Elend der Kritik am (Neo-)Faschismus?

(hpd) Der frühere Bremer Professor Freerk Huisken behauptet, dass Rassismus und Rechtsextremismus letztendlich die Konsequenz aus bürgerlichen Demokratievorstellungen seien. Das Buch steht in der Tradition des Dogmatismus der „Marxistischen Gruppe“ und setzt demokratische und extremistische Positionen bei Ignoranz von deren unterschiedlichen normativen Grundlagen miteinander gleich.

Der bekannte Satz von Bertolt Brecht „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ aus „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ ist zum geflügelten Wort geworden. Damit warnt man in der Regel vor der fortwährenden Gefahr einer neuen Rechtsdiktatur, bestünden doch weiterhin Einstellungen und Organisationen in diesem Sinne auch in einer demokratischen Gesellschaft fort. Der Buchtitel „Der demokratische Schoß ist fruchtbar“ greift das Brecht-Wort auf, macht aber dabei die bestehende Demokratie selbst und nicht nur gesellschaftliche Teilbereiche für die Fortexistenz des Faschismus verantwortlich. Denn, so der Autor Freerk Huisken, bereits in seinem Vorwort: „Die demokratische Form der Verwaltung einer kapitalistisch verfassten und weltweit erfolgreichen Ökonomie bringt regelmäßig (neue) Faschismen hervor“ (S. 10). Diese Auffassung des früheren Professors für die Politische Ökonomie des Ausbildungssektors an der Universität Bremen wird in dem Werk mit dem Untertitel „Das Elend der Kritik am (Neo-) Faschismus“ näher entwickelt.

Am Beginn steht ein Test mit Zitaten, welche in der Aufgabenformulierung den Bundestagsparteien ebenso wie rechtsextremistischen Parteien der Gegenwart und Vergangenheit zugeordnet werden sollen. Am Ende stellt sich aber heraus, dass alle Sätze von der NPD oder der NSDAP stammen. Huisken leitet daraus eine „inhaltliche Deckungsgleichheit zwischen demokratischer und neofaschistischer Programmatik“ (S. 16) ab. Diese nehme weder der „bürgerlich-demokratische Antifaschismus“ noch der „linke Antifaschismus“ wahr. Somit scheiterten auch beide daran, die Ursachen des Faschismus zu erkennen: „Weder können sie das politische System des (Neo-) Faschismus auf seinen Begriff bringen, d.h. einen Zusammenhang zwischen seinen theoretischen Urteilen und praktischen politischen Maßnahmen schlüssig herstellen, noch können sie ergründen, wo seine Quellen liegen, worin der demokratisch regierte Kapitalismus sein Nährboden ist und was zu unternehmen wäre, damit sein Gedankensystem keine weiteren Anhänger findet“ (S. 30).

Diese zentrale These zieht sich wie ein „roter Faden“ durch das ganze Buch. So sieht Huisken den Ausgangspunkt für den extremistischen Nationalismus bereits im demokratischen Patriotismus angelegt. Beide Positionen beschwören aus seiner Sicht in gleicher Weise das Gemeinwesen und wiesen daher nur marginale Unterschiede auf. Eingeleitet wird das entsprechende Kapitel mit einer vergleichenden Betrachtung von Adolf Hitler und John F. Kennedy. Denn: „Der demokratische (Volks-) Nationalismus, diese Produktivkraft erfolgreicher Demokratien, ist der ‚Sumpf’, in welchem die faschistische Gesinnung gedeiht“ (S. 62). Und so geht es weiter in der Darstellung bezogen auf die unterschiedlichsten Themenfelder, wobei auch die „linke Antifa“ als blind gegenüber den genannten Rahmenbedingungen kritisiert wird. Sie fühlten sich „als die wahren Sachwalter des antifaschistischen Vermächtnisses dieser Republik“, seien aber nur „die Sachwalter eines idealistischen Missverständnisses des ‚deutschen Vermächtnisses’“ (S. 142).

Dies alles wird in einem dogmatischen und rigiden Tonfall formuliert. Ausgewogenheit und Differenzierung sind nicht die Sache des Autors. Sein Buch darf mehr als ideologisches denn sachliches Werk gelten. Unverkennbar argumentiert Huisken in Form und Inhalt im Sinne der „Marxistischen Gruppe“, die sich zugunsten der „Gegenstandpunkt“-Gruppe aufgelöst hatte. Ihr elitärer Zynismus, der auch ständig die anderen Linken entlarven muss, zieht sich auch durch den Text dieses Buchs.

Zwar verweist der Autor auf reale Kontexte: So kann aus dem Appell an den Gemeinsinn durchaus Nationalismus und aus der Unterscheidung von In- und Ausländern sehr wohl Rassismus folgen. Nur ignoriert das Postulat einer kausalen Wirkung im Sinne eine „geraden Linie“ die unterschiedlichen normativen Ausgangssituationen. Die einschlägige Fachliteratur zum Thema, etwa hier Ernst Fraenkels klassische Unterscheidung von Gemeinwohlvorstellungen, nimmt Huisken gar nicht zur Kenntnis. Vielleicht hätte er dann auch seine oberflächlichen Gleichsetzungen hinterfragen müssen.

Armin Pfahl-Traughber

 

Freerk Husiken, Der demokratische Schoß ist fruchtbar ... Das Elend der Kritik am (Neo-) Faschismus, Hamburg 2012 (VSA-Verlag), 229 S., 14,80 €.