Die systematische Verfolgung der Bahai im Iran

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Geschändeter Bahai-Friedhof in Yazd, Iran
Geschändeter Bahai-Friedhof in Yazd, Iran

Der Rat der Europäischen Union setzte im April 2025 mehrere iranische Amtsträger und Institutionen auf die Sanktionsliste. Hintergrund sind schwere Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Verhaftungen, mit denen die iranische Justiz systematisch zur Unterdrückung eingesetzt wird. Die gesetzlich verankerte staatliche Verfolgung der Bahai im Iran stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.

Die EU sanktionierte Richter in Teheran und Schiras sowie das Zentralgefängnis Schiras und die Gefängnisbehörde der Provinz Fars. Diese Akteure sind unter anderem zentral an der Verfolgung der Bahai beteiligt. Sie verhängten willkürliche Haftstrafen, führten Verfahren ohne Beweise und waren in den frühen Jahren der Revolution an Hinrichtungen beteiligt. Zahlreiche Bahai wurden einzig wegen ihres Glaubens verurteilt, ihre religiöse Identität sollte ausgelöscht werden. Ungerechte Urteile sind dabei keine Ausnahme, sondern seit Jahrzehnten Teil eines systematischen Missbrauchs der Justiz, der den Bahai das Leben als gleichberechtigte Bürger verwehrt.

Die Verurteilung durch die EU verdeutlicht, dass es sich im Iran längst nicht um eine unabhängige Rechtsprechung handelt, sondern um eine politisch gesteuerte, totalitär-islamistische Justiz. Ihre Richter fällen Urteile im Dienst eines ideologischen Systems und machen sich so selbst zu Trägern und Vollstreckern institutionalisierter Unterdrückung einer totalitären Diktatur.

Historische Entwicklung der Verfolgung

Seit ihrer Entstehung Mitte des 19. Jahrhunderts sehen sich die Bahai im Iran einer kontinuierlichen Verfolgung ausgesetzt, zunächst unter den Qadscharen, später während der Pahlavi-Dynastie und seither in der Islamischen Republik. Bereits 1955 bezeichnete Ayatollah Borudscherdi die Bahai-Religion als Antithese zum schiitischen Islam. Schon in der Schahzeit blieb den Bahai der Aufstieg versperrt: Als Lehrende oder Beamte durften sie nur bis zu einer bestimmten Stufe gelangen. Ein schriftliches Bekenntnis zum Islam wurde von ihnen verlangt, wenn sie Karriere machen wollten, das nur selten abgelegt wurde und vom Klerus mit massivem Druck eingefordert war.

Seit der "Islamischen Revolution" vollzieht sich die Verfolgung in zunehmend systematischer Form. Offiziell nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt, sind die Bahai seit 1979 von elementaren Rechten ausgeschlossen: Sie haben keinen Zugang zu höheren Bildungsinstitutionen, ihr Eigentum wird beschlagnahmt, und Gemeindestrukturen wurden konsequent zerstört.

Konkrete Beweise für die staatlich gelenkte Verfolgung legte 1991 ein geheimes Memorandum des Obersten Revolutionskulturrats offen. Das als "vertraulich" eingestufte Dokument war auf Anweisung von Revolutionsführer Ali Khamenei und Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani erstellt und von beiden abgesegnet und von Seyyed Mohammad Golpaygani unterzeichnet worden. Das Memorandum hält unmissverständlich fest, die Bahai im Iran seien so zu behandeln, dass ihr Fortschritt und ihre Entwicklung blockiert werden. Ziel der Vorgaben ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Bahai-Gemeinschaft im Iran schrittweise und stillschweigend ausgelöscht wird.

Im Unterschied zum Islam, der Mohammed als 'Siegel der Propheten' versteht, beruht der Glaube der Bahai auf der Vorstellung einer fortschreitenden Gottesoffenbarung. Während die schiitische Orthodoxie dem Klerus bis zur Wiederkunft des verborgenen Imams eine zentrale Herrschaftsrolle zuschreibt, haben die Bahai das Priestertum in ihrer Gemeinschaft abgeschafft. Sie lehnen jede Form religiös begründeter Gewalt und des bewaffneten Kampfs ab und weisen den Jihad zurück. Die Bahai hegen keine machtpolitischen Ambitionen, sie verpflichten sich zur Gewaltlosigkeit und treten stets als Bürger auf, im wahrsten Sinne Citizens, Weltbürger und nicht als Vertreter einer Staatspartei, die Machtpolitik betreibt; gerade darin liegt ihre ausdrückliche Unabhängigkeit von parteipolitischen Bindungen. Sie befürworten zugleich einen Weltbundesstaat mit globaler Judikative, Exekutive und Legislative.

