MÜNCHEN. (hpd) Lachen wirkt manchmal genauso befreiend wie Erkenntnis - gerade wenn es um Religion geht. Am vergangenen Wochenende wurden gleich zwei von säkularen Organisationen ausgelobte Preise an Kabarettisten verliehen.
„Gache-Wurzn"-Preis des bfg-München
„Gache Wurzn", so erklärte Wolfram P. Kastner für all jene Gäste, die von jenseits des Weißwurst-Äquators angereist waren, kann vielleicht verstanden werden als irgendwas ungestüm und widerständig nach oben Drängendes. „Gache Wurzn" heißt nämlich der mit 1.111,11 Euro dotierte Preis für Mut und Zivilcourage, den der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München dieses Jahr erstmals verlieh.
Kastner lobte den Preisträger Serdar Somuncu als einen Künstler, der sich gegen die „Muster der Verblödung" und die dahinter stehenden „Arschlöcher" stelle. Es sei kein Vergnügen sich Somuncus Programm anzuschauen, denn das Lachen bleibe einem im Halse stecken, wenn man sich nur kurz bewusst macht, über was man da gerade lacht.
Der durch seine Lesungen aus Hitlers „Mein Kampf" und der Bild-Zeitung bekannt gewordene Kabarettist seziert die Sprache der Verführung, brüllt seinem Publikum Texte entgegen, die unendlich dumm erscheinen, doch erschreckenderweise damals erfolgreich waren bzw. es heute noch sind. Und, so Laudator Kastner, er frage sich manchmal, wie es denn wirken würde, wenn die „Mein Kampf"-Rezitation nicht im Brüllstil sondern im abgeklärten Tonfall heutiger Topmanager und Spitzenpolitiker präsentiert würde.
Somuncu bedankte sich einer kleinen Publikumsbeschimpfung, adressiert an die im Saal sitzenden Atheisten, die offenbar meinten, alles besser zu wissen. Und mit denen man doch alles machen könne. Denn, so stellte der „Gache Wurzn"-Preisträger 2008 am Ende fest, alle hätten artig zugehört, niemand hätte widersprochen, niemand hätte sich empört - nicht einmal als er die „Inderin" beschimpft habe.
„Sapio"-Preis des IBKA
Die „Inderin" freilich war Shabana Rehman, Norwegerin eigentlich und ihrerseits angereist, um einen Preis entgegenzunehmen. Sie erhielt den vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) vergebenen „Sapio" - verkörpert durch einen umgedrehten Gelehrtenhut, dessen Troddel durch eine Schlange repräsentiert wird.
Arzu Toker begründete die Wahl mit Rehmans Eintreten für eine selbstbestimmte Identität. Durch ihre kabarettistische Kunst wie durch ihre Lebensführung signalisiere die Tochter pakistanischer Eltern, dass Identität nicht durch die Herkunft festgeschrieben werde. Rehman hatte vor allem durch die vielen Stellen in ihren Bühnenprogrammen, die den Islam von seiner lächerlichen Seite zeigen, die Wut muslimischer Kreise auf sich gezogen. Auch in ihrer Dankesrede machte sie sich über die offenbar sehr frommen Absender obszöner Drohbriefe lustig und fragte, ob diese ihre Schimpftiradenvielleicht aus dem Koran hätten. An alle, die sich über den Muezzin-Ruf echauffieren, stellte sie allerdings die Frage, warum dieselben Leute nicht genauso reagieren, wenn die Nachbarin hysterisch - Shabana Rehman konnte dies sehr überzeugend vorführen - „Oh mein Gott" durch den Garten schreit.
Den Preis teilte sich Rehman mit Sigi Zimmerschied. Der hatte Passau bereits 1979 mit einem „Hirtenbrief an alle schwarzen Schafe" aufgemischt. Seit jener Zeit kennt und bewundert ihn der österreichische Karikaturist Gerhard Haderer, der eine entsprechend persönliche Laudatio hielt. Die Kirche und ihre Würdenträger waren für Zimmerschied immer wieder Zielscheibe seiner vehement vorgetragenen Kritik - was ihm gerade in Bayern nicht unbedingt die Türen zu allen Kleinkunstbühnen öffnete. Vor allem seinen vollen Einsatz, einschließlich einer unglaublichen physischen Präsenz hob Haderer hervor, Zimmerschied „verkörpert" seine Figuren. Mit dieser physischen Präsenz sah sich auch das Publikum konfrontiert, als der Geehrte dann auftrat - doch nicht auf der Bühne, sondern „mitten unter uns" im Parkett. Seine „engagierte Ehrlichkeit" (das schrieb die Süddeutsche Zeitung bereits vor knapp 30 Jahren) war dann in beeindruckender Weise greifbar.
Die beiden Sapio-Preise wurden begleitet durch gut gefüllte „Klingelbeutel" des bfg München als Anerkennung für die wertvolle Arbeit der Künstler.
Lokalkolorit
Mit echt oberbayerischen, teilweise unanständigen Gesängen stimmte der Tiger Willi die Gäste ein. Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung saßen Preisträger und Gäste noch lange gemütlich beieinander im Wintergarten des Oberangertheaters und redeten nicht nur über die Trennung von Staat und Kirche, Abschaffung des § 166 StGB und vieles andere mehr...
Martin Bauer