotos: Thorsten Barnickel

MAINZ/FRANKFURT/M (hpd/sh) Am vergangenen Freitag und Samstag hielt Gerhard Rampp, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS), bei den Säkularen Humanisten Rhein-Main und der GBS-Regionalgruppe Mainz/Rheinhessen einen Vortrag zum Thema Sterbehilfe in Deutschland.

Diesmal war der Abend einem heiklen Thema gewidmet, welches früher oder später jeden betreffen kann, mit dem rechtzeitig sich zu befassen aber nicht jedermanns Sache ist. Der 61-jährige Gymnasiallehrer (u.a. für Ethik) Gerhard Rampp hat die DGHS mit aufgebaut und war auch jahrzehntelang Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit in Augsburg, mit 1.050 Mitgliedern eine der größten lokalen Vereinigungen säkularer Humanisten in Deutschland.

Gerhard Rampp stellte die Sterbehilfe-Thematik nach der Abtreibung als die meistdiskutierte gesellschaftspolitische Streitfrage der letzten vier Jahrzehnte vor. Gerade bei einem so heiklen Thema kommt es darauf an, mit präzisen Begriffen zu beschreiben, was gemeint ist. In der klerikal geprägten öffentlichen Diskussion wird oft der Eindruck erweckt, als existiere bei der Sterbehilfe nur die Alternative zwischen der unumstrittenen Sterbebegleitung und der durchaus kontrovers diskutierten Tötung auf Verlangen. Diese wiederum wird gern mit der Beihilfe zum Freitod zu dem missverständlichen Begriff „aktive Sterbehilfe“ zusammengefasst.

Eine kurze Definition ist deshalb mehr als nötig:

a) Sterbebegleitung (oder Sterbebeistand)
ist die seelische Zuwendung und persönliche anteilnehmende Begleitung eines Sterbenden im direkten Sterbeprozess durch eine bestimmte Bezugsperson.

b) Passive Sterbehilfe
ist das Unterlassen lebensunterstützender Maßnahmen im Sterbeprozess. Dazu zählt auch der Abbruch solcher Maßnahmen (z.B. Abstellen einer Herz-Lungen-Maschine), so dass hier letztlich von einem „natürlichen Sterben“ oder „Behandlungsabbruch“ gesprochen werden kann.

c) Indirekte Sterbehilfe
ist die ungewollte Inkaufnahme eines beschleunigten Todes infolge der Verabreichung schmerzstillender Medikamente, die einen geschwächten Organismus zusätzlich belasten. (Eine Unterscheidung zwischen „gewollter“ und „ungewollter“ Beschleunigung des Todeszeitpunktes ist allerdings in der Praxis kaum möglich.)

d) Freitod
ist eine Selbsttötung, die eine Konsequenz längerfristiger, wohlüberlegter Abwägung darstellt. Er stellt z.B. bei einer tödlichen Erkrankung, deren Ende sich langwierig und qualvoll gestaltet, als Abkürzung des Sterbeprozesses eine Variante der Sterbehilfe dar.

e) Beihilfe zum Freitod
ist die Besorgung von Hilfsmitteln zum Freitod für geschäftsfähige Personen, ohne dass der Helfer auf die Durchführung Einfluss nimmt. Die Tatherrschaft bleibt beim Betroffenen.

f) Tötung auf Verlangen (oder populärwissenschaftlich: aktive Sterbehilfe)
liegt vor, wenn der Helfer bei der unmittelbaren Lebensbeendigung eingreift. In Deutschland wird sie nur unter der (extrem seltenen) Bedingung diskutiert, dass der Freitodwillige seinen Tod eindeutig und zurechnungsfähig wünscht, physisch aber zum Freitod nicht (mehr) in der Lage ist („Freitod von fremder Hand“).
 

Allen Formen der Sterbehilfe ist gemeinsam, dass sie ausschließlich von der Selbstbestimmung des Betroffenen ausgehen und das Prinzip der Freiwilligkeit auch für potentielle Helfer gilt.

Die Rechtsgrundlage für die passive Sterbehilfe bietet der § 226a StGB. Danach ist jede Heilbehandlung Körperverletzung, wenn nicht der Patient seine Einwilligung gegeben hat. Bei Äußerungsunfähigkeit (Bewusstlosigkeit) muss der Arzt vom mutmaßlichen Willen des Patienten ausgehen. Ist dieser nicht bekannt, darf er analog zur „Geschäftsführung ohne Auftrag“ nach eigenem Ermessen entscheiden.

Wenn der Patient die Selbstbestimmtheit seines Ablebens bzw. seine eigene Vorstellung von einem Sterben in Würde, gegen das Ermessen von Angehörigen und Ärzten absichern möchte, sollte er rechtzeitig vor Eintreten des Ernstfalls eine „Verfügung an Ärzte“ (Patientenverfügung) abfassen, die den Ärzten bei Eintritt des Sterbeprozesses, ggf. aber auch schon früher, lebensverlängernde Eingriffe untersagt und die Beschränkung auf schmerzstillende („palliative“) Maßnahmen gebietet.

Nach deutschem Recht ist nur die „Tötung auf Verlangen“ strafbar (§ 216 StGB). Eine solche Regelung erscheint für den Normalfall begründet, denn wenn eine Person ihre Tötung verlangt, obwohl sie die Möglichkeit hat den Freitod zu realisieren, kann bezweifelt werden, dass ein echter Wunsch zu sterben vorhanden ist. Der Suizidwillige sollte schon durch seine Bereitschaft selbst den entscheidenden Schritt zu tun, die zweifelsfreie Authentizität seines Entschlusses unter Beweis stellen. Nur im seltenen Fall, dass die zurechnungsfähige sterbewillige Person zu einem Freitod physisch nicht mehr in der Lage ist, sollte die Straffreiheit gegeben sein, weil man dann von einem „Freitod von fremder Hand“ sprechen kann. In den letzten Jahren haben Gerichte in einzelnen Grenzfällen bereits von einer Bestrafung abgesehen. – Streng von der Tötung auf Verlangen sind allerdings jene spektakulären Skandale zu trennen, in denen Kranken- oder Altenpfleger(innen) nach eigenem Gutdünken aus angeblicher Barmherzigkeit alte Menschen umbrachten. In all diesen Fällen handelte es sich um Tötung ohne Verlangen der Betroffenen, was mit Recht als Totschlag oder u.U. sogar als Mord geahndet wurde und wird.