Die Bahai-Ethik versteht sich als Beitrag zur Herausbildung einer globalen Menschheit. Sie gründet auf Prinzipien wie Barmherzigkeit, Nächstenliebe und Gerechtigkeit und betont die Gleichheit aller Menschen, unabhängig von Ethnie und Geschlecht. Besonderes Gewicht legen die Bahai auf die Bildung von Mädchen: Kann eine Familie nicht allen Kindern Schulbildung ermöglichen, soll im Zweifel die Tochter Vorrang haben, ein markanter Unterschied zum Islam.

Im Zuge der Bewegung "Frau, Leben, Freiheit" rückt im Iran die Erinnerung an eine Frau ins Bewusstsein, die religiöse wie gesellschaftliche Grenzen sprengte: Tahereh, herausragende Gestalt der Babi-Bewegung, einer Vorläuferströmung des Bahaitums. Im Sommer 1848 legte sie vor den versammelten Männern auf einer Konferenz den Schleier ab, ein Tabubruch, der islamisches Dogma wie patriarchale Konventionen gleichermaßen infrage stellte. Tahereh wurde zur Ikone eines frühen Frauenprotests. Wie viele Angehörige der Babi-Bewegung fiel auch Tahereh der Verfolgung durch Staat und Klerus zum Opfer. Überliefert sind ihre letzten Worte: "Ihr könnt mich töten, wann ihr wollt, doch ihr könnt den Fortschritt der Frauen nicht aufhalten."

Die Schleierabnahme war mehr als ein persönlicher Akt. Sie wurde zum Fanal einer neuen Bewegung, deren Strahlkraft bis in die Gegenwart reicht.

In der Islamischen Republik Iran gilt die bewusste Entschleierung als Straftat: Sie wird mit Geld- und Berufsverboten, bis hin zu Peitschenhieben und Gefängnisstrafen geahndet. In der Praxis setzt das Regime die Vorschriften mit Sittenpolizei, Gewalt und sozialer Ausgrenzung durch.

Systematische Unterdrückung der Religionsfreiheit im Iran

Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte garantiert jedem Menschen die Freiheit des Denkens, des Gewissens und der Religion, einschließlich des Rechts, seinen Glauben zu wählen, zu wechseln und öffentlich zu bekunden. Gerade dieses Grundrecht wird in der Islamischen Republik Iran systematisch unterdrückt. Wer sich vom staatlich vorgeschriebenen ideologischen Bekenntnis entfernt, riskiert Gefängnis oder gar sein Leben.

Die Bahai werden systematisch entmenschlicht und als Spione diffamiert. Der Vorwurf dient der gezielten Dämonisierung und schafft die Grundlage für Hass-Kampagnen, mit denen das Regime seine Gewalt rechtfertigt.

Bahai-Ärzte verlieren ihre Anstellungen, Apotheken werden geschlossen, sobald sie Bahai gehören. Der islamistische Hass macht selbst vor den Toten nicht halt: Friedhöfe werden verwüstet, Grabsteine geraubt, Bäume und Pflanzen herausgerissen. Das Blut der Bahai gilt als halal, ihre Ermordung wird als Bewahrung islamischer Werte verklärt. Während die Bahai unter widrigsten Umständen versuchen, ihre Gemeinden zu erhalten, gewährt die Justiz faktische Straffreiheit: Wer einen Bahai tötet, muss nicht mit Verurteilung rechnen. Gerichte sehen von Strafen ab, als handle es sich um kein Verbrechen.

Mehrere Angehörige der Bahai-Gemeinschaft im Iran erhielten in den vergangenen Tagen SMS-Benachrichtigungen über die Beschlagnahmung ihres rechtmäßigen Eigentums, ohne vorheriges Gerichtsverfahren. Betroffen sind Wohnhäuser, landwirtschaftliche Betriebe, Fahrzeuge sowie Bankguthaben, die nach Angaben von Betroffenen vernichtet oder eingezogen wurden oder noch werden sollen.

Der aktuelle Bericht der Bahai International Community dokumentiert erneut gravierende Menschenrechtsverletzungen gegen Angehörige der Bahai im Iran. In der Provinz Fars befindet sich der Komponist und Musiklehrer Arman Nik-Aien seit dem 23. Juni in Haft. Er wurde im Haus von Freunden in Schiras von Revolutionsgardisten verhaftet, die zugleich das Haus durchsuchten und persönliche Gegenstände beschlagnahmten. Bis heute, mehr als sechs Wochen später, ist sein Aufenthaltsort unbekannt, Kontakt zu Familie und Anwälten wird ihm verweigert.

