RESPEKT!

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Foto: Peter J. Obenaus

TRIER. (hpd) Wo angesichts der Aussprüche real existierender Politiker, „Künstler“, Religionsführer oder sonstiger prominenter Dummbeutel Kabarettisten überflüssig zu werden drohen, macht der Kölner Wolfgang Nitschke aus der Not eine Tugend. In der Tuchfabrik Trier präsentierte er sein aktuelles Soloprogramm „Respekt“, in dessen Zentrum realsatirische Ergüsse seiner Zeitgenossen stehen, die er durch geschickte Auswahl, gewürzt mit eigenen Kommentaren, der verdienten Lächerlichkeit preisgibt.

Nitschke begann mit einer Lesung aus dem „Parlamentarischen Schimpfbuch“ des CDU-Politikers und ehemaligen Leitenden Redakteurs der Wochenzeitung „Das Parlament“, Günter Pursch. Pursch wollte, so Nitschke, auch mal was Humorvolles machen und stellte nach Auswertung von 240 000 Seiten Plenarprotokollen des Deutschen Bundestages in mehreren Büchern die „schönsten“ Beleidigungen, Ausfälle und Unflätigkeiten aus den Debatten mehrerer Jahrzehnte zusammen. Nitschke präsentierte ausgewählte Blüten in alphabetischer Reihenfolge.

Anschließend stellte er ein weiteres historisches Werk vor, die letzte vor der Konzernpleite erschienene Ausgabe des Quellekatalogs der verarmten Frau Schickedanz mit ihrem auf 27 Mio. Euro zusammengeschrumpften Vermögen. Dabei konzentrierte sich Nitschke auf Frauen als Zielgruppe, fand im Katalog vier Seiten mit  „58 Dildos in allen möglichen Formen und Farben“, daran anschließend 26 Seiten „Traumküchen“.

Es war ein Abend, der mehrere Lesungen ersetzte. Nitschke las aus dem Buch „Feuchtgebiete“ der Fäkalerotikerin Charlotte Roche ebenso wie aus Nina Hagens Machwerk „Bekenntnisse“, in dem Frau Hagen der Welt ihre Hinwendung zum Christentum erläutert. Nach Erscheinen dieses Buches hätte das Wort „Liebe“ eigentlich gute Chancen haben müssen, zum Unwort des Jahres gewählt zu werden. Mit UFOs möchte sie aber nichts mehr zu tun haben, da diese nach ihren neuen Erkenntnissen doch eher von Dämonen als von Aliens gesteuert werden. Immerhin wächst zusammen, was zusammengehört: Nina Hagen hat Papst Benedikt einen Brief geschrieben, nachdem sie festgestellt hat, dass beide auf derselben Wellenlänge liegen.

Überhaupt bekamen die Religionen bei Nitschke ordentlich ihr Fett weg, wobei er nur den Katalysator spielt, da auch hier die Aussagen für sich sprechen. Besonders das Christentum hatte er im Visier, ließ mit Genuss ausführlich Martin Luther zu Wort kommen mit Verbalinjurien gegen die Katholische Kirche, die ihm heute mehr als einen Prozess einbringen würden.

Doch auch der Islam kam nicht zu kurz, Nitschkes Koranlesung gehört zu seinen stärksten Nummern. Bei den zitierten, von Frauenfeindlichkeit und Brutalität triefenden Versen kann einem das Lachen aber dann doch mal im Halse stecken bleiben. Vor Betreten der Bühne nach der Pause hatte er schon passend Yusuf Islams alias Cat Stevens' Kinderschnulze „I am a Muslim“ eingespielt.

Sekten und esoterische Moden blieben ebenso wenig verschont wie die großen Religionsgemeinschaften. Besonders amüsant war die Entlarvung der sogenannten „Bachblüten-Therapie“, bei der de facto reines Wasser als Heilmittel aller nur möglichen Krankheiten dienen soll. Die Gewinnspanne der „Bachblütenfabrikanten“ ist enorm. Angesichts der lukrativen esoterischen „Heilverfahren“ musste Nitschke ausnahmsweise sogar Kardinal Meisner Recht geben: Beten sei billiger.

Mehrfach würzte Nitschke das Programm mit Lesungen aus seinem Tagebuch, bissige Kommentare zu Tagesereignissen der letzten 15 Monate. Er zitierte unter anderem seinen Eintrag vom 5.4.12, wo er zu Günter Grass anmerkte: „Pünktlich zum christlichen Osterfest ist unser Nobellangweiler mit 'letzter Tinte' endlich zu Hause angekommen und hat seiner Waffen-SS noch mal ein Liebesgedicht geschrieben.
Wenn das der Führer noch hätte erleben dürfen!“

Nicht alle Kalauer Nitschkes sind von gleich guter Qualität, manchmal geht’s auch unter die Gürtellinie. So, wenn er in seinem Tagebuch eine Zeitungsmeldung erwähnt, nach der der Dalai Lama einen Regenwurm gerettet hat, indem er in letzter Sekunde vor ihm Halt machte. Westerwelle, Gabriel oder Schäuble hätten ihn sicher eiskalt totgetreten. Nein, so Nitschke dann: Schäuble sicher nicht!

Leider trat er in Trier vor nur 25 Leuten auf, was wohl auch dem zeitgleich ausgetragenen DFB-Pokalfinale geschuldet war. Einer der humorvollsten und im besten Sinne des Wortes tabulosesten Kabarettisten in Deutschland hätte auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit verdient.

Klaus Blees

Der Autor ist Mitarbeiter im Kompetenzzentrum Islamismus der Aktion 3.Welt Saar.

Auf Nitschkes Website sind unter anderem auch seine Tagebucheintragungen zu finden.

Seine nächsten Auftritte mit dem Programm „Respekt“: 20., 21. und 22.6.12 in Köln, Comedia.