Vom Umgang mit Weltanschauungen

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Werbung der Regionalgruppe / Fotos: GBS Rhein-Neckar und Reza

MANNHEIM. (hpd/gbs-rn) Anmerkungen zum Thema Säkulare und Katholikentag sowie Evangelikale und Islam in der Öffentlichkeit. Das Zusammenspiel von Oberbürgermeister und Stadtdekan, die nicht nur gemeinsam ins Bett gingen. Alle Menschen sind gleich, aber einige sind gleicher…

In Mannheim gibt es für Plakatveröffentlichungen eine zentrale Verwaltungsstelle: die Mannheimer Stadtreklame GmbH. Diese hat die Aufgabe Plakat-Entwürfe zu prüfen, zu gestatten oder abzulehnen. Sie ist auch für die Vermietung sowie das Aufkleben der Plakate zuständig. „Illegal“ aufgehängte Plakate, an Zäunen, Straßenlaternen oder Bäumen etwa, werden in Mannheim mit Geldbußen geahndet.

Der Plakat-Entwurf der Säkularen Humanisten, zur Ankündigung der „Religionsfreien Zone“, einer Alternativ-Veranstaltung zum Katholikentag, wurde abgelehnt. Begründung der Mannheimer Stadtreklame: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass eine Plakatierung auf den Plakatträgern nicht gestattet werden kann, da es bei diesem Entwurf  nicht um Werbung für eine Veranstaltung geht.“  Auf diesen Hinweis hin änderten die Säkularen ihren Plakat-Entwurf – dieser wurde genehmigt.

Plakat vor der Zensur (oben links), Plakat nach der Zensur (rechts), Werbung Katholikentag (unten).

Direkt nach Beendigung besagter Plakat-Kampagne, Anfang Mai, startete die religiöse Werbe-Großoffensive zum Katholikentag. Der Betrachter musste verwundert feststellen, dass die Katholiken genau die, eigentlich verbotene Form der „Sammelwerbung“, gewählt hatten: „Katholikentag – 16. bis 20. Mai 2012“ stand auf den Postern. Natürlich fragten die Säkularen nochmal bei der Stadtreklame nach und erhielten nun eine neu konstruierte Begründung: „Bei dem Plakat des Katholikentags ging es um eine Großveranstaltung für einen mehrtägigen Zeitraum in Mannheim.“ Auf einmal war die Veranstaltung der Säkularen nicht groß genug und für Großveranstaltungen galten also andere Maßstäbe.

Die Werbung des Katholikentags klebte nicht nur auf Metallständern, so wie sie auf dem Foto zu sehen ist. Zusätzlich waren in Mannheim riesige rote Rucksäcke aus Plastik (ein roter Rucksack stellte das Logo des Katholikentags dar)  aufgestellt worden. Werbung gab es auch auf Bussen, roten Fahnen und anderen Werbeträgern.

Man erinnere sich noch, welchen gesellschaftlichen und medialen Aufruhr die atheistische Buskampagne im Jahr 2009 erzeugt hatte.

Die Mannheimer Stadtverwaltung trat beim Katholikentag als Handlanger der Kirche auf. Nicht-Religiöse Infostände wurden im Mannheimer Zentrum während des Katholikentags nicht gestattet. Die GBS-Regionalgruppe kämpfte mit Hilfe eines Rechtsanwalts ca. ein halbes Jahr um die Genehmigung eines Infostands. Schließlich musste sich die Stadtverwaltung geschlagen geben und willigte ein. Einen Infostand mit Pavillonzelt, wie man diese häufig an Samstagen in der Innenstadt sieht, wurde jedoch nicht gestattet. Es hieß: „Pavillons bzw. Zelte werden von uns grundsätzlich nicht genehmigt.“

Fußgängerzone Mannheim im September 2011 (links) und Mai 2012 (rechts).

Das Großereignis des Mannheimer Katholikentags zeigte einmal mehr ganz deutlich, wie eng Politiker, Stadtverwaltung und Kirche zusammenarbeiten.

Diese Verquickung von Stadt (Staat) und Kirche zeigten Oberbürgermeister Dr. Kurz und Stadtdekan Karl Jung sehr eindrücklich, als die beiden im Februar 2012 gemeinsam beim Faschingsumzug erschienen, verkleidet, mit vertauschten Rollen, als Don Camillo und Peppone. Und nochmal im März, als sie für die Betten-Such-Aktion für die Katholikentags-Besucher (Slogan: „Ein Bett wäre nett“) zusammen in „die Kiste sprangen“. Eine perfekte Symbolik für das deutsche Verhältnis von Staat und Kirche.

Weltanschauliche Werbung ist – zumindest solange es um religiöse Weltanschauungen geht – für die Mannheimer scheinbar kein Problem. So konnte während der letzten Jahre die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG) bereits zwei islamische Werbekampagnen starten. Mit Koran-Plattitüden wurde für die „Religion des Friedens“ auf Litfaßsäulen und Werbegroßflächen missioniert.

Auch Evangelikale können ungehindert werben. Ihre Drohbotschaften – wer nicht glaubt wird gerichtet (sprich: Folterhölle) – gehen dem Mannheimer, so wie vieles, als bunte Multikulti-Vielfalt durch. Kritische Stimmen hierzu werden in der kirchennahen Regionalpresse (Mannheimer Morgen) nicht publiziert.

Auch staatliche und öffentliche Einrichtungen kooperieren mit evangelikalen Gruppierungen. So treffen sich Adventisten zur jährlichen Missions-Konferenz in der staatlichen Schule „Integrierte Gesamtschule Mannheim-Herzogenried“ (kurz: IGMH). Fundamentalistische Prediger können in der Turnhalle des Sportverein TSV 1846 sonntags offen gegen Gottlosigkeit hetzen und Kindern mit Höllenstrafen drohen – während sich die anders- oder ungläubigen Vereinsmitglieder im direkt darunter gelegenen Fitness-Studio diese Verunglimpfungen gefallen lassen sollen.

Die Mannheimer rühmen sich gerne mit ihrer ach so linken, aufklärerisch-liberalen und progressiven Tradition. Bekannt ist die Legende vom „roten Mannheim“. Historische Ausstellungen der Reiss-Engelhorn-Museen werden aber im „roten Mannheim“ ganz unaufklärerisch-klerikal in Form von Gottesdiensten eröffnet, wie der Eröffnungsgottesdienst zur Staufer-Ausstellung sowie der Eröffnungsgottesdienst zur Ausstellung über Benedikt von Nursia.

Und mit ihrer Kirchenaustrittsverhinderungsgebühr in Höhe von 50 Euro erreicht die Stadt Mannheim, im bundesweiten Vergleich, Spitzenposition.

Peter Schmied