Ebenfalls in Schiras wurde im Juli Armaghan Yazdani verhaftet. Sicherheitskräfte stoppten sie zusammen mit ihrer Mutter und Schwester vor dem eigenen Haus und durchsuchten die Wohnung. Dabei beschlagnahmten die Beamten Ausweise, Laptops, Telefone und Bücher. Yazdani, die kurz vor ihrer Hochzeit stand, befindet sich seither in Einzelhaft.

Ein weiterer Fall betrifft Ardeshir Fanaian aus Semnan. Nach sechs Jahren Gefängnis wurde er am 19. März entlassen, nur um wenige Wochen später in die Wüstenstadt Khash (Sistan-Baluchestan) verbannt zu werden, gemeinsam mit seiner Frau und dem zweijährigen Kind. Fanaian wurde bereits mehrfach verhaftet, er kam 1988 sogar im Gefängnis zur Welt, während seine Mutter inhaftiert war. Nun zwingt ihn die Justiz erneut, fern seiner Heimatstadt unter prekären Bedingungen zu leben.

Auch in Qaemshahr (Provinz Mazandaran) und in Shahin Shahr (Isfahan) kam es zu gezielten Razzien. Sicherheitskräfte drangen in Wohnungen und Werkstätten mehrerer Bahai-Familien ein, beschlagnahmten elektronische Geräte und Bücher. Einer Familie wurde sogar angedroht, dass sie mit weiteren Repressionen zu rechnen habe, falls sie den Kontakt zur im Ausland lebenden Tochter nicht abbricht. Dies zeigt, wie unerbittlich selbst Exilanten ins Fadenkreuz der totalitären Geheimdienste geraten können. Lediglich einige Beispiele sollten hier exemplarisch genannt werden.

Analyse nach dem Römischen Statut

Angesichts der systematischen Verfolgung der Bahai erfüllt die staatliche Politik der islamistischen Diktatur nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs die Merkmale eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Sinne von Artikel 7 Absatz 1h. Danach gilt als Verfolgung die vorsätzliche und schwere Entziehung grundlegender Rechte gegen eine identifizierbare Gruppe aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, sowie aus geschlechtsspezifischen Gründen. Im Sinne von Artikel 7 Absatz 1i des Römischen Statuts, wonach das zwangsweise Verschwindenlassen von Personen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gilt, sowie von Artikel 7 Absatz 1k, der die unmenschliche Behandlung erfasst, durch die einer Gruppe vorsätzlich großes Leiden oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit sowie der geistigen oder körperlichen Gesundheit zugefügt wird, erfüllt die Verfolgung der Bahai die Kriterien internationaler Strafbarkeit.

Artikel 6 (Völkermord) ist einschlägig, sofern die für den Tatbestand konstitutive Vernichtungsabsicht gegenüber einer religiösen Gruppe nachweisbar ist. Der Straftatbestand ist namentlich dann erfüllt, wenn eine oder mehrere der folgenden Handlungen begangen werden: (a) Tötung von Gruppenmitgliedern; (b) Verursachung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden; (c) vorsätzliches Auferlegen von Lebensbedingungen, die auf die physische Zerstörung der Gruppe ganz oder teilweise gerichtet sind.

Seit der Islamischen Revolution von 1979 zählt die Bahai-Gemeinschaft zu den am härtesten verfolgten religiösen Minderheiten im Iran. Mehr als 200 ihrer Angehörigen wurden in den ersten Jahren nach der Machtübernahme hingerichtet, häufig nach Scheinprozessen und unter Vorwürfen, die einzig auf ihrem Glauben beruhten. Tausende weitere Bahai gerieten in Haft, wurden misshandelt oder durch Berufs- und Studienverbote systematisch aus dem öffentlichen Leben gedrängt. Die Verfolgung hat sich von den massenhaften Hinrichtungen der 1980er Jahre zu einer Politik permanenter Verfolgung verlagert, die alle Lebensbereiche der Gemeinschaft durchzieht.

Die Verfolgung der Bahai erfüllt den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und weist Elemente des Völkermords auf, die bereits im Prozess und nicht erst mit der Vollendung gegeben sind. Historisch reicht sie zurück bis ins 19. Jahrhundert, als rund 20.000 Babi ermordet oder durch Belagerungen dem Hungertod preisgegeben wurden. Die Babi-Bewegung wurde im Keim erstickt. Seit der Gründung der Babi- und Bahai-Religion zieht sich die Verfolgung durch die iranische Geschichte und hat sich in der Islamischen Republik systematisch verschärft.

Damit steht ihre Verfolgung in eklatantem Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsnormen. Die EU hat diese Realität mit gezielten Sanktionen faktisch anerkannt, doch solange die Täter im Iran Straffreiheit genießen, bleibt die internationale Gemeinschaft gefordert, die Bahai nicht dem Schweigen preiszugeben.